Solarworld-Chef: „Wir sind absolut zuversichtlich“

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pv magazine: Hat Sie das Urteil in den USA überrascht und was bedeutet es für Solarworld?

Frank Asbeck: Die Entscheidung des Richters in Michigan hatte sich ja zuletzt angekündigt. Ich halte sie für absurd, in der Sache genauso wie in der Höhe. Für Solarworld ändert sich aber durch dieses erstinstanzliche Urteil gar nichts.

Sie haben angekündigt, in Berufung zu gehen. Bleibt es dabei?

Natürlich geht das Ganze jetzt erstmal in die zweite Instanz. Ich denke, das war auch immer allen klar, Hemlock genauso wie dem Richter. Bis wir ein endgültiges Urteil in den USA haben, wird noch ein Jahr vergehen. Und auch dann wird es nicht gegen uns durchsetzbar sein.

Sie halten an ihrer Argumentation fest, dass der Liefervertrag mit Hemlock gegen europäisches Kartellrecht verstößt. Können Sie kurz erklären, was genau an dem Liefervertrag gegen EU-Kartellrecht verstößt?

Die Take-or-Pay-Altverträge, um die es geht, sind zu Zeiten abgeschlossen worden, zu denen die Siliziumanbieter einem nichts verkauft haben, solange man nicht auf deren überteuerte Konditionen eingestiegen ist, teilweise das Zwanzigfache des heutigen Preises. Entweder man ist langjährige Abnahmeverpflichtungen eingegangen, oder man konnte nicht produzieren. Das ist quasi so, als würde Ihr Telefonanbieter heute von Ihnen verlangen, dass Sie pro Einheit noch die gleichen Preise zahlen, wie damals, als die Telefone noch grau und mit Wählscheibe waren, und es nur einen Anbieter gab. Entscheidend ist aber, dass die Verträge von Hemlock gleich mehrere Klauseln enthalten, die drastisch gegen Kartellrecht verstoßen.

Warum hat nach Ihrer Meinung der US-Richter dieses Argument im erstinstanzlichen Prozess nicht gewürdigt?

Da hier europäisches Kartellrecht anwendbar ist, hat der amerikanische Richter darauf verwiesen, dass das Thema in einer der nächsten Instanzen gewürdigt werden solle. Genau das wird spätestens vor einem deutschen Gericht geschehen, sollte Hemlock versuchen, die Schadenersatzforderung in Deutschland durchzusetzen.

Glauben Sie, dass im Berufungsverfahren das Argument des Kartellrechts genauer geprüft wird?

Ein US-Urteil kann in Deutschland nur anerkannt werden, wenn es mit den Grundsätzen des deutschen Rechts vereinbar ist. Dazu zählt das Kartellrecht. Spätestens dann also wird dieses zentrale Argument gewürdigt.

Wie lange würde ein mögliches Anerkennungsverfahren in Deutschland vermutlich dauern?

Ein mögliches Anerkennungsverfahren würde wie das Berufungsverfahren auch etwa nochmal ein Jahr dauern.

Warum konnte Solarworld bislang keine außergerichtliche Einigung mit Hemlock erzielen?

Die Verhandlungen stehen nicht unter Zeitdruck. Wir sind absolut zuversichtlich, uns mit Hemlock zu einigen, ebenso wie wir uns zuvor mit allen unseren anderen Siliziumlieferanten geeinigt haben.

Haben sich die Chancen auf eine außergerichtliche Einigung nach dem Urteil verschlechtert?

Nein, in keiner Weise. Wie gesagt, das Urteil ändert nichts. Abgesehen davon gehe ich davon aus, dass beide Seiten das Thema irgendwann mal vom Tisch haben wollen.

Als Hemlock im März 2013 die Klage gegen die Deutsche Solar eingereicht hat, wollte es 83 Millionen US-Dollar Schadenersatz. Gut drei Jahre später sind wir bei 793 Millionen US-Dollar, unter anderem weil Hemlock zwölf Prozent Zinsen auf den Schadenersatz aufgeschlagen hat. Sind das noch realistische Summen?

Natürlich nicht. Nichts an dieser Berechnung ist real. Alleine mit den von uns bereits vor Jahren getätigten Anzahlungen in Höhe von 100 Millionen ist der mögliche Ausfall von Hemlock schon mehr als abgegolten.

Im Solarworld-Geschäftsbericht 2015 werden durch den Rechtsstreit kurzfristig keine Auswirkungen erwartet, langfristig wird eine mögliche Verurteilung aber als bestandsgefährdend eingestuft. Sehen Sie das nach dem nun gefallenen Urteil immer noch so?

Wir bewerten das Risiko als gering, kurzfristig wie langfristig. Allerdings muss im Risikobericht einer AG auch aufgeführt sein, was passiert, wenn alles anders kommt, als es nach Menschenermessen erwartet werden kann. Das gilt für technische Risiken ebenso wie für juristische. In nahezu allen Geschäftsberichten finden sich sogenannte bestandsgefährdende Risiken. Entscheidend ist, ob ihre Eintrittswahrscheinlichkeit hoch ist oder gering. Und hier ist sie nach Meinung externer Gutachter eindeutig gering.

Warum hat Solarworld bislang kaum Rückstellungen für diesen Rechtsstreit gebildet?

Für ein Geschäftsrisiko in der Kategorie „gering“ wäre die Bildung einer millionenschweren Rückstellung völlig unverhältnismäßig.

Wenn Sie mit Hemlock und dem US-Handelsministerium an einer Lösung im Anti-Dumpingstreit arbeiten, könnte dies nicht den Rechtsstreit lösen oder zumindest die Schadenssumme reduzieren? Warum gehen Sie nicht diesen Weg?

Die Verknüpfung dieser beiden Themen ist absolut unzulässig. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Tatsächlich hat Hemlock aber – nachdem es selbst von China unter Druck gesetzt wurde – von uns verlangt, den Schutz gegen illegales Dumping aufzugeben. Hätten wir das akzeptiert, gäbe es jetzt in den USA keine Solarindustrie mehr.

Erklärtes Ziel für dieses Jahr ist es, erstmals seit 2011 wieder etwa eine Milliarde Umsatz zu erreichen. Wird Solarworld dies schaffen?

Wir haben gerade sehr gute Zahlen vorgelegt und unseren Absatz im ersten Halbjahr weltweit um 50 Prozent gesteigert. Außerdem sind wir gleich in mehreren Märkten Marktführer, immer da, wo es um Qualität und Nachhaltigkeit geht. Die Umsatzmilliarde werden wir erreichen. Das internationale Preisniveau macht uns allerdings Sorgen. Nachdem in China der Ausbau gebremst wird, drängen wieder massiv chinesische Überkapazitäten auf die Märkte.

Gerade der US-Markt ist dabei für Solarworlds Geschäfte derzeit enorm wichtig. Welche Entwicklung erwarten Sie hier in den kommenden Monaten?

Der US-Markt wird weiter wachsen. Hier sind wir mit made in USA und bifacialen Hochleistungsmodulen Toplieferant für alle Kunden, die auf Qualität, Leistung und Langlebigkeit setzen und wollen unsere Marktposition weiter ausbauen.

Wenn Solarworld zur Zahlung auf Schadenersatz in den USA verurteilt würde, hätte dies Auswirkungen auf die Tochtergesellschaft Solarworld USA und die Produktion in Oregon?

Nein, gar nicht. Die US-amerikanische Solarworld hat mit dem Verfahren nichts zu tun. Beklagt ist unsere deutsche Tochter Solarworld Industries Sachsen, die frühere Deutsche Solar. Sie hat in den USA keine Assets und das Recht sieht keinen Zugriff von den USA über Deutschland wieder zurück in die USA vor. Davon ab gehen wir ohnehin davon aus, dass es keinen durchsetzbaren Schadenersatztitel geben wird.

Das Interview führte Sandra Enkhardt.

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