Das Solarcoin-Experiment

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Geld, das aus dem Nichts geschaffen Solaranlagenbetreiber einfach so für ihre Erzeugung bekommen und das einfach immer weiter an Wert gewinnt – das ist Solarcoin, wenn es nach dem Willen des Gründers Nick Gogerty geht. „Wir wollen damit die Solarenergie fördern“, sagt er.

Seit 2014 gibt es die Solarcoins und inzwischen sind sie auch schon etwas wert, wie ein Blick auf die Kurse bei Kryptowährungsbörsen zeigt. Am 8. Januar 2018 bekam man sogar schon zwei Euro pro Solarcoin. Da Solaranlagenbetreiber pro Megawattstunde erzeugtem Solarstrom einen Solarcoin erhalten, entsprach das mit dem Wechselkurs an diesem Tag knapp 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde.

Mit solch einem Kurs kann der Solarcoin sogar schon einen kleinen Beitrag zur Anlagenfinanzierung leisten. Der Betreiber einer Freiflächenanlage in Deutschland, der bei einer Ausschreibung den Zuschlag mit vier Cent pro Kilowattstunde gewonnen hat, könnte damit seine Einnahmen um fünf Prozent steigern, wenn er sich bei der Solarcoin Foundation registriert. Das ist umsonst und ohne Risiko.

Die Theorie hinter dem Geldsegen

Zu schön um wahr zu sein? Ja und nein. Der Wechselkurs-Höhenflug im Januar verlief parallel zur Spekulationsblase bei Bitcoin – wie bei vielen anderen Kryptowährungen. Außerdem erklärte zu dieser Zeit der saudische Anlagenbetreiber ACWA Power, Solarcoins zu sammeln und zu nutzen. Seit dem Höchststand ist der Kurs jedoch um 96 Prozent gefallen. Trotzdem ist sich Nick Gogerty sicher, dass sein Konzept aufgeht.

Der Wechselkurs des Solarcoins zum Dollar hatte einen Höhenflug parallel zu Bitcoin (siehe coinmarketcap.com). Nick Gogerty sagt, dass er trotz der darauffolgenden Kursversluste in seine Theorie des Wertes passt und rechnet damit, dass der Kurs wieder steigt, wenn mehr Menschen mitmachen.

Grafik: coinmarketcap.com

Der Hype im Januar sei der Spekulation geschuldet gewesen, sagt er. Er betont, dass er sich gar keine spekulationsgetriebene Wertsteigerung wünsche, sondern nur eine nachhaltige Kursentwicklung. Nach einer Netzwerk-Theorie für Währungen, die er aufgestellt hat, könnte sich der Kurs in einigen Jahren nachhaltig zu Werten zwischen 7 und 33 Euro entwickeln, was 0,5 bis 2,8 Cent pro Kilowattstunde Solarstrom entspräche.

Spricht man Finanzexperten auf diesen prognostizierten Geldregen für Betreiber an, ist die Skepsis allerdings erwartungsgemäß groß, widerspricht sie doch den üblichen Ansichten zu Kryptowährungen.

Derzeit arbeitet Gogerty zusammen mit Paul Johnson von der Columbia University an einem Artikel, in dem er seine Theorie darlegt und mit dem er sie überzeugen will. Im Entwurfsstadium kann man es bereits lesen. Kurz zusammengefasst geht das so: Je mehr Nutzer eine Währung hat, umso besser kann sie ihre Funktion erfüllen und umso höher steigt ihr Wert.

Um Anhaltspunkte in der realen Welt zu finden, die seine Theorie stützen, betrachtet er den Wert der Geldmenge, die von Währungen im Umlauf ist. Diesen Wert teilt er durch die Anzahl der Nutzer. „Dann sieht man, dass bei den meisten Währungen Werte zwischen 1.000 und 5.000 Dollar herauskommen, wenn man sie auf das Bruttosozialprodukt pro Nutzer normiert“, sagt Gogerty. Auch die aktuellen Werte für Bitcoin und Solarcoin passen seinen Berechnungen nach in das Raster. „Wir stellen als Nächstes eine Hypothese auf, die wir mit statistischen Methoden sauber überprüfen können“, sagt er.

Nicht nur eine Geldfrage

Aber vielleicht sollte man den monetären Aspekt des Solarcoins nicht überbewerten. Nick Gogerty sagt selbst: „Es ist ein Experiment. Die neue Währung muss in der Praxis beweisen, dass sie funktioniert.“ Immerhin kostet das Experiment die Teilnehmer außer etwas Papierkram nichts. Vielleicht motivieren die solaren Geldstücke Menschen auch, Solarenergie zu erzeugen, wenn sie nichts wert sind.

So ähnlich sieht es Raimund Thiel. Er ist Senior System Development Engineer bei SMA und leitet dort die Solarcoin-Implementierung, die für die nahe Zukunft vorgesehen ist. Auch wenn er Nick Gogertys Theorie für plausibel hält, sei diese nicht entscheidend dafür, dass SMA Solarcoin einbindet.

Am besten für den Solarcoin-Kurs ist es nach Nick Gogertys Theorie, wenn viele Betreiber kleiner Anlagen mitmachen. Dann sei das Verhältnis der Solarcoin-Verbreitung zur Zahl der Nutzer optimal.

Foto: Fotolia/blachowicz102

„Es ist ein spielerisches Experiment“, sagt er. „Wir überlegen jetzt auch, ob wir bei SMA mit Solarcoins bezahlbare Dienste anbieten oder wie wir weitere Möglichkeiten zur Nutzung von Solarcoins erschließen können.“ Das Konzept findet er dann interessant, wenn man mit seinem Marketing eine bestimmte Kundengruppe erreichen will. Das könnte für alle Unternehmen gelten, die Dienstleistungen für Betreiber anbieten.

Nick Gogerty verspricht sich von der Kooperation mit SMA viel, da sie ihm viele Nutzer bringen kann. Das Sammeln von Solarcoins im SMA-Portal wird zukünftig so möglich sein, dass man einfach das entsprechende Häkchen setzt. Dann werden die für die Beantragung von Solarcoins notwendigen Anlagendaten zur Solarcoin Foundation übertragen. Die eindeutige Geräte-ID, über die jedes SMA-Gerät verfügt, wird bei Web-Connect-Geräten manipulationssicher übertragen und kann vom Portal überprüft werden. „Ohne die SMA-Funktion ist es teilweise notwendig, Typenschilder zu fotografieren und mit Vertragsdaten und Kaufbelegen zu Solarcoin zu schicken“, sagt Thiel. „Das ersparen wir unsren Nutzern.“ Im Betrieb werden die aktuellen Ertragsdaten übertragen, Solarcoin selbst macht dann die Buchung auf das Wallet, also die Internet-Geldbörse des Betreibers.

Die Skepsis der Finanzexperten

Man sollte meinen, angesichts des Hypes um Bitcoin wäre es ein Klacks, Theorien zu finden, die dessen Wertentwicklung erklären. Weit gefehlt. In der Regel hört man, der Wert sei rein spekulativ. Doch selbst dann könnte man weiter fragen, warum manche Kryptowährungen spekulative Werte erhalten und andere nicht. Nick Gogerty belächelt diese Suche nach Experten. „Traditionelle Ökonomie hat keine Theorie für absolute Werte, sondern nur für relative Werte“, sagt er. Er begebe sich auf „unbeackerten Boden“. Solarcoin ist also auch die Geschichte von dem Außenseiter, der sich in die traditionelle Ökonomie wagt.

Leef Dierks ist Professor für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte an der Technischen Hochschule Lübeck. Er arbeitet über Geldtheorie und daran, wie Menschen ökonomische Entscheidungen treffen. Er ist bezüglich der Darlegung von Gogerty in seinem White-Paper-Entwurf mehr als skeptisch. Finanzexperten diskutieren immer noch darüber, ob Kryptowährungen überhaupt alle Funktionen erfüllten, die notwendig sind, damit sie als Währung betrachtet werden könnten, sagt Dierks. Kritisch sei die Wertspeicherungsfunktion, also dass Menschen das Geld ansparen, um es zu einem späteren Zeitpunkt auszugeben. Bei Kryptowährungen sei es durch die großen Wertschwankungen fraglich, ob sie diese Funktion übernehmen könnten. Sie seien daher eher als „spekulatives Investment“ anzusehen. Bei Gogerty vermisst er, dass er diese Funktion einer Währung nicht diskutieren würde.

Darum geht es bei den Solarcoins

Solarcoins: Es wurden 98 Milliarden Solarcoins erzeugt. 97,5 Milliarden davon werden an Solaranlagenbetreiber ausgeschüttet, der Rest dient zur Unternehmensfinanzierung. Für eine Megawattstunde erzeugten Solarstroms bekommen registrierte Solaranlagenbetreiber einen Solarcoin, bis alle 97,5 Milliarden Solarcoins verteilt worden sind. Die Blockchain und der Handel mit dem Geld werden auch noch funktionieren, wenn alle Solarcoins in Verkehr gebracht worden sind.

Verteilung: Derzeit sind etwa 4.700 Anlagen registriert, und bis jetzt wurden rund 11 Millionen Solarcoins verteilt. Wenn alle bisher gebauten Anlagen mit der weltweiten Kapazität von 460 Gigawatt teilnehmen würden, entspräche das 550 Millionen Solarcoins, die in die Zirkulation gebracht würden.

Blockchain: Solarcoin nutzt einen sogenannten „proof of stake“-Validierungsprozess. Nach Aussage des Unternehmens ist dieser 10.000 Mal energieeffizienter als der „proof of work“-Validierungsprozess von Bitcoin.

Stiftung: Solarcoins werden von der Solarcoin Foundation herausgegeben, die 2015 als Public Benefit Corporation von Nick Gogerty and Joseph Zitoli gegründet wurde. Das ist eine in den USA mögliche Gesellschaftsform, die es den Gesellschaftern ermöglicht, einen Gewinn zu erwirtschaften, sie aber verpflichtet, die Auswirkung ihrer Entscheidungen auf Umwelt und Gesellschaft zu berücksichtigen. Die bisherigen Entwicklungskosten haben die Gründer selbst finanziert. In Zukunft verdient das Unternehmen daran, dass es von den Solarcoins, die es an Anlagen größer 20 Kilowatt ausgeschüttet, zehn Prozent als Netzwerkentwicklungsgebühr einbehalten wird.

Nächste Schritte: Die Solarcoin Foundation tut einiges, damit mehr Solaranlagenbetreiber die Coins sammeln und ein Handel in Gang kommen kann. Durch eine Kooperation mit SMA wird es einfacher werden, sich für das Sammeln zu registrieren und den erzeugten Solarstrom abzurechnen. Mit einem System, das es erlaubt, Daten handelsüblicher Monitoring-Systeme wie Meteocontrol und Skytron automatisiert einzulesen, vereinfacht die Stiftung jetzt auch die Abrechnung für viele andere mögliche Nutzer. Um die Verwendung von Solarcoins zu erleichtern, verhandelt sie mit einer Londoner Bank, bei ihrer Debit Card die Verwendung der Kryptowährung zu ermöglichen.

So etwas wie die Wertspeicherungsfunktion gibt es nicht, sagt dagegen Gogerty. „Zum Beispiel Gold“, führt er aus. „Gold hat einen Speicherpreis von ein bis zwei Prozent pro Jahr. Nach 20 Jahren Speicherung hat man 40 Prozent des Wertes verloren.“ Das Edelmetall sei daher eher als ein Versicherungsprodukt zu betrachten. Trotzdem nutzen es einige für ihre Rücklagen. „Es ist vollkommen subjektiv, wie man sein Geld aufheben will“, so Gogerty weiter. Man finde eben auch einige Menschen, die ein Teil ihres Portfolios in Bitcoin stecken. „Es mag nur ein Zehntel eines Prozents der Bevölkerung sein“, sagt er. „Doch das sind immer noch genug.“

Der Netzwerkeffekt

Dass es einen Netzwerkeffekt für Währungen gibt, ist im Großen und Ganzen unwidersprochen. Er besteht darin, dass er den Ausgleich von Interessen verschiedener Akteure ermöglicht. Bei einem reinen Tauschgeschäft zwischen Zweien müssen deren Interessen exakt komplementär sein. Hat der eine Birnen und der andere Äpfel, muss derjenige, der die Birnen gegen Äpfel tauscht, genauso viel Interesse an Äpfeln haben wie der andere daran, eine Birne zu bekommen. Sonst kommt das Tauschgeschäft nicht zustande. Je größer das Netzwerk ist, desto einfacher ist es, übereinstimmende Interessen herzustellen, vermittelt über die Währung. So weit die Theorie.

Doch der Netzwerkeffekt ist im Vergleich zu den anderen Faktoren, die den Wert einer Währung ausmachen, vielleicht nicht so entscheidend. Hinter den realen Währungen steht eine Notenbank, die auf den Wert der Währung achtet und diverse Steuerungsmöglichkeiten hat. „Die Europäische Zentralbank entscheidet, wie viele Euro es gibt“, sagt Dierks.

Wie wichtig das Vertrauen in die Regierung für die Währung eines Landes ist, lässt sich tagtäglich beobachten. Eine langfristige vertrauenswürdige Geldpolitik von Regierung und Notenbank sind notwendig, damit der Wert einer Währung steigt. So hat auch die Deutsche Mark nach dem Krieg und der Währungsreform an Wert gewonnen, und bekanntermaßen war die Unabhängigkeit der Bundesbank, die auf Inflationsbekämpfung ausgerichtet war, ein wesentlicher Faktor. Solche Akteure gibt es bei Kryptowährungen nicht.

Die kritische Masse

Am Ende muss eine Währung eine kritische Masse an Menschen überzeugen, sie gegen Waren und Dienstleistungen zu tauschen. Es sei entscheidend, so Dierks, dass Verkäufer den Solarcoin als Tauschmittel akzeptieren und behalten. Wenn man die Transaktionen eigentlich in Euro durchführt und den Solarcoin zum aktuellen Kurs sofort bei Zustandekommen eines Geschäfts in Euro zurücktauscht, helfe das wenig.

Wobei wir wieder bei der Wertspeicherfunktion wären. Der Euro hat dabei den großen Vorteil, dass der Gesetzgeber ihn als „alleiniges Zahlungsmittel“ festgelegt hat, was bereits eine bestimmte kritische Masse erzeugt. Für Dierks ist es derzeit nicht vorstellbar, dass eine Währung ohne solch eine gesetzliche Festlegung entstehen kann. Nur die digitale Elite würde mit Parallelsystemen wie Kryptowährungen zurechtkommen. In 50 oder 100 Jahren könne sich das aber durchaus geändert haben.

Doch auch der staatlich verordnete Gebrauch einer Währung funktioniert nicht immer. Nick Gogerty verweist gerne darauf, dass eine Währung im Durchschnitt nur 27 Jahre hält, bevor sie in Schuldenkrisen zerstört wird. Und er erzählt gerne eine Geschichte aus Brasilien vom Anfang der 90er Jahre. Die Inflation war hoch, alle waren an die fast täglichen Preissteigerungen gewöhnt. Um sie zu entwöhnen, hat die Regierung den Unidade Real de Valor (URV) parallel zur eigentlichen Währung einführt, den Cruzeiro Real. Allerdings nur auf dem Papier. Preise wurden in beiden Währungen ausgezeichnet. „In der Zeitung haben sie jeden Tag die Preise verschiedener Güter in beiden Währungen abgedruckt“, sagt Gogerty. Die Preise in der neuen Währung wurden konstant gehalten. „Nach einiger Zeit haben die Brasilianer gesehen, dass die Preise in der neuen Währung stabil waren.“ Dann wurde 1994 wirklich eine neue Währung eingeführt und diese blieb stabil. Ist der Erfolg also nur eine Frage der Psychologie?

Käufer ohne Verkäufer?

Es gibt noch einen weiteren Haken am Solarcoin-Konzept, was Gogertys Theorie der Wertentwicklung angeht. Die Solaranlagenbetreiber, die sich Solarcoins gutschreiben lassen, werden einfach zu Nutzern erklärt. Sie sind aber genau genommen nur Menschen, die eben eine virtuelle Geldbörse voll mit Solar-coins haben. Alle diese erklärten Nutzer haben nur eines im Sinne: sie wollen mit den Solarcoins etwas kaufen. Nutzer, die für Solarcoins etwas verkaufen wollen, gibt es zunächst nicht.

„Wenn nur Leute teilnehmen, die die Währung loswerden wollen, ist es schwierig“, sagt Andreas Hanl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Volkswirtschaftslehre in Kassel. Er forscht daran, welche Auswirkungen eine signifikante Umstellung einer Volkswirtschaft auf eine Kryptowährung hätte, wenn man diese groß ausrollen würde. Eine der Fragen, die ihn umtreiben, ist, ob die großen Schwankungen von Kryptowährungen nur Kinderkrankheiten sind und irgendwann verschwinden, oder ob sie in ihrer Struktur angelegt sind. Wie wertvoll eine Kryptowährung wird, hängt auch davon ab, wann eine Kryptowährung in den Markt eintritt, sagt er. Wird der Wert durch Spekulation getrieben, so hat auch diese viel mit dem Glauben daran zu tun, ob der Wert weiter steigt oder nicht. Solch einen Glauben zu transportieren, mag der einen Kryptowährung glaubhafter gelingen als einer anderen. Der Bitcoin profitiert jetzt auch davon, dass das Netzwerk an spekulierenden Investoren relativ groß ist.

Hanl verweist auf ein Experiment, das Ähnlichkeiten zum Solarcoin hat. 2014 hat  eine Stiftung eine neue Kryptowährung, die Aurora Coins, geschafften und nach eigener Aussage an alle 330.000 Menschen verteilt, die in der isländischen ID-Datenbank gelistet waren. Der Wert ist danach von 100 US-Dollar auf unter 10 Cent gefallen. Er hat sich nur kurzzeitig mit dem Bitcoin Höhenflug auf 2 Dollar erholt. Jetzt liegt er wieder bei 10 bis 20 Cent.

Nick Gogerty bezweifelt allerdings, dass der Auroracoin wirklich an so viele Menschen ausgeschüttet wurde. Die Daten zur Marktkapitalisierung würden außerdem in seine Theorie passen.

Dass er aktive Nutzer, also Verkäufer braucht, weiß Gogerty im Übrigen auch. Ein Blick auf Bitcoin helfe auch hier, die Situation einzuschätzen. Die Bitcoins werden in Verkehr gebracht, indem diejenigen damit entlohnt werden, deren Computer die Transaktionen validieren. Das sind alles keine Händler, die sie als Zahlungsmittel akzeptieren, sondern Menschen, die etwas für die Coins haben wollen. Trotzdem stünden bei Bitcoin den vermuteten 20 bis 30 Millionen Nutzern inzwischen ungefähr 300.000 Händler zur Verfügung. Diese verhältnismäßig kleine Zahl sei ausreichend dafür, dass Bitcoins zusammen jetzt 110 Milliarden US-Dollar wert sind. Das seien 4.000 US-Dollar pro Nutzer.

Um Ähnliches für den Solarcoin zu erreichen, besteht ein Teil von Gogertys Arbeit nun darin, Unternehmen davon zu überzeugen, etwas für Solarcoins zu verkaufen. Er sucht Webseiten, die für Solaranlagenbetreiber und solarbegeisterte Menschen attraktiv sein wollen und es diesen erlauben, dass man dort für Solarcoins etwas bekommt. Damit der Handel leichter wird, verhandelt Gogerty gerade mit einer Bank, bei ihrer Standard Debit Card, die bei 45 Millionen Mastercard-Annahmestellen genutzt werden kann, Solarcoins als Zahlungsmittel mit einzubeziehen. Händler, die damit bezahlt werden, bekommen dann direkt umgetauschte Euro oder ihre lokale Währung auf ihr Konto.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Dafür, wie Solarcoins abseits des Netzwerkeffekts an Wert gewinnen könnten, gibt es noch etliche andere Ideen. Dian Balta arbeitet am Forschungsinstitut des Freistaates Bayern für softwareintensive Systeme und Services (Fortiss) zu Blockchain und der damit zusammenhängenden Distributed-Ledger- Technologie. Er kann sich zum Beispiel vorstellen, dass Solarcoins dadurch einen Wert bekommen, indem der Gesetzgeber ihnen regulatorisch Vorteile zuerkennt. Das könne etwa eine Art positiver Gegensatz zu CO2-Zertifikaten sein, so dass man sie miteinander verrechnen kann.

Wirtschaftwissenschaftler Ingo Fiedler von der Universität Hamburg gefällt die Idee des Solarcoins. Er misst dem Coin in der derzeitigen Konstruktion allerdings überhaupt keinen Wert zu. „Er ist aber eine nette symbolische Geste“, sagt er. Er scheine keine Schwindelei und keine Geldmacherei zu sein und könne „potenziell Leute dazu animieren, mehr Solarstrom zu erzeugen“.

Auch wenn noch nicht absehbar, ist für Fiedler theoretisch auch ein Modell denkbar, in dem Subventionen für die Solarbranche über diesen Coin zu den Betreibern fließen. Zum Beispiel von einem weltweit agierenden Non-Profit-Akteur, der den Token aufkauft. Dadurch würde sich dann eine Entlohnung für die Solarstromproduzenten entwickeln.

Auf dem letzten SMA-Barcamp haben Teilnehmer diskutiert, ob sich in einem spielerischen Peer-to-Peer-Handel mit Solarcoins der Wert entwickeln könnte, erzählt Raimund Thiel. Auch bei manchen Computerspielen gebe es eine Kopplung mit klassischen Währungen, indem man sich an der Tankstelle eine Paysafe-Karte kauft und dadurch im Computerspiel einen Ausrüstungsgegenstand erwerben kann.

Wäre es also nicht denkbar, dass der Handel von Solarcoin durch Bonus-Werte von Unternehmen wie SMA, mit regulatorischen Vorteilen oder durch den Aufkauf durch einen Förderer attraktiv wird? Hilft es nicht, dass viele Menschen Solarenergie befürworten und die Idee gut finden? Und schlägt dann der Netzwerkeffekt wirklich zu, der die Coins im Wert steigen lässt? Als eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung? Eine solche ist im Übrigen ja auch ein Teil der Mechanismen, die bei traditionellen Währungen Vertrauen erzeugen.

Nach Abschluss der Arbeiten an dem Bericht hat Nick Gogerty seinen Artikel veröffentlicht. Sie können ihn hier herunterladen: „Network Capital: Value of Currency Protocols Bitcoin & SolarCoin Cases in Context

In der ersten Version des Artikels hieß es, bisher seien 11.000 Solarcoins verteilt. Es sind jedoch bereits 11 Millionen. Wir haben den Fehler korrigiert.

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