Strommarktgesetz: Kohlekraftwerke sollen Sicherheitsbereitschaft übernehmen

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Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am Donnerstagabend das Strommarktgesetz verabschiedet. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Versorgungssicherheit in der Stromversorgung sowie die Synchronisierung von Einspeisung und Verbrauch in der Übergangsphase des Strommarktes weg von der Kernenergie hin zu erneuerbaren Energien gewährleisten. Dazu wird jetzt laut Gesetz eine Kapazitätsreserve eingeführt, die laut Bundesregierung zum Einsatz kommt, „wenn trotz freier Preisbildung an der Strombörse kein ausreichendes Angebot existiert, um einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu ermöglichen“. Erzeugungskapazitäten sollen außerhalb des Strommarkts vorgehalten und bei Bedarf eingesetzt werden. Die Reserve soll technologieneutral sein und wettbewerblich ausgeschrieben werden.
Um gleichzeitig das nationale Klimaschutzziel für 2020 zu erreichen, sollen dem Gesetz zufolge ab 2016 Braunkohlekraftwerke schrittweise aus dem Netz genommen und zunächst vorläufig stillgelegt werden. Vorübergehend soll auf diese Kraftwerke als letzte und befristete Absicherung der Stromversorgung zurückgegriffen werden können – „wenn es wider Erwarten trotz freier Preisbildung am Strommarkt nicht zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt, zum Beispiel bei nicht vorhersehbaren extremen Wettersituationen“, wie die Bundesregierung schreibt. Nach Ablauf dieser Sicherheitsbereitschaft sollen die Kraftwerke endgültig stillgelegt werden. Für die Sicherheitsbereitschaft und die Stilllegung sollen die Kraftwerksbetreiber eine Vergütung erhalten.
Darüber hinaus sollen Übertragungsnetzbetreiber Energieerzeugungsanlagen „als besonderes netztechnisches Betriebsmittel“ errichten dürfen, falls ohne diese Erzeugungsanlagen die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems gefährdet ist. Diese auch als Netzstabilitätsanlagen bezeichneten Energieerzeugungsanlagen dürfen eine elektrische Nennleistung von insgesamt zwei Gigawatt nicht überschreiten und sollen dort errichtet werden dürfen, „wo dies wirtschaftlich oder aus technischen Gründen für den Netzbetrieb erforderlich ist“.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, sieht in dem Gesetz eine Grundlage für ein besseres Monitoring der Stromversorgungssicherheit. „Mir geht es darum, dass wir uns im Zuge der Energiewende nicht einfach blind aufs Ausland verlassen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Darum haben wir im parlamentarischen Verfahren durchgesetzt, dass explizit auch die Importsituation in knappen Stunden genau beobachtet werden muss.“ Für den wirtschafts- und energiepolitischen Sprecher der Fraktion, Joachim Pfeiffer, ist es von zentraler Bedeutung, „dass auch die Nachfrageseite eine stärkere Rolle bei der Versorgungssicherheit spielen kann. Daher haben wir Regelungen im Gesetz durchgesetzt, die es flexiblen Stromkunden besser ermöglichen, Systemdienstleistungen für die Stromnetze zu erbringen.“ Dies stärke die Versorgungssicherheit und schaffe neue Geschäftsmodelle auch für kleinere Stromnachfrager, die ihre Angebote poolen könnten.
Kritik kommt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Energieexpetrin Tina Löffelsend bezeichnet die Braunkohle-Reserve als klimapolitische Geisterfahrt. „Für das Stilllegen zum Teil uralter Kohlemeiler, die größtenteils in den nächsten Jahren ohnehin vom Netz gegangen wären, bekommen klamme Kohlekonzerne Milliarden zugeschustert. Zahlen müssen das wieder einmal die Stromkunden.“ Statt kostspieligen Flickwerks müsse die Bundesregierung endlich die Kohleverstromung abwickeln und zuerst die ältesten Kohlekraftwerke abschalten. Wer Klimaziele erreichen und den sozialen Strukturwandel in den Kohleregionen wolle, dürfe die Existenz der Kohleindustrie nicht künstlich verlängern.
Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilt, wird sich im Nachgang zur Entscheidung des Bundestages der Bundesrat in einem weiteren Durchgang mit dem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz befassen. Daran schließe sich die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU Kommission an.(Petra Hannen)

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