Blockchain-Jam: Hier werden Innovationen trainiert

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Es ist ja nicht so, dass jedem der Angekommenen klar war, worauf er sich eingelassen hat. Stefan ruft zur Begrüßung „Give it a hand“. Bitte Klatschen, es geht auch um gute Stimmung, aber nicht nur. Auf Nachfrage erklärt der Scouting Officer beim Eon-Accelerator „:agile“, mit vollem Namen Stefan Weber, dass auf einem Hackaton vor allem „Coder“, also Programmierer, zusammenkommen, um Probleme zu finden und zu lösen. „Die ganze Nacht lang“, führt ein Zwischenrufer aus. Auf einem „Jam“ sind es dagegen Interessierte mit unterschiedlichen Hintergründen.

Bei dem „Energie-Blockchain-Hackathon/-Jam“ – wie es in der Einladung hieß – ging das Programm nur bis zehn Uhr abends. Am nächsten Tag dann noch einmal bis nachmittags. Agile, KIC Innoenergy und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft haben die Veranstaltung organisiert, die vor rund einem Monat auf dem Berliner Euref-Campus stattfand.

Der Tag verlief dann so: Am Anfang ruft Stefan Weber die rund 50 Teilnehmer dazu auf, Ideen für Blockchain-basierte Geschäftsmodelle im Energiebereich vorzuschlagen, die hinterher in Kleingruppen zu einer Kurzvorstellung, einem Pitch, ausgearbeitet werden können. Was tun, wenn nur zwei sich melden? „Das ist eine gerade Anzahl, können wir es ungerade machen“, sagt Stefan. Also einfach warten, bisschen reden, nach nicht mehr als zehn Minuten standen tatsächlich acht Vorschlagende an ihren Pinboards und haben sich mit anderen Teilnehmer zu Teams zusammengefunden.

Nicht alle Vorschläge sind ernst zu nehmen. Zum Beispiel der „Shit Coin“, mit dem man die Exkremente zu Geld machen kann, indem Sensoren in den Toiletten den Output messen und dieser für Biogasgeneration verwertet wird. Doch eigentlich ging es um Team-Building. Was diese Teams innerhalb der nächsten eineinhalb Tage entwickeln, sollte oft etwas ganz andere sein als das, was sie vorgeschlagen haben. Aus Shit Coin wurde eine Lösung, die es Städten erlauben soll, willigen Teilnehmern Belohnungen für nachhaltiges Verhalten zu geben.

Auch Simon schlägt etwas vor. Er will das System der ICOs nutzen, um Photovoltaik-Anlagen, Ladesäulen und anderes zu finanzieren. Mit vollem Namen heißt er Simon Pizonka und hat vor kurzem mit seiner Masterarbeit bei Eon begonnen. Fünf weitere stoßen zum Team hinzu, ein Business Developer bei Agile, ein Anwalt, ein Analyst bei einem Asset-Manager. Von wegen alles Studenten. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer ist trotzdem, mit einigen Ausnahmen, eher niedrig.

Die Gewinneridee

Ein ICO ist eine Art Börsengang auf Basis einer Kryptowährung, hinter der eine  Blockchain steht. Am Teamtisch rät Mentorin Alessa Popovic von Ernst Young, sich zunächst sehr stark darauf zu konzentrieren, für welche Kunden man welche Probleme lösen will. Customer Orientation ist auch eines der wichtigen Kriterien der Jury, die am Ende den besten Vorschlag bewerten wird. Das erste Konzept ist schnell entwickelt. Potenzielle Investoren kaufen diese „Tokens“, mit dem Geld unterstützt das neue Unternehmen Eigenheimbesitzer, die kein Geld haben, die Photovoltaik-Anlage selbst zu bauen. Da es in der Blockchain und eine so genannte DAO ist, eine digitale autonome Organisation, kann die Freigabe des Geldes an Abstimmungen gekoppelt werden.

Dann beginnt die Diskussion: Löst die Blockchain damit überhaupt ein Problem in dieser Situation? Ist das eigentliche Problem nicht, wie man die Qualität der Installationen sicherstellt? Woher wissen die Investoren, dass man das Geld nicht nimmt und wegläuft? Andere Ideen erscheinen erfolgversprechender. Ein System, das Bewohner eines Viertels erlaubt, Ladesäulen zu finanzieren. Die Finanzierung von Solar Home Systemen in Mexiko. Eine Transparenzplattform für Monitoring, um Investoren eine vertrauenswürdige Evaluation von Installateuren zu ermöglichen, was eventuell die beste Art der Qualitätssicherung wäre. Bei allem immer wieder die Frage: Hilft da wirklich eine Blockchain. Und: Können damit eigentlich auch potenzielle Gründer verdienen, oder schafft man nur etwas Gutes für die Welt, was für einen selber aber brotlos ist.

In die Orientierungslosigkeit sagt Simon: „So ist das immer am ersten Abend.“ Am nächsten Tag muss sich das Team festlegen, egal welche Widersprüche es gibt. Vier Stunden veranschlagt er dafür, eine schöne Präsentation für einen überzeugenden Pitch zu erstellen.

Am Ende wird es doch die ursprüngliche Idee mit dem ICO. „Easy Asset Coin“ heißt das Projekt. Die Jury fragt noch nach, woher die Kunden kommen sollen, sprich: vergesst nicht, dass die Hauptaufgabe das Marketing bei potenziellen Geldanlegern sein wird. Am Ende gewinnt das Team „Easy Asset Coin“ den mit 500 Euro dotierten Preis „best overall“. Zwei weitere Teams teilen sich den Preis für die beste Blockchain-Anwendung. Eines will Peer-to-Peer-Handel für Photovoltaik-Anlagenbesitzer und Stromverbraucher ermöglichen. Das andere hat den Peer-to-Peer-Handel von Energie allgemein, insbesondere Wärme, in Industriegebieten zum Thema.

Mit den Preisen kann man noch keine großen Sprünge machen, es ging ja mehr darum, gemeinsam etwas zu entwickeln. Interessierte Gründer können sich für den nächsten Schritt bei Agile bewerben.  Bei positiver Bewertung bekommen sie 22.000 Euro, um in drei Monaten das Geschäftsmodell auszuarbeiten und danach für eine mögliche Gründung pitchen zu können.

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