Was uns wirklich fehlt

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Was uns aktuell nicht nur in Deutschland wirklich fehlt, dazu komme ich gleich noch. Zunächst will ich darauf eingehen, was uns nicht fehlt, nämlich: Solarmodule. Entgegen der noch Mitte des Jahres ausgesprochenen Prognosen einiger Analysten gibt es keinen Photovoltaik-Boom in China und keine extreme Aufholjagt bei den Installationszahlen. Statt der erwarteten Neuinstallationen im Bereich von 25 bis 30 Gigawatt im zweiten Halbjahr wird jetzt mit weniger als 20 Gigawatt gerechnet. Diese Menge kann jedoch jederzeit durch die bestehenden Produktionskapazitäten bei Wafern, Zellen und Modulen aufgefangen werden, so dass der auch von mir erwartete Modulengpass, insbesondere bei in China gefertigten Produkten, ausbleibt. Nach wie vor kommen kontinuierlich neue Lieferungen aus Asien an, alles ist ruhig und beinahe jede Technologie ist entsprechend seiner momentanen Nachfrage verfügbar.

Diese Ruhe macht sich auch bei den Modulpreisen bemerkbar. Nach einigen kurzfristigen Preissen­kungen zu Ende des dritten Quartals, allein um bestehende Lagerbestände zügig abzubauen und Platz für neue Ware zu machen, läuft nun wieder alles weitestgehend in geordneten Bahnen. Die Preise quer durch alle Modularten haben sich stabilisiert, allein die Preise für hocheffiziente und bifaziale Produkte sind leicht gestiegen, was aber auch auf natürliche Schwankungen im Spotmarkt zurückgeführt werden kann. Darüber hinaus hatte ich die betrachteten Leistungsklassen und damit die Grenzen zwischen Low Cost, Mainstream und High Efficiency bereits vor einem Monat geändert, so dass die etwas preiswerteren Module mit 290 Watt aus der Durchschnittspreisermittlung letzterer Klasse rausfielen. Damit beginnen High Efficiency-Module nun erst bei 295 Watt, Mainstream-Module bei 270 Watt.

Was ist es aber nun, was uns fehlt in diesem mittlerweile saturierten Markt? Was bremst uns denn aktuell noch bei der zügigen Umsetzung der Energiewende und dem schnellen Umstieg auf rein erneuerbare Energieerzeugung, einmal abgesehen von immer neuen politischen Winkelzügen und der Weigerung der Großen Koalition, den 52-Gigawatt-Deckel in Deutschland endlich zu beerdigen? Die Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten für die ausschließliche Nutzung von regenerativen Energien in naher Zukunft ist dank der Fridays-For-Future-Bewegung da, ebenso die prinzipielle Bereitschaft, selbst in diesen Bereichen zu investieren, also zum Beispiel eigene Solaranlagen zu errichten. Die Zukunft der Photovoltaik-Branche scheint also gesichert – alles wird gut!? Leider hat die ganze Sache einen großen Haken: es ist der Fachkräftemangel!

Anfang der 2010-er Jahre war noch alles in Ordnung, die Handwerksfirmen wuchsen und gediehen, bildeten laufend neue Mitarbeiter aus. Unternehmen aus der klassischen Elektrotechnik sattelten auf die Planung und den Bau von Photovoltaik-Anlagen um, viele hunderttausend Arbeitskräfte hatten ihren Platz in der Regenerative-Energien-Branche. Doch dann kam der große Kahlschlag. In mehreren Stufen wurde das EEG in Deutschland, aber auch die Förderbedingungen in vielen anderen europäischen Ländern, soweit gekürzt und verschlechtert, dass der Neuanlagenbau schlicht unattraktiv wurde und die Märkte zusammenbrachen. Fachkräfte wanderten massiv ab und suchten sich neue, von der aktuellen politischen Wetterlage unabhängigere Betätigungsfelder. Die wenigen Firmen, die der Branche dennoch treu geblieben sind, versuchen nun verzweifelt, dem allmählich wieder ansteigenden Arbeitsaufkommen mit sehr viel kleineren Teams Herr zu werden.

Einige wieder erstarkende Handwerksbetriebe bemühen sich darum, ihre ehemaligen Mitarbeiter, zum Beispiel erfahrene Planer, vor allem aber Monteure, durch attraktive Arbeitsbedingungen und Bezüge zurückzugewinnen. Doch andere Firmen aus weniger turbulenten Branchen zahlen besser, die dortigen Jobs sind vermeintlich sicherer. So fehlen zumindest in Deutschland zahlreiche Arbeits- und Fachkräfte im Photovoltaik-Bereich, so dass viele Installationsaufträge nicht angenommen oder aber nur mit sehr großer Verzögerung abgearbeitet werden. Nach Erhebungen des Start-ups www.installion.eu sind allein in den letzten Monaten die Vorlaufzeiten für Elektrikerarbeiten von durchschnittlich zwei bis drei Monaten noch im Juni erheblich auf bis zu fünf Monate im September gestiegen. Die meisten Installationsbetriebe nehmen gerade kleinere Aufträge im Endkundensektor für dieses Jahr schon gar nicht mehr an.

Durch diesen Montage-Engpass allein ist schon zu befürchten, dass Klimaziele im Stromsektor nicht oder nur sehr verzögert erreicht werden können. In anderen europäischen Ländern ist die Lage kaum besser. Dort, wo es in der Vergangenheit im Wesentlichen nur Großanlagenbau gab – Beispiele sind Spanien und Großbritannien – fehlt das Know-how für smarte Kleinanlagen mit Speicherunterstützung und Eigenverbrauchsoptimierung völlig, selbst wenn Montagekräfte prinzipiell vorhanden wären. In vielen Ländern gab es nie einen Breitenmarkt oder aber er ist so frühzeitig im Keim erstickt worden, dass auch dort viele Fachkräfte abgewandert sind oder nie aufgebaut wurden.

In Frankreich entwickelt sich nach langer Durststrecke gerade wieder eine rege Nachfrage auch für Kleinanlagen, allerdings mit exakt den gleichen Problemen wie in Deutschland. Die französische Regierung wird auch niemals müde, immer wieder neue Regularien zu erfinden, die den Neubau komplex und Installateuren das Leben schwer machen. Nur in Märkten wie Italien und Südosteuropa scheint es keinen Fachkräftemangel zu geben, aber schlichtweg aus dem einzigen Grunde, dass mangels eines funktionierenden Marktes auch keine Fachleute benötigt werden.

Was ist also zu tun, um die Situation zu verbessern? In erster Linie müssen die Marktakteure sich um Nachwuchs kümmern, also selbst neue Fachkräfte ausbilden. Dazu wären natürlich Bildungsinitiativen der Länder und eine anderweitige staatliche Unterstützung hilfreich, beispielsweise durch Steuer­erleichterungen und Senkung der Sozialabgaben für Ausbildungsbetriebe. Diese Maßnahmen können selbstverständlich erst auf längere Sicht Wirkung zeigen.

Um den Engpass kurzfristig zu überwinden, ist das Start-up www.installion.eu angetreten und hat einen Onlinemarktplatz für Elektrikerkapazitäten entwickelt. Durch gezieltes Akquirieren von Elektromonteuren in anderen Branchen  unterstützt die junge Firma nach eigenen Angaben bereits eine zweistellige Zahl an Energieversorgern, Herstellern, Großhändlern und größeren Installationsbetrieben in der strukturierten Akquise von Montagekräften. Auftraggeber können innerhalb eines monatlich kündbaren Abonnements ihre anstehenden Projekte platzieren, für deren Realisierung der Plattformbetreiber dann geeignete Arbeitskräfte vermittelt.

So bleibt uns nur zu hoffen, dass in Zukunft kaum noch ein vielversprechendes Photovoltaik-Projekt nicht realisiert werden kann, nur weil sich kein Personal dafür finden lässt!

Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im Oktober 2019 inklusive der Veränderungen zum Vormonat (Stand 21.10.2019):

— Der Autor Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit über 20 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten auch Solarmodule und –wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.

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