Viereinhalb Jahre lang haben 14 Wissenschaftler an der Studie gearbeitet, welche die Energy Watch Group (EWG) und die finnische LUT University am Freitag in Berlin vorgestellt haben. Die Modellierungsstudie simuliert eine vollständige weltweite Energiewende in den Bereichen Strom, Wärme, Verkehr und Meerwasserentsalzung bis zum Jahr 2050. Ergebnis: 100 Prozent erneuerbare Energien ermöglichen nicht nur das Erreichen des 1,5-Grad-Zieles und ein Ende der CO2-Emissionen, sondern sind im Vergleich zu dem aktuellen konventionellen System mit fossilen und nuklearen Energien auch wirtschaftlich konkurrenzfähig – obwohl Erneuerbare im Vergleich zu den Betriebskosten mit sehr hohen Invesitionskosten einhergehen. Dennoch sei die Umstellung auch in der Übergangsphase nicht teurer, als wenn man nicht umstellt, so eine der Kernaussagen der Studienautoren.
Zu den Schlüsselerkenntnissen gehört, dass für die Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare in allen Energiesektoren eine umfassende Elektrifizierung notwendig ist. Dadurch werde bis 2050 der gesamte Stromerzeugung vier bis fünf mal so hoch sein wie die Stromerzeugung des Jahres 2015, und der Stromverbrauch werde auf mehr als 90 Prozent des Primärenergiebedarfs ansteigen. Möglich wird das laut Studie durch eine weltweite Primärenergiegewinnung aus Solarenergie (69 Prozent), Windkraft (18 Prozent), Wasserkraft (drei Prozent), Bioenergie (sechs Prozent) und Geothermie (zwei Prozent) – überwiegend aus dezentraler lokaler und regionaler Erzeugung. Insgesamt sollen bis 2050 Photovoltaik und Wind 96 Prozent der gesamten Stromversorgung aus erneuerbaren Energien leisten. Gleichzeitig soll der Verbrauch fossiler und nuklearer Energierohstoffe in allen Sektoren vollständig eingestellt werden.
Die Energiekosten für ein vollständig nachhaltiges Energiesystem sinken der Modellierungsstudie zufolge von 54 Euro pro Megawattstunde im Jahr 2015 auf 53 Euro pro Megawattstunde im Jahr 2050. Parallel dazu sollen die jährlichen Treibhausgasemissionen im Energiesektor kontinuierlich von rund 30 Gigatonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2015 bis 2050 auf Null zurückgehen. Hauptautor Christian Breyer von der LUT hält es auch schon bis 2040 für möglich, die Emissionen auf Null zu reduzieren, wie er bei der Vorstellung der Studie sagt. Er rechnet in seinem Szenario mit knapp über 400 Gigatonnen CO2, wobei der Anteil der Industrie nicht komplett erfasst sei.
Die Studienautoren sehen weiterhin ein Beschäftigungspotenzial bis 2050 für weltweit 35 Millionen Menschen. Die rund neun Millionen Arbeitsplätze im weltweiten Kohlebergbau aus dem Jahr 2015 würden bis 2050 durch mehr als 15 Millionen neue Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbare-Energien-Branche überkompensiert.
Die Studie berechnet einen kostenoptimalen Mix von Technologien auf Grundlage lokal verfügbarer erneuerbarer Energiequellen. Dabei haben die Autoren einen kosteneffizienten Übergang hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung für die ganze Welt, aufgeteilt in 145 Regionen, mit stündlicher Auflösung für ein gesamtes Referenzjahr ermittelt. Das Szenario der globalen Energiewende haben sie in Fünf-Jahres-Zeiträumen von 2015 bis 2050 durchgeführt. Im Gegensatz zu den früher erfolgten Veröffentlichungen handele es sich bei der nun vorgestellten Studie nicht mehr „Über-Nacht-Szenario, bei dem man so tut, als ob man von heute auf morgen direkt umstellt“.
Den Autoren zufolge ist es dank des erarbeiteten Modells und der umfangreichen Datenbasis jetzt auch möglich, nationale Pläne für eine vollständige Energiewende zu entwickeln, die genau auf den jeweiligen Kontext der einzelnen Länder zugeschnitten sind. „Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem“, so EWG-Präsident Hans-Josef Fell.
Als wichtigste Maßnahmen nennt die Studie die Förderung der Sektorenkopplung, die Förderung privater Investitionen, angereizt am besten durch feste Einspeisevergütungen, Steuervergünstigungen, rechtliche Privilegien sowie die Einstellung von Subventionen für Kohle und fossile Brennstoffe. Mit der Umsetzung starker politischer Rahmenbedingungen sei eine Wende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien bereits vor 2050 möglich. Die Studie „Globales Energiesystem mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien“ von EWG und LUT University wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Stiftung Mercator mitfinanziert.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Danke, für diese bündige Darstellung der Studie. Mir scheint in diesen Ergebnissen ein entscheidender Widerspruch vorhanden zu sein, für den ich gerne eine Erklärung hätte: Der Energiepreis soll geringfügig sinken (von 54 auf 53 Euro/MWh), die Zahl der Arbeitsplätze aber netto stark steigen, von 9 auf 15 Millionen. Wie geht das zusammen? Die Preise ergeben sich doch letztlich aus den Arbeits- und Kapitalkosten. Die Kapitalkosten sind bei den Erneuerbaren eher höher wegen des höheren Anteils an Investitionskosten, so dass die Arbeitskosten entsprechend sinken müssten, wenn die Preise sich nicht stark ändern sollen. Gleichzeitig soll aber die Zahl der Arbeitsplätze um 67% steigen. Das müsste doch direkt auf die Preise durchschlagen, wenn es nicht sehr viel schlechter bezahlte Jobs sind. Verdient der Kohlearbeiter so viel mehr als der Elektroingenieur? Ohne schlüssige Erklärung (nur mit Verweis auf eine stundengenaue Simulation) bleibt das Ergebnis für mich zweifelhaft. Nach heutigen Preisen würde ich davon ausgehen: Es wird teurer, und entsprechend müssen dafür auch Arbeitsplätze geschaffen werden. Wieviel teurer, das wäre die spannende Frage. Vielleicht ist ja die Zahl von 67% mehr Arbeitsplätzen ein zielführender Hinweis. Mal angenommen, sie ist etwas übertrieben (weil ja mehr Arbeitsplätze etwas so wünschenswertes sind), würde es die Preiserhöhung auf einen Rahmen von um die 50% begrenzen – nicht schön, aber sicher für eine nachhaltige Zukunft gut investiertes Geld. Da auf vielen Gebieten (Lang- und Kurzfristspeicherung, Offshore-Wind, Elemente der Sektorenkopplung, …) die Lernkurve noch lange nicht am Boden angekommen ist, dürfte es noch günstiger werden, und damit dann doch wieder in die Region kommen, wo es ein Kopf- an Kopf-Rennen wird. Da wir in 10 Jahren schon wieder Lösungen ins Auge fassen werden, an die heute kaum keiner denkt (z.B. die direkte Produktion von Treibstoffen durch Algenkulturen), scheint mir eine seriöse Prognose nicht möglich.
Für eine bessere Darstellung der Studie müsste dann noch angegeben werden, mit welchen Unsicherheiten gerechnet wird. Schließlich müssen Annahmen gemacht werden, wie sich die Kosten für EE-Anlagen im Verhältnis zur allgemeinen Preisentwicklung verändern. Da wären wir ja schon froh, wenn wir wüssten, wie es im laufenden Jahr geht, geschweige denn in 30 Jahren. Die Unsicherheiten darüber gehen direkt in eine Schwankungsbreite der Ergebnisse ein. Dafür sollte auch in einer kurzen Ergebnisdarstellung doch Platz sein, ob und ggf. welche Aussagen es in der Studie dazu gibt?
Nennen sie mir eine Studie der „EWG“ von Herrn Fell deren Prognosen bisher auch nur halbwegs richtig lagen.
Hallo JWC, ihre Frage wird schon auf Seite 8 der 321-seitigen Studie beantwortet: „When taking into account negative externalities of the current system, …“ was „negative externalities“ sind wird ganz schön hier erklärt https://www.economicsonline.co.uk/Market_failures/Externalities.html oder auf deutsch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Externer_Effekt, wir werden also ohne steuernde gesetzgeberische Eingriffe nicht herumkommen, aber genau dafür haben wir ja eine soziale Marktwirtschaft.
@ Peter Staudt-Fischbach.
Soziale Marktwirtschaft, aber leider nur auf dem Papier.
Siehe hier:https://de.wikipedia.org/wiki/Externe_Mitarbeiter_in_deutschen_Bundesministerien
Sie wollen damit vermutlich sagen, dass die Zahl von 53 Euro im 100%-Szenario dadurch entsteht, dass man von den tatsächlichen Kosten (die dann bei 54+67%=90 Euro lägen) die vermiedenen negativen externen Kosten der heutigen Energiewelt noch abzieht. Mir erscheint das zu intransparent. Inbesondere die Höhe der externen Kosten ist ja auch gelinde gesagt umstritten, und erheblichen Bewertungsunsicherheiten unterworfen. Außerdem besteht bei solcher Intransparenz die Gefahr, dass die externen Gewinne dann gleich noch ein zweites Mal als zusätzlicher Gewinn verbucht werden, weil man sie beim ersten Mal nicht bemerkt hat. Bei mir bleibt der unangenehme Nachgeschmack, dass die Studie versucht wissenschaftlichen Anschein zu vermitteln und doch vor allem politisch motiviertes Wunschdenken ist. Das gestehe ich jedem gerne zu, es ist auch meines.
Das Problem ist aber folgendes: Wer verspricht, es würde nicht teurer, dann wird es aber doch teurer, der hat seine Glaubwürdigkeit verspielt. Man hat durch eine Lüge einen taktischen Erfolg erzielt, langfristig geht der Schuss aber nach hinten los. Ich bevorzuge die scheuklappenlose Ehrlichkeit.
Die Preise enthalten keine Brennstoffkosten mehr. Wie Herr Alt immer so schön sagt, die Sonne schickt keine Rechnung. Bei Wind ist es nicht anders. Gehen Sie mal davon aus, dass die Wissenschaftler nicht zu blöd sind, da richtig zu rechnen.
Algenkulturen und Treibstoff, ein widerspruch in sich , im Solarzeitalter (wir sind mitten drin) ist der Verbennungsmotor Geschichte, wie lange wollen wir noch immer fahrbare Heizkessel= Steinzeittechnologie nutzen?
Also es gibt intensive Forschungen (z.B. TU-München) dazu, Kerosin aus Algenkulturen herzustellen. Bisher liegt der Literpreis von so hergestelltem Kerosin zwischen ein und zwei Euro. Steht natürlich auch in Konkurrenz zu Wasserstoff. Für Anwendungen in der Luftfahrt aber sicher nicht in Konkurrenz zu Batterien. Und es muss schon sehr schlecht laufen, dass man bereit ist, auf die Luftfahrt (bisher 3% des globalen CO2-Ausstoßes) zu verzichten. Einen Widerspruch kann ich da nicht erkennen. Und ich habe nicht gesagt, dass das sicher kommen wird. Nur, dass man heute nicht wissen kann, was in 10 Jahren an neuen Technologien wirtschaftlich (oder zumindest so günstig, dass man es den fossilen Treibstoffen vorzieht) geworden ist.
Woher sollen die Ressourcen für die Herstellung der Massen an Stromspeichern genommen werden? Die sind begrenzt und deren Gewinnung ist bekanntermaßen weder umwelt- noch menschenfreundlich.
Wir kommen nicht um eine deutliche REDUKTION des Energieverbrauchs herum und dies bedeutet nun mal letztlich Einschränkung bei jeglicher Art von Konsum…
Alle Ressourcen sind begrenzt, und werden künftig nicht billiger. Dagegen stehen Sonne und Wind, die keine Rohstoffrechnungen schicken. Das ist den 14 Wissenschaftlern bei deren viereinhalb jährigen Tätigkeit, sicher auch nicht verborgen geblieben.
Sie denken leider nur an Batterien, müssen jedoch Wasserstoff berücksichtigen. Wir müssen in Wirklichkeit auf nichts an Komfort verzichten, sondern lediglich nachhaltiger agieren. Außerdem sind Lithium-Ionen-Batterien nicht der Weisheit letzter Schluss. Es gibt da schon bessere Ansätze, welche aber noch in der Entwicklung stecken oder unbekannt sind.
Wer Verzicht predigt (wäre ja tatsächlich eine mögliche Lösung), wird in einer Demokratie Politiker wie Trump an die Spitze bekommen. Die meisten Menschen sind dazu einfach nicht bereit, ich fürchte, auch die Friday-for-Future-Kids nicht auf Dauer. Statt dessen wird lieber über untätige Politiker geschimpft. Die Speerspitze der Ökobewegung traut sich dann gerade mal zu fordern, man solle sein Mobilitätsverhalten doch bitte auf drei Flüge pro Jahr reduzieren. Haha! Wenn die Menschen die notwendige Einsicht hätten, wäre unser Problem deutlich kleiner. Haben sie aber nicht. Also muss man sich damit beschäftigen, wie der Energiehunger, an dem sich wenig ändern lässt, umweltschonender befriedigt werden kann.
Das Speichern von Energie in Batterien läßt sich teilweise ersetzen durch die Nutzung von Lastverschiebungspotentialen. Darunter versteht man das Zu- und Abschalten von Verbrauchern in Abhängigkeit zum fluktuierenden Energieangebot aus Sonne und Wind.
Beispiele für solche Verbraucher sind:
E-Autos
Warmwasserbereitung
Drucklufterzeugung
E-Heizung
Kühlaggregate
…
Alles was lebt, auch ein Kind und die anderen Tiere leben wahrheits-nah, also „philosophisch“ weil die Natur permanent allen Lebewesen die notwendige Naturanpassung mit Weg und Ziel allen Lebens antriebsdynamisch dominant gebietet. Wer das nicht akzeptieren will neigt zur Willkür, die nur tolerierbar ist, wenn sie mit existentieller Verantwortung für alle Betroffenen und das Allgemeinwohl verbunden ist. So kann und muss man als Philosoph wahrheitsorientiert sinnvoll und vernünftig „missionieren“ dürfen, wenn man ändern will, was sinnvoll und vernünftig nicht ertragbar ist – so ist z. B., auch die Natur- Zerstörung durch uns selbst,natürlich entwicklungsgeschichtlich antriebsdynamisch bedingt und erklärbar! Es sind die lebensschädlichen Antriebsdominanzen allen Lebens, die man überall und auch an sich selbst beobachten kann.. Ja, es sind die unbewusst wirksamen, dominant maßlos wirksamen, schädlich ausgelebten Antriebsanteile, der Eitelkeit, Vorteils- und Machtorientierung – sie , sind der Menschheit Verhängnis! Ein existentielles Verhängnis für uns alle, wenn die eigene Antriebsdynamik weiter erkenntnisstandwidrig verdrängt, populistisch und/oder naiv missbraucht und nicht bewusst moralisch reflektiert wird – und die verhängnisvollen Antriebsanteile somit existentiell nicht entschärft werden.. Auf geht´s! Jeder kann es besser machen, dann wird das Ganze besser und der „Mensch“ endlich ein Mensch wird, der sich und die Welt erhält!