Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat eine Analyse zum Kraftwerkspark in Deutschland veröffentlicht. Dabei seien alle im Bau befindlichen Kraftwerke mit einer Leistung von mehr als 20 Megawatt sowie genehmigte oder geplante Projekte aus dem konventionellen und erneuerbaren Bereich aufgelistet, teilte der Verband zum Auftakt der Hannover Messe am Montag mit. Allerdings zeigt ein Blick auf die Liste, dass weder Photovoltaik-Freiflächenanlagen noch Windparks an Land mit einer geplanten Größe von mindestens 20 Megawatt enthalten sind. Auf baulichen Anlagen gilt für Solarparks die Höchstgrenze von zehn Megawatt nicht. Bei den Ausschreibungen sind daher schon Photovoltaik-Projekte bis zu 69 Megawatt Leistung von der Bundesnetzagentur bezuschlagt worden.
In seiner Mitteilung kritisiert der Verband, dass derzeit viele Kraftwerksprojekte wegen der schlechten Investitionsbedingungen im Wartestand befänden. Von den 52 Projekten in der Liste befänden sich nur 14 tatsächlich auch im Bau, so der BDEW. Bei den 22 geplanten Gas- und sechs Pumpspeicherkraftwerken sei es wegen der aktuellen Marktsituation sehr fraglich, ob sie tatsächlich realisiert würden. Zugleich würden gesicherte Erzeugungskapazitäten weiter stillgelegt. Neben AKW betreffe dies auch immer mehr Gas- und Kohlekraftwerke, die aus Rentabilitäts- oder Altersgründen vom Netz gingen.
„Die heute noch bestehenden Überkapazitäten werden in wenigen Jahren nicht nur vollständig abgebaut sein. Vielmehr laufen wir sehenden Auges spätestens im Jahr 2023 in eine Unterdeckung bei der gesicherten Leistung“, erklärte Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Nach der Auswertung stünden bis 2023 dem Kraftwerkszubau von rund 4400 Megawatt Stilllegungen von etwa 18.600 Megawatt gegenüber. Dem BDEW zufolge sinken die konventionellen Kraftwerkskapazitäten – also AKW, Kohle- und Gaskraftwerke – bis 2023 von knapp 90.000 auf gut 75.000 Megawatt. Angesichts der Prognosen der Bundesnetzagentur, die die höchste Stromnachfrage zu Beginn der 2020er Jahre bei 81.800 Megawatt erwartet, müsse die Bundesregierung reagieren. So dürften nach Ansicht des BDEW, weitere bereits zur Stilllegung angezeigte Kraftwerke nicht vom Netz genommen werden und müssten als systemrelevant für die Versorgungssicherheit eingestuft werden.
Auch an dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass der BDEW jegliche Erzeugung aus Photovoltaik und Windkraft an Land vernachlässigt. So sind anscheinend auch nicht die bereits terminierten Ausschreibungen für diese Projekte sowie die geplanten Sonderauktionen mit einem Gesamtvolumen von acht Gigawatt für diese beiden Technologien berücksichtigt, die die Bundesnetzagentur für 2019 und 2020 versprochen hat. Ein Großteil dieser Projekte dürfte bis 2023 jedoch realisiert werden. Nachfragen von pv magazine beim BDEW dazu blieben noch unbeantwortet.
Der Verband fordert indes weiter eine Verbesserung der Marktbedingungen für Energiespeicher, etwa die Abschaffung der unsinnigen Doppelbelastung für Speicher bei den Netzentgelten. Zugleich heißt es beim BDEW, dass das konkrete Potenzial technologischer Entwicklungen wie neuer Speichertechnologien oder Demand Side Management „nicht sicher vorhersehbar“ sei. „Diese Entwicklung ist mit Blick auf die Klimaziele 2030 besorgniserregend: Weitere Kohlekraftwerke können in den 2020er Jahren nur vom Netz genommen werden, wenn CO2-arme Ersatzkapazitäten geschaffen werden“, so Kapferer weiter. Der Verband sieht das Klimaziel 2030 im Energiesektor gefährdet, wenn die Bundesregierung nicht schnell handelt. Neben der Förderung von Energiespeichern und neuen Gaskraftwerken gelte es auch, die Investitionsbedingungen für effiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu verbessern. Erforderlich sei eine Verlängerung des KWK-Gesetzes bis 2030 und über die aktuelle Deckelung hinaus. Darüber hinaus muss nach Ansicht des BDEW auch der Netzausbau beschleunigt werden.
Schaffe die Politik jetzt nicht zügig die Voraussetzungen zur Sicherstellung von gesicherter Leistung oder mehr Flexibilitäten, sei das Klimaziel 2030 gefährdet. „Dann wird die Politik 2027 genauso kurzatmig versuchen, eine Lücke zu schließen. Daher unser dringender Appell an die Bundesregierung: Planungssicherheit für Investoren und ein Marktdesign für gesicherte Leistung schaffen“, so Kapferer. Auf Stromexporte aus den europäischen Nachbarländern sollte sich die Politik dagegen nicht verlassen, denn auch dort würden derzeit gesicherte Kapazitäten bei konventionellen Kraftwerken eher abgebaut.
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Nur zur Info: im letzten Jahr waren lt. Bundesnetzagentur in der Spitze nur 62 GW konventionelle Kraftwerksleistung für die Versorgungssicherheit nötig … und das trotz der ungewöhnlichen Dunkelflaute im Januar. Es ist nicht das erste Mal, dass der BDEW eine „Stromlücke“ heraufbeschwört. Gestimmt hat die Behauptung aber eigentlich nie.
Angst fressen Seele auf? Wie immer werden wir hinterher schlauer sein.
Aber wie hoch war die Erzeugung ohne Wind und Sonne in der 4.KW 2018 und der 52.KW 2017 ?
Waren das etwa 70 bzw. 75 GW ?
Ihr Maximum erreichten die konventionellen Energieträger zuletzt am 19. Februar 2018, 18.00 Uhr und am 20. Dezember 2017, um 17.00 Uhr, mit 62 GW Leistung. Und davon kamen noch mehr als 3 GW aus den Pumpspeicherkraftwerken. Mit anderen Worten: mehr als 60 GW mussten die konventionellen Kraftwerke zu keiner Zeit zur Lastabdeckung leisten. In Deutschland gibt es aber eine konventionelle Kraftwerksleistung von über 100 GW. Auch der Atomausstieg wird an diesem Überangebot grundsätzlich nichts ändern.
Und dann steckt noch ein Denkfehler bei Peter drin: Dank Batteriespeichern, in denen die Zwischenspeicherung bei täglichem Einsatz inzwischen unter 10ct/kWh kostet, ist es gar nicht mehr nötig, den kurzzeitigen Spitzenbedarf mit Kraftwerken zu decken. Das kann man auch aus dezentralen Speichern machen, die zusätzlich dabei das Netz entlasten. Da etwa 10-20% des insgesamt verbrauchten Stroms so zwischengespeichert werden müssten, würde das den Strompreis mit insgesamt 1-2 ct belasten und wird wohl schon durch Einsparungen beim Netzausbau gedeckt. Demgegenüber kostet alleine die Gabriel-Reserve mit ihren 150Mio pro Jahr schon 1/40stel ct/kWh, aber das ist nur der geringste Teil der Kosten, die die Netzbetreiber ganz selbstverständlich aufbringen, um die Versorgungssicherheit zu garantieren.
An „gesicherter Leistung“ benötigt man also nur noch das, was durchschnittlich an Starklasttagen (ohne volatile Erzeuger) benötigt wird, und nicht den kurzzeitigen Spitzenwert. Das Ausland wird zum Teil auch froh sein, wenn Deutschland weniger Strom seiner unflexiblen Braunkohle- und Kernkraftwerke zu Schleuderpreisen ablädt, womit es den Kraftwerksbetreibern dort das Geschäft verdirbt.
Für 65% EE im Stromsektor werden Batteriespeicher reichen. Für 80 und mehr wird noch saisonale Speicherung benötigt. Einen Teil des Bedarfs könnte man schon heute leichtestens mit Biogas abdecken, wenn die nicht 24/7 durchpowern würden. Welche Technologie darüberhinaus zum Zuge kommen wird, ist noch offen. Zur Zeit sieht es nach Power-to-gas aus, aber vielleicht werden die Versuche zu riesigen Redox-Flow-Speichern ein Erfolg? Oder die Energiegewinnung aus Gezeitenströmungen nimmt Fahrt auf, dann wird der saisonale Effekt kleiner. Entscheidend ist ja, welcher Anteil des Gesamtverbrauchs mit welchem Wirkungsgrad und zu welchen Kosten überhaupt zwischenspeichert werden muss. Je kleiner dieser Anteil ist, desto weniger belastet er den durchschnittlichen Strompreis.
Lieber Peter,
ihre Zahlen sind leider nicht nachvollziehbar. Glaubt man dem Agorameter (und ich habe keinen Grund, ihm nicht zu glauben), war die maximale konventionelle Leistung in der 4.KW2018 etwas über 60GW. Außer an 4 kurzen Augenblicken exportierte D in dieser Woche immer Strom, oft mehr als 10GW. Nennenswerten Import gab es demgegenüber keinen. In der 52.KW2017 war die maximale konventionelle Leistung gar unter 50GW. Vielleicht meinten Sie die 51.KW? Aber auch da waren die Verhältnisse wie in der 4.KW2018, also max. knapp über 60GW konventionell.
Was soll diese Desinformation? Beziehen Sie ihre Daten von der AfD oder von facebook?
Da macht der BDEW es doch gewiefter. Dort weiß man, dass die Kunst der Lüge im Weglassen besteht. Wenn er vollständig sein wollte, könnte er immerhin einen gewissen Mindestprozentsatz der Nominalleistungen von Wind und PV als „empirisch gesichert“ (d.h. in der Vergangenheit immer mindestens da) ansetzen. In den oben diskutierten Wochen waren es immer mindestens 10GW. Außerdem stört an der Analyse des BDEW, dass er, obwohl vorgeblich die Herausforderungen der Zukunft benennend, den Strommarkt immer noch nach den Kriterien der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts betrachtet. 2023 werden wir aber erheblich mehr schaltbare Lasten haben, es wird auch Speicher geben, die eine längere Schwächephase der EE überbrücken können und es wird potente Leitungen nach Norwegen, NordLink und NorGer, je 1,4GW, geben. Auch zu den anderen Nachbarländern sind stärkere Verbindungen geplant, und diese werden den Bedarf an gesicherter Leistung in D reduzieren, oder – je nach Sichtweise – den Prozentsatz an empirisch gesicherter Leistung der EE anheben.
Immerhin zieht der BDEW trotzdem die in der Tendenz richtigen Schlüsse: Für einen höheren Anteil der EE am Strommix benötigen wir mehr Speicher, mehr KWK (mit regenerativ erzeugtem Gas betrieben) und stärkere Netze. Und der Fahrplan zum Ziel 65% EE im Strommix bis 2030 muss heute festgelegt werden, nicht erst 2027.