Digitalisierung der Energiewende steckt in Deutschland in den Kinderschuhen

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Das Bundeswirtschaftsministerium hat am Mittwoch die neuesten Zahlen des „Barometer Digitalisierung der Energiewende“ veröffentlicht. Sie zeigen deutlich, wie weit Deutschland noch von dem Ziel entfernt ist, auch wenn sich dies aus der öffentlichen Mitteilung des Ministeriums nicht herauslesen lässt. Dort wird die erste Zertifizierung eines Smart-Meter-Gateways Ende Dezember 2018 als ein wichtiger Meilenstein gefeiert. „Damit wurde Smart Metering in Deutschland neu definiert und ein zentrales Signal für ein zukunftstaugliches Smart Grid gesetzt“, heißt es vom Ministerium weiter.

Die entscheidende Zahl, die Ernst & Young im Bericht zum aktuellen Stand der Digitalisierung der Energiewende in Deutschland ermittelt hat, lässt man in Berlin unter den Tisch fallen. Der ermittelte Digitalisierungsgrad liegt demnach bei 22 auf einer Skala von 1 bis 100. Das Ministerium schreibt nur: „Zugleich sieht der Bericht noch Potenzial bei der weiteren Umsetzung des am 2. September 2016 in Kraft getretenen Gesetzes für die Digitalisierung der Energiewende (GDEW) und bei der Ausschöpfung der Vorteile für Energie- und Verkehrswende. Hierzu wird unter anderem ein zentrales, übergreifendes Projektmanagement empfohlen.“ Die Autoren des Barometers sind mit ihrer Einschätzung dagegen klar: „Bei 22 Punkten ist ein geringer Digitalisierungsgrad erreicht, es bleibt noch viel auf dem Weg zur Digitalisierung der Energiewende zu tun.“

Deutliche Worte findet auch Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne), zum ermittelten Barometerwert: „Auf einer Skala von 1 bis 100 erreicht die deutsche Energiewende lediglich einen Digitalisierungsgrad von 22. Das entspricht der Schulnote 5, ‚nicht ausreichend‘. Das ist ein inakzeptables Ergebnis für eine Industrienation, die einst eine Vorreiterrolle bei der Energiewende eingenommen hatte.“ Dabei sei die Digitalisierung dringend erforderlich, um die erneuerbaren Energien zu integrieren sowie die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr zu koppeln. „Ein dezentrales Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien mit einer Vielzahl an Akteuren und kleinen PV-Anlagen, Speichern, Wärmepumpen oder Ladepunkten für Elektroautos ist nur mit der Digitalisierung zu realisieren“, so Busch weiter.

Der bne begrüßt, dass der vom Bundeswirtschaftsministerium aufgesetzte Monitoringprozess dazu beitrage, die bestehenden Mängel aufzuspüren. Der Verband sieht diese vor allem im derzeit laufenden Zertifizierungsprozess intelligenter Messsysteme, der komplett an den Bedürfnissen der Verbraucher und Marktakteure vorbeigehe. „Nun ist dringend die Politik gefordert, schnell und tatkräftig nachzubessern. Ein Ansatz, die Mängel zügig abzustellen, ist die Öffnung des Messstellenbetriebsgesetzes für Innovationen. Das bedeutet auch, die gesetzlichen und behördlichen Vorgaben für die Zertifizierung auf grundlegende Mindestanforderungen zu begrenzen. Nur wenn die Politik die Rahmenbedingungen auf die Innovationsgeschwindigkeit von Technologien und Märkten anpasst, kann in Deutschland ein flächendeckender Rollout innovativer Messsysteme beginnen, die sowohl einen attraktiven Kundennutzen bieten und den Rollout zu bezahlbaren Kosten ermöglichen“, so Busch weiter.

Am Dienstag hatte das Bundeswirtschaftsministerium seine „Roadmap für intelligente Energienetze der Zukunft“ präsentiert. Diese enthält einen Arbeitsplan für den Umbau der Energienetze zu sogenannten „Smart Grids“. Ziel dabei ist die Vernetzung aller Akteure der Stromversorgung im intelligenten Energienetz der Zukunft, wie das Ministerium erklärte. Weiter kündigte es an, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) am Donnerstag eine Marktanalyse veröffentlichen will, in dem unter anderem der Zertifizierungsprozess für Smart-Meter-Gateways enthalten sein soll.

Robert Busch vom bne erklärte dazu: „Leider kann auch eine Beschreibung des Zertifizierungsprozesses nur Mängel feststellen: Derzeit gibt es lediglich ein Smart-Meter-Gateway auf dem Markt, das vom BSI zertifiziert ist. Erst wenn mindestens drei Smart-Meter-Gateways vom BSI zertifiziert sind, kann das Bundesamt einer Markterklärung abgegeben, welche Grundlage für den Rollout intelligenter Messsysteme ist.“ Er bezweifelte zudem, dass die ersten Smart-Meter-Gateways mehr Messdaten als die bestehenden analogen Zähler bringen werden. Der Nutzen tendiere damit gegen Null.

Auch der aus dem Photovoltaikforum hervorgegangene Community-Messstellenbetreiber Com-Metering hatte am Donnerstag basierend auf einer Umfrage unter 1500 Photovoltaik-Anlagenbetreibern erklärt, dass die Akzeptanz des Smart-Meter-Rollouts verherrend sei. 77 Prozent lehnten demnach den geplanten Pflichteinbau von Smart-Metern ab und weniger als 25 Prozent erkennen darin einen energiewirtschaftlichen Nutzen.

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