Wie Solarmodule durch kalte Lötstellen zu Garantiefällen werden

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Ein Investor plant richtig groß. Er lässt in den letzten drei Jahren Solarkraftwerke mit einer Leistung von rund 50 Megawatt in Europa bauen. Doch bei den ersten Untersuchungen für finale Abnahme zum Ende der EPC-Garantiezeit deutet sich ein Schlamassel an. Wie oft üblich sollte der O&M-Dienstleister diese Abnahme durchführen. In diesem Fall das gleiche Unternehmen, das schon als EPC die Anlagen gebaut hatte.

In den Sichtprüfungen fanden die Experten bei den Modulen unter anderem Stellen, die aussahen, als seien sie in Betrieb schon einmal warm geworden. Thermografiebilder zeigten an diesen Stellen Anomalien. Einige Monate habe der O&M-Dienstleister mit den europäischen Repräsentanten des Modulherstellers verhandelt, wie man weiter verfahren könne, sagt Anika Giller, bei Clean Energy Associates für Business Development EMEA & APAC zuständig. „Ohne Erfolg“, sagt sie. Das Unternehmen, kurz CEA, ist Partner beim pv magazine Modultest, führt als globale unabhängige Ingenieursfirma bei Solar- und Batteriespeicherprojekten Fehleranalysen und Due-Diligence-Prozesse beim Modulkauf durch.

Im Prinzip bestehe natürlich ein Anspruch auf eine Garantieleistung. Wenn allerdings vertraglich nicht geregelt ist, wie man den Garantiefall nachweist, ist man noch mehr auf die Kooperation durch den Modulhersteller angewiesen als sowieso schon. „Unsere Erfahrung ist, dass ein Hersteller einen bestimmten Defekt nie als Begründung für einen Garantiefall anerkennt, wenn er nicht vorher im Kaufvertrag definiert wurde“, sagt Giller. „In einigen Fällen haben wir die Erfahrung gemacht, dass mit solch einer Anerkennung ein Präzedenzfall für solche Forderungen geschaffen werden würde, ohne die Anzahl der betroffenen Module abschätzen zu können.“ Das sei ein sehr großes Risiko.

Außerdem, jedes Modul im Labor nachzumessen und dort den Fehler nach allen Regeln der Kunst zu bestätigen, wäre in dem Fall unverhältnismäßig teuer gewesen. An diesem Punkt hat das O&M-Unternehmen CEA hinzugezogen. „Unser Vorteil ist, dass wir direkt Zugang zu den Entscheidern in China hatten“, sagt sie.

pv magazine Quality Roundtable auf der Intersolar Europe - Themen:

Auf dem Quality Roundtable am 2. Tag der Intersolar (16.5.2019) präsentieren wir wie gewohnt Beispiele mit Qualitätsproblemen, aus denen wir lernen wollen. Wir starten mit dem hier beschriebenen Beispiel und diskutieren mit Anika Giller von CEA darüber. Schon Fragen oder Kommentare? Schicken Sie diese an michael.fuhs@pv-magazine.com

Unser Motto: alle sind Experten. Lassen Sie uns am Roundtable gemeinsam diskutieren. Eintritt ist frei.

Weitere Themen:

  • Qualität bei Glas-Glas-Modulen
  • Was lässt sich aus Erfahrungen mit schlechter Qualität bei Kabeln und Steckverbindern lernen (über Erdkabel und anderes)?
  • Was lässt sich aus Erfahrungen mit schlechter Qualität bei Wechselrichtern lernen?
    (Dort werden wir unter anderem dieses Beispiel diskutieren)

-> Mehr Informationen und kostenlose Registrierung

Die Postersession beginnt um 13:30 Uhr, die Session zur Modulqualität
um 14:30 Uhr.

Mindset des Herstellers berücksichtigen

Es sei dann möglich gewesen, mit dem Hersteller im Voraus ein Prozedere zu vereinbaren, bei dem CEA 85 Prozent der 50 Megawatt, oder rund 180.000 Solarmodule, nachts mit Elektrolumineszenz vermessen hat, sagt Giller. Solch eine Vereinbarung könne man erreichen, wenn man das „Mindset“ der Hersteller akzeptiere, so dass man für alle akzeptable und gleichzeitig sinnvolle Lösungen vorschlagen kann. Damit diese Messungen effektiv durchgeführt werden können, haben sie also gemeinsam mit dem Hersteller die Auflösung für die Aufnahmen so festgelegt, dass man die schlechten Lötstellen gerade noch erkennen kann und der Hersteller sie als Nachweis für einen Garantiefall akzeptieren würde.

„Wir haben ein Stativ benutzt, mit dem wir schnell durch die Reihen gehen und im richtigen Abstand messen konnten“, so Giller. Insgesamt habe es nur zwei Monate gedauert. Es habe sich gezeigt, dass bei fünf Prozent der Module kalte Lötstellen gefunden worden seien. Dass die Situation so ernst sei, habe niemand geahnt. Kalte Lötstellen entstehen zum Beispiel, wenn die Temperatur beim Lötprozess nicht hoch genug ist. Es ist schwierig, kalte Lötstellen mit dem bloßen Auge zu erkennen.

„Es hat sich als wichtig herausgestellt, dass wir im Vorfeld mit dem Hersteller die Kriterien festgelegt haben, bei denen Module getauscht werden“, sagt CEAs Direktor für Technologie und Qualität, George Touloupas. Dadurch sei es möglich, auf einer technischen Ebene zu diskutieren, ohne dass gleich ein Wert, um den es geht, im Raum steht. Wichtig sei zudem, dass man das in einem Vertrag nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Chinesisch festhalte. „Unserer Erfahrung nach kommt sonst oft etwas anderes in China an, als was in Europa vereinbart wurde“, sagt er. „Und am Ende zählt, dass die Entscheider und das technische Team in China alles verstanden haben, und nicht, dass man sich auf in Englisch niedergeschriebene Worte verlässt.“

„Der Hersteller hat zugestimmt, mehr als 5.000 Module zu tauschen.“

In diesem Fall ging es gut. Der Hersteller habe zugestimmt, mehr als 5.000 Module zu tauschen, mit einem heutigen Marktwert von knapp einer halben Million Euro, so Giller. Dazu habe beigetragen, dass leicht habe dargelegt werden können, dass es sich um einen Produktionsfehler handele.

Vergleich mit Produktionsaudit

„Wenn wir beim Kauf der Module ein Produktionsaudit machen, überprüfen wir viele Parameter, darunter ist die Löttemperatur“, sagt Giller. „Außerdem überprüfen wir zum Beispiel auch die Abzugskraft der Lötung“. Ein Due-Diligence-Prozess, der zusätzlich zum Produktionsaudit auch enthält, dass man Qualitätskriterien festlegt und zu den Verträgen berät, hätte in diesem Fall ungefähr ein Fünftel dessen gekostet, was der Einsatz nun gekostet habe. „In manchen anderen Fällen ist es sogar nur ein Zehntel, je nach Art und Intensität der Onsite-Inspektion, die nötig ist, um die Konfidenz zu erhöhen.“ Damit meint sie das Vertrauen in die Qualität der Lieferung.

Diese zusätzlichen Kosten trägt in diesem Fall der EPC- und O&M-Dienstleister. Dazu kommen die Kosten für die zusätzlichen Montagearbeiten und die Personalkosten für die Betreuung des Garantiefalls. „Auf diesen bleibt oft der Investor sitzen“, sagt Giller. Das hängt wiederum vom Vertrag ab, den der Investor mit dem EPC hat. Es kommt laut Giller nicht selten vor, dass in solchen Verträgen kein Kriterium festgelegt wird, das ein Problem wie das der kalten Lötstellen erfasst. Wenn fünf Prozent der Module 20 Prozent weniger Leistung haben, hängt es von der Verteilung der schlechten Module im Kraftwerk ab, wie viel die Gesamtleistung sinkt. Wenn diese am Ende nur bei einem Prozent liegen sollte, fällt das überhaupt nicht auf. Die Rendite reduziert es trotzdem. Außerdem stellt sich die Frage, ob sich, tauscht man die Module mit den kalten Lötstellen nicht, sich dort später Hot Spots entwickeln, die die Module weiter in Mitleidenschaft ziehen.

Zur Diskussion auf dem pv magazine Quality Roundtable auf der Intersolar:

Treffen Sie Anika Giller von CEA auf dem Roundtable während der Intersolar am 16. Mai im ICM Conference Center, Raum 5 Erdgeschoss, nahe des Eingangs Messe West, und diskutieren Sie mit uns:

  • Welche Erfahrungen gibt es, wenn der Punkt „kalte Lötstellen“ nicht im Kaufvertrag der Module geregelt wurde? Ist das ein Einzelfall?
  • Besteht die Gefahr, dass manche kalten Lötstellen erst im Laufe der Lebenszeit der Solarkraftwerke sichtbar werden?
  • Wie groß ist schätzungsweise der Anteil der Anlagenfehler, der in der Produktion entsteht und der durch ein Audit verhindert werden könnte?
  • Lohnt sich die Ausgabe für einen Due-Diligence-Prozess beim Modulkauf oder ist es günstiger, Fehler bei einzelnen Anlagen zu akzeptieren?
  • Wie viele Anlagenbesitzer haben die Erfahrung gemacht, dass das Einfordern einer Garantieleistung eine einfache, schnelle und erfolgreiche Maßnahme ist?
  • Gäbe es einen für Hersteller und Käufer fairen Weg, wie die Industrie solch eine einfache, schnelle und erfolgreiche Garantieabwicklung erreichen kann?

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