Sonnenmethan statt Sonnenstrom

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Die schönsten Geschäftsideen sind die, die sich einfach vermitteln lassen. Johann Bauerfeind und seine Mitstreiter bei Solaga brauchen sich diesbezüglich nicht zu verstecken. Sie wollen, kurz gesagt, die Alge aufs Haus und den Brennstoff, den diese bei Sonneneinstrahlung produziert, als Methan in den Keller bringen. Das wäre ähnlich wie bei einer Photovoltaikanlage auf dem Dach mit angeschlossener Power-to-Gas-Technologie. Mit dem biologischen System könnte es vielleicht günstiger und effizienter gehen.

Bauerfeind ist so, wie man sich einen jungen Gründer vorstellt. Er hat früh begonnen, Ideen weiterzudenken. Bereits während seines Masterstudiums als Biotechnologe an der HTW Berlin hat er mit Biotech-Projekten am MIT und in Harvard in Boston Preise gewonnen. „Wir haben versucht, mittels synthetischer Biologie aktuelle technische Probleme zu lösen, und dabei mit Studierenden unterschiedlichster Fächer zusammengearbeitet“, sagt er. Zusammen hätten sie genetische Programme für Bakterien entwickelt. Ihr Ziel war, dass sich Bakterien mit Magnetfeldern fernsteuern oder kommunale Abwässer rückstandslos von Mikroplastikpartikeln befreien lassen.

„Ich habe dabei aber auch gemerkt, dass man sich fragen muss, ob man ein Produkt wirklich braucht und ob es gesellschaftlich akzeptiert ist“, erzählt er. Gentechnisch veränderte Bakterien, die man außerhalb von Reaktoren betreibt, seien es in Deutschland nicht. Man könne dagegen versuchen, in der Natur, etwa in extremen Umgebungen wie heißen Quellen, Bakterien zu finden, die das können, was man braucht.

Seit 2014 verfolgen er und Mitgründer Benjamin Herzog die Idee, Algen oder Cyanobakterien, die auch Photosynthese betreiben, mithilfe des Sonnenlichts einen Brennstoff produzieren zu lassen. Im Unterschied zur herkömmlichen Bioenergieproduktion will er nicht die Pflanze oder Teile davon ernten, aus denen beispielsweise Biogas gewonnen wird, sondern direkt organische Säuren, die die Einzeller herstellen.

Ganz neu ist diese Idee nicht. Das Start-up Algenol hat seit 2006 nach eigenen Aussagen bereits 260 Millionen US-Dollar Investorengeld akquiriert, um in Plastikreaktoren mit Algen, die in einer Flüssigkeit enthalten sind, Bioethanol zu produzieren. Johann Bauerfeind schreckt es nicht, es als Newcomer im gleichen Metier zu probieren. „Die Kultivierung der freischwimmenden Algen ist schwierig und unökonomisch“, sagt er. „Zusätzlich wachsen auch andere Bakterien schnell und bilden feste, resistente Schichten, welche den Algen das Sonnenlicht rauben.“ Diese Biofilm-Kontaminationen sind in einer technischen Anlage oft ein verfahrenstechnisches Dilemma.

„Wir gehen jetzt einen anderen Weg, wir kämpfen nicht gegen den Biofilm“, erklärt er. Er will Biofilme aus Cyanobakterien herstellen und direkt nutzen. Er erklärt es so, dass die Bakterien in ihnen eine Struktur entwickeln, die eine weitere Kontamination verhindern, zum Beispiel indem sie Fungizide herstellen. Er will anders als Algenol nicht mehrere Hektar große Produktionsanlagen bauen und zielt auf „die Bereitstellung von Methan als autarke und speicherbare erneuerbare Energieressource inbesondere zur Heizung von Passivhäusern“.

Vom Sonnenlicht zum Methan

Die Cyanobakterien produzieren organische Säuren, wie Glykolsäure. Die jungen Gründer haben im Labor das Modul mit dem Biofilm entwickelt, dazu eine Technologie, wie sie die von den Bakterien produzierte organische Säure aus dem Biofilm extrahieren und zur Methanerzeugung nutzen können. Auch das geschieht mit Bakterien. Das Prinzip klingt einfach, doch Bauerfeind sagt, dass hinter dem Zusammenspiel beider biologischer Prozess ihr Know-how steckt. Eine der Herausforderungen ist, die Lebensbedingungen der beteiligten Bakterien unter einen Hut zu bekommen. Die Cyanobakterien benötigen eine sauerstoffreiche Umgebung, die Bakterien für die Biogasproduktion eine sauerstofffreie. Das ist nach Bauerfeinds Überzeugung mit dem „patentierten Gesamtkonzept“ möglich.

Doch kann das System mit den Cyanobakterien, wenn es in Zukunft einmal günstig hergestellt werden kann, prinzipiell die gleiche oder eine höhere Flächeneffizienz erreichen als die Kombination Siliziumphotovoltaik und Power-to-Gas, mit der aus Strom ebenfalls Methan oder Wasserstoff hergestellt wird? Vor einigen Jahren haben über 20 Wissenschaftler im Fachblatt „Science“ veröffentlicht, dass die natürliche Photosynthese nur mit einem Wirkungsgrad von rund ein bis drei Prozent aus Sonnenlicht Biomasse erzeugt. Das muss man vergleichen mit rund 18 Prozent für eine Solarzelle, multipliziert mit 60 Prozent, der Wandlungseffizienz bei der Power-to-Gas-Wandlung, macht rund elf Prozent.

Bauerfeind schüttelt dazu den Kopf. Die Forscher haben Pflanzen betrachtet, die Biomasse produzieren. Aber wenn sie gar keine Biomasse produzieren, sondern Glykolsäure, aus der man Methan gewinnt, ist die Effizienz deutlich größer. Dabei könnten sich Wirkungsgrade von 10 bis 15 Prozent erreichen lassen (siehe Kasten auf der nächsten Seite).

Solaga schwebt noch zwischen Spin-off der Hochschule und Firma. Bauerfeind schreibt noch an seiner Masterarbeit an der HTW zum Thema. Mit dem Projekt sind sie eingebettet in eine Arbeitsgruppe „Bioorganische und organische Chemie“ an der HU Berlin. Durch eine Startfinanzierung durch das Existenzgründungsstipendium des BMWi im Juli 2015 konnten sie dort sogar eigene Räume beziehen, die sie noch bis Ende des Jahres nutzen dürfen. Zusätzlich haben sie einige kleinere Technologieförderungen durch Climate KIC und die IBB Berlin erhalten.

Inzwischen haben sie gezeigt, dass die gesamte Prozesskette funktioniert. Jetzt bauen sie auf einem Labortisch eine automatisierte Apparatur auf, bei der alle Arbeitsprozesse ineinandergreifen. „Daran wollen wir dann auch bestimmen, wie hoch die Effizienz wirklich ist“, erklärt Bauerfeind. Wenn alles gut geht, ist ein Ziel, nächstes Jahr auf dem Dach der Ufa-Fabrik einen einige Quadratmeter großen Demonstrator zu bauen.

Wenn der Demonstrator erfolgreich ist, beginnt danach die Produktentwicklung. „Wir haben schon ziemlich klare Vorstellungen davon, wo wir hinwollen und in welche Kostenbereiche wir kommen müssen“, sagt Bauerfeind. Mit der Alge auf dem Dach könnte er den Hausbesitzern eine Möglichkeit geben, ganz autark zu werden. Denn anders als mit Photovoltaik und Batteriespeicher lässt sich damit die im Sommer gewonnene Sonnenenergie chemisch bis in den Winter speichern. Das ist auch ein emotionaler Wert für potenzielle Käufer. Wie sehr er sich versilbern lässt, kann jedoch wohl niemand sagen.

Wenn das nicht klappen sollte – das Risiko besteht immer –, dann wollen sie schauen, wie sie die Methoden, die sie entwickeln, alternativ einsetzen können. „Niemand hat hier Lust, seine Zeit zu verschwenden“, sagt er. Die Wissenschaft hat das Ziel, Wissen zu generieren, aber nicht ein Produkt. „Wir wollen nicht die letzten Fragen klären, sondern schnell versuchen, einen Prototyp zu bauen.“

Info-Kasten: Bruch mit dem Dogma

Der Leipziger Wissenschaftler Christian Wilhelm erforscht, wie effizient Methan mithilfe von Pflanzen und Algen gewonnen werden kann.

Pflanzen und Algen fangen das Sonnenlicht ein und nutzen die Energie, um Biomasse aufzubauen. Aus dieser lässt sich Methan, also Erdgas, gewinnen. Es sieht daher nach einer einfachen Lösung aus, diese Biomasse zur Energiegewinnung zu nutzen, wie es Solaga vorhat (siehe vorherige Seiten).

Christian Wilhelm von der Universität Leipzig weist in seinen Vorträgen jedoch gerne auf einen Sachverhalt hin, der viele schon zum Aufgeben bewegt haben dürfte: Berechnet man den tatsächlichen Wirkungsgrad von der jährlich auf die Felder einfallenden Sonnenenergie bis zum Methan, liegt er für Weizen bei 0,15 Prozent, bei Mais mit einer längeren Vegetationsphase bei 0,4 Prozent. Algen in Bioreaktoren sind noch länger grün, da liegt die Effizienz bei 0,8 Prozent. Wilhelm ist Professor für Pflanzenphysiologie und forscht trotz der niedrigen Zahlen weiter daran, wie man möglichst effizient Sonnenlicht mit Pflanzen oder Algen nutzen kann.

Photosynthese ist sehr effizient

Er will einen Trick nutzen: Die Photosynthese, das ist der erste Schritt der Energiewandlung in Pflanzen und Algen, ist sehr effizient. Durch sie werden Elektronen aus Wasser freigesetzt und auf Kohlendioxid übertragen, das sie aus der Luft entnehmen. Dabei wird zum einen Sauerstoff frei, zum anderen entsteht normalerweise aus dem Kohlendioxid Zucker, aus dem die Pflanze dann in komplizierten Reaktionen Biomasse herstellt. Der größte Teil der Energie geht bei der Umwandlung von Zucker in Biomasse verloren. Das ist der eigentliche Grund, warum die Flächeneffizienz der Bioenergie so gering ist. Wilhelms Trick besteht nun darin, dass die Pflanze nicht Zucker für die Biomasse bildet, sondern eine organische Säure mit dem Namen Glykolat, die dann ausgeschieden wird. Dabei geht sehr viel weniger Energie verloren. Rund 18 Prozent des auf eine Pflanze fallenden Sonnenlichts können im Glykolat als chemische Energie gespeichert werden.

Wachstum einfach abschalten?

Warum also nicht das Wachstum einfach abschalten? „Das geht theoretisch ziemlich einfach“, sagt Wilhelm. „Wir geben der Pflanze weniger Kohlenstoff durch eine andere Zusammensetzung der Atmosphäre, mehr Sauerstoff und weniger Kohlendioxid und verhindern, dass sie selbst das Glykolat verbraucht.“ Auch er hat sich die Frage gestellt, ob die Alge das überlebt. „Wir haben drei Jahre gebraucht, um herauszubekommen, dass es ihr nichts ausmacht.“ Trotzdem wird die Effizienz der Methangewinnung in der Realität nicht bei 18 Prozent liegen. Denn das Glykolat muss noch von Mikroben zu Methan fermentiert werden. Berücksichtigt man, dass technische Prozesse nie perfekt sind, dürfte die tatsächliche Effizienz am Ende bei zehn bis zwölf Prozent liegen, schätzt Wilhelm. Wie sich das Glykolat am besten auch noch anderweitig nutzen lässt und wie gut das geht, daran arbeiten die Forscher gerade.

Industrie wartet noch ab

Das hört sich logisch an, trotzdem ist das Forschungsgebiet relativ neu. Noch vor fünf Jahren sei niemand darauf gekommen, den Wachstumszyklus anzuhalten. „Es gab und gibt Denkblockaden“, sagt Wilhelm. „Die meisten denken immer noch, man müsse das Wachstum der Biomasse steigern und diese nutzen. Das ist für Proteine oder biologisch wertvolle Substanzen richtig, aber für Chemierohstoffe oder Energie stimmt das nicht.“ Noch immer fließen die meisten Forschungsgelder in die Förderung der Steigerung der Biomasse. Nach Einschätzung von Wilhelm liegt das daran, wie die Institutionen aufgestellt sind. Und die Industrie würde erst einsteigen, wenn die Forschung schon die Pilotphase erreicht hat. Auch andere Arbeitsgruppen würden erst einmal abwarten, wie die Arbeiten der Leipziger Wissenschaftler, die in der Fachwelt durchaus anerkannt sind, vorankommen.

Kein Wunder, dass das ein interessantes Thema für Start-ups wie Solaga ist, deren Gründer Wilhelm natürlich auch kennt.

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