Schwieriges Gesetz

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Im Oktober 2015 hat der Bundestag die EU-Richtlinie zum Elektrogeräte-Recycling (WEEE) in deutsches Recht umgesetzt und die notwendigen Änderungen in das Elektrogesetz (ElektroG) aufgenommen. Jetzt wird es ernst. Es hat sich ja schon herumgesprochen, dass sich daraus vor allem für Hersteller und Importeure neue Verpflichtungen ergeben. Doch auch Händler und Installateure müssen einiges beachten, wenn sie sich nicht haftbar machen wollen. Außerdem gibt es unterschiedliche Aussagen zu der Frage, wer in Zukunft welche Module zu welchen Konditionen zurücknehmen muss.

1. Muss man in Zukunft die Module eines Fünf-Megawatt-Solarparks zum Recyclinghof bringen?

Müssen nicht, können ja. Es ist so, dass Altgeräte aus privaten Haushalten kostenlos beim Recyclinghof abgegeben werden können. Solarmodule werden in der Regel immer als solche Altgeräte angesehen und nicht als Altgeräte aus anderen Quellen, sprich gewerbliche Altgeräte, auch wenn sie aus einem Megawatt-Solarpark stammen. Die zuständige Stiftung EAR betrachtet nämlich nicht die Gesamtanlage, sondern die einzelnen Module, die so ja auch bei privaten Haushalten anfallen könnten.

Eine Abholung durch die lokalen Abfallwirtschaftsbetriebe wird im Gegensatz zu Sperrmüll oder auch Kühlschränken nicht angeboten, der Betreiber müsste seine Module also selbst dorthin bringen. Grundsätzlich sollte eine solche Menge jedoch vorab mit dem Recyclinghof abgesprochen werden. Alternativ kann der Betreiber die Altmodule aber auch bei einem Hersteller oder Vertreiber abgeben, ein Anspruch darauf besteht nicht. Die Altmodule dürfen übrigens nicht einfach einem Recycler verkauft werden, der keine Beauftragung vorweisen kann, auch wenn er vielleicht den höchsten Preis bietet (siehe auch Frage 10).

2. Die meisten Verpflichtungen haben in Zukunft Hersteller und Importeure. Welche?

Die Inverkehrbringer, also Hersteller und Importeure, müssen alle anfallenden Module abholen und entsorgen. Der Recyclingmarkt entwickelt sich noch, daher sind relativ große Preisspannen zu beobachten, die auch regional stark variieren. Zurzeit ist mit Kosten zwischen 1,5 und 5 Cent pro Wattpeak zu rechnen. Die Preise dürften in Zukunft jedoch eher sinken als steigen.

Die Verpflichtungen gehen weit über die reine Entsorgungspflicht hinaus. Sie lassen sich grob einteilen in Designvorgaben, Informationspflichten, Anzeige- und Mitteilungspflichten sowie Sammel- und Rücknahmepflichten für Altgeräte.

Schwierig ist, dass nach dem Gesetz plötzlich jemand formal zum Hersteller wird, der gar nicht damit rechnet, weil er Module zum Verkauf anbietet.

3. Die meisten Photovoltaikmodule werden aus Asien importiert. Wer ist für diese Module verantwortlich?

Das Gesetz spricht zwar immer vom Hersteller und seinen Pflichten, doch ein Hersteller muss nicht unbedingt etwas herstellen. Der klassische Hersteller, der in Deutschland produziert oder zumindest produzieren lässt und die Module unter eigenem Namen oder Marke anbietet, ist natürlich selbst verantwortlich. Genauso, wer Module anderer Hersteller mit dem eigenen Label versieht. Bei Importen aus dem Ausland ist jedoch meistens der Importeur verantwortlich und rutscht in die Herstellerverantwortung. Ausländische Unternehmen werden normalerweise nur dann als Hersteller betrachtet, wenn sie Module direkt den Endnutzern in Deutschland anbieten, zum Beispiel über das Internet.

4. Welche Verpflichtungen geht ein Installationsbetrieb/EPC-Unternehmer ein, wenn er Module weiterverkauft, und welche Fallen lauern?

Jeder Vertreiber, der eine Verkaufsfläche für Elektro- und Elektronikgeräte von mindestens 400 Quadratmetern hat, ist verpflichtet, Elektroaltgeräte zurückzunehmen, egal ob er sie selbst verkauft hat oder nicht. Vertreiber ist jeder, der Elektrogeräte anbietet oder bereitstellt. Das kann also auch ein kleiner Installateur sein, solange er eine entsprechend große Verkaufsfläche hat. Die Rücknahmepflicht tritt übrigens am 24. Juli 2016 in Kraft.

Dies gilt allerdings nur für sehr kleine Geräte (das heißt mit einer Kantenlänge kleiner als 25 Zentimeter) ausnahmslos. Für größere Geräte wie Photovoltaikmodule gilt das nur im Rahmen des sogenannten „Eins-zu-eins-Verfahrens“. Das bedeutet, dass beim Verkauf eines Neugerätes ein vergleichbares Altgerät zurückgenommen werden muss, und zwar vor Ort beim Kunden. Der Installateur darf die Rücknahme von Altgeräten ablehnen, die aufgrund einer Verunreinigung eine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit von Menschen darstellen.

Ein Installationsbetrieb, der weniger als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche hat, muss also keine gebrauchten Photovoltaikmodule zurücknehmen. Er kann dies jedoch auf freiwilliger Basis tun, muss dies aber bei der Stiftung EAR melden.

5. Wie berechnet sich die Verkaufsfläche und was ist bei Online-Angeboten?

Die 400 Quadratmeter berechnen sich anhand der Grundfläche, auf der Elektrogeräte zum Verkauf angeboten werden. Die Verkaufsfläche anderer Produkte und Lagerflächen müssen nicht berücksichtigt werden. Damit dürften die meisten Installationsbetriebe von der Verpflichtung entbunden sein, Module zurückzunehmen. Im Onlinehandel gestaltet sich das schwieriger. Hier müssen Verkaufs- und Lagerflächen berücksichtigt werden. Zudem ist die Regalfläche entscheidend und nicht die Grundfläche. Lager- und Versandflächen im Ausland brauchen wiederum nicht berücksichtigt zu werden. Eine Website mit Informationen macht den Installateur übrigens noch nicht zum Onlinehändler, vielmehr verlangt das Gesetz den „Vertrieb unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“. Schließt der Kunde den Vertrag im Büro, ist es kein Problem, wenn technische Informationen und Preise auf der Website sind. Aufpassen sollten Installateure aber auch bei telefonischen Bestellungen.

6. Was können Installationsbetriebe und Händler machen, um die zurückgenommenen Elektroaltgeräte ordnungsgemäß und kostengünstig zu entsorgen?

Diese gelten nach dem Gesetz als Vertreiber. Vertreiber können die Altgeräte an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder an Hersteller übergeben. Die Anlieferung von mehr als 20 Geräten muss jedoch vorab mit dem Wertstoffhof abgestimmt werden. Die Auswahl des Herstellers bleibt dem Vertreiber überlassen, er muss nicht den ursprünglichen Hersteller kontaktieren. Die Hersteller müssen sie kostenlos annehmen. Zudem haben Vertreiber die Möglichkeit, die Altgeräte selbst zu behandeln und zu entsorgen. Dies kann bei manchen Produktgruppen interessant sein, da diese sich aufgrund ihres Materialwertes an Entsorger verkaufen lassen.

7. Woran können Händler, Installateure und Käufer erkennen, ob ein Hersteller registriert ist?

Jeder Hersteller erhält eine Registrierungsnummer. Diese muss beim Anbieten und auf der Rechnung angegeben werden. Ist auf einer Rechnung keine Registrierungsnummer zu finden, sollte der Vertreiber den Hersteller darauf ansprechen. Das ElektroG sieht nämlich vor, dass ein Vertreiber in die Rolle des Herstellers schlüpft, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig nicht oder nicht ordnungsgemäß registrierte Geräte zum Verkauf anbietet. Eine weitere Möglichkeit ist, das öffentlich zugängliche Herstellerregister auf der Internetseite der Stiftung EAR zu überprüfen.

8. Wie berechnen sich die Rücknahmeverpflichtungen und was müssen Hersteller bei der Abholung beachten?

Zuständige Behörde ist das Umweltbundesamt. Es hat die von Herstellern ins Leben gerufene Stiftung EAR mit der Koordinierung der Registrierungen, Garantieprüfungen und Erfassung der in Verkehr gebrachten und abzuholenden Mengen beauftragt. Die Stiftung EAR berechnet die Rücknahmeverpflichtung jedes einzelnen Herstellers auf der Grundlage der insgesamt von allen Herstellern eines bestimmten Marktsegments in Verkehr gebrachten Mengen anhand des Marktanteils.

9. Was ist mit Modulen, die vor dem 24. Oktober 2015 in Verkehr gebracht worden sind?

Solche Module werden als „historische Altgeräte“ bezeichnet. Für diese sind alle Hersteller, die noch am Markt sind, gemeinsam verantwortlich, also auch für Module von längst vom Markt verschwundenen Herstellern. Die Rücknahme berechnet sich ebenfalls anhand des Marktanteils.

Die Rücknahme kostet die Besitzer der Solaranlagen, die abgebaut werden, also nichts. Theoretisch könnten die Module aus großen Solarparks als B2B-Produkte gelten, dann müsste der Betreiber für die Entsorgung zahlen. Das ist aber eher eine theoretische Möglichkeit, da die EAR derzeit die Auffassung vertritt, dass immer nur das einzelne Modul zählt, nicht die Einbausituation in kleiner Dachanlage oder großem Solarpark. Siehe nächste Frage.

10. Sind Photovoltaikmodule immer Geräte für den Gebrauch in privaten Haushalten? Und wenn ja, was bedeutet das?

Diese Frage war im Vorfeld der Gesetzesänderung einer der meistdiskutierten Punkte. Für Produkte für den Gebrauch in privaten Haushalten gilt nämlich, dass die Rücknahmestellen sie annehmen müssen und dass die Abnahme von Geräten grundsätzlich kostenlos für die Besitzer ist, auch wenn diese Megawatt-Solarparks betreiben und die Module schon lange vor Inkrafttreten des Gesetzes in Verkehr gebracht wurden. Hersteller müssen für solche Produkte außerdem eine insolvenzsichere Garantie vorweisen, was jedoch weniger als 0,1 Cent pro Wattpeak ausmacht.

Das am Ende verabschiedete ElektroG unterscheidet im Prinzip zwischen Altgeräten aus privaten Haushalten und von anderen Nutzern, zum Beispiel großen Solarparkbetreibern, wie das Bundesumweltministerium das Gesetz interpretiert hat (siehe pv magazine Juni 2015, Seite 24). Die EAR ist zwar an das Gesetz gebunden, interpretiert es aber so, dass nicht die komplette PV-Anlage, sondern das einzelne Modul zu betrachten sei. Die Schlussfolgerung: Alle Module gehören zu der Gruppe der „Produkte für den Gebrauch in privaten Haushalten“.

Gegen die Interpretation der EAR könnte ein Hersteller zwar Rechtsmittel einlegen. Das ist allerdings aufwendig und langwierig. Dies hat zur Folge, dass zurzeit kein einziger Hersteller von Photovoltaikmodulen für die Nutzung in anderen Bereichen als in privaten Haushalten registriert ist.

11. Was gilt beim Handel mit oder der Verwendung von Gebrauchtwaren?

Gebrauchtwaren sind bereits auf den Markt gebracht worden und unterliegen in der Regel keinen weiteren Verpflichtungen. Anders ist dies jedoch, wenn gebrauchte Module aus dem Ausland nach Deutschland importiert werden. In dem Fall kann der Importeur zum Hersteller werden, wenn er die Module nicht zum Eigengebrauch, sondern zum Vertrieb importiert.

12. Was müssen Vertreiber, Installateure und EPC-Unternehmen bei Verkäufen ins Ausland beachten?

Auch hier muss die Verpflichtungslage im Einzelfall überprüft werden. Es gibt dem ElektroG vergleichbare Gesetzgebungen in allen EU-Ländern und einigen weiteren Ländern in Europa, Amerika und Asien. Beim Direktvertrieb an Endnutzer in der EU sieht bereits das ElektroG die Verpflichtung vor, im Zielland einen Bevollmächtigten zu ernennen, der sich um die dortigen Verpflichtungen kümmern muss. Installateure und EPCs sollten auch die Möglichkeit prüfen, im Zielland einzukaufen.

13. Um das an einem Beispiel konkret zu machen: Was raten Sie einem EPC aus Deutschland, der in Großbritannien einen großen Solarpark baut und die Module von seinem deutschen Lieferanten beziehen will?

Der EPC ist für Module, die er selbst aus Deutschland nach Großbritannien importiert, verantwortlich. Dann muss er entweder einem Sammelsystem beitreten oder einen Bevollmächtigten in Großbritannien beauftragen. Dieser übernimmt gegen ein Entgelt die Verpflichtungen des EPC und kümmert sich um alles Weitere. Dies sollte jedoch bereits vor dem Import geschehen und nicht erst nach Fertigstellung des Parks. Das britische WEEE-Gesetz hat einige Erleichterungen für kleine Hersteller, falls sie eine Jahresgesamtmenge von fünf Tonnen nicht überschreiten.

14. Gibt es fundamentale, systematische Unterschiede zwischen den Dienstleistern?

Alle Dienstleister bieten im Grunde denselben Service, variieren aber natürlich im Ausmaß. Die Dienstleister übernehmen die Koordination der in Verkehr gebrachten Mengenmeldungen und Abholung von den Wertstoffhöfen, manche kümmern sich auch um die Garantiestellung und Registrierung. Unterschiede gibt es darin, dass manche Dienstleister von Herstellern oder deren Verbänden gegründet worden sind und/oder nicht profitorientiert arbeiten. Das heißt allerdings nicht zwangsläufig, dass sie kostengünstiger sind. Zudem nehmen manche Dienstleister auch das Recycling selbst vor, statt mit Recyclern zusammenzuarbeiten.

15. Was sind die Konsequenzen, wenn Verpflichtungen nicht erfüllt werden?

Das ElektroG enthält verschiedene Bußgeldvorschriften. Dies betrifft zum Beispiel eine fehlende oder nicht rechtzeitige Registrierung oder Mitteilung, fehlende Produktmarkierungen oder Registrierungsnummern oder eine verspätete Abholung von Altgeräten. Das kann je nach Vergehen bis zu 100.000 Euro kosten. Die Praxis in anderen Branchen zeigt aber, dass Unterlassungsklagen der Wettbewerber viel häufiger ein Problem für diejenigen sind, die die Auflagen nicht erfüllen, als die Bußgelder. Die angedrohten Ordnungsgelder können die genannten Bußgelder deutlich überschreiten. Dem nicht gesetzeskonform agierenden Hersteller droht also in solchen Fällen neben dem Bußgeld ein Verkaufsverbot und im Wiederholungsfall eine hohe Zahlung an Wettbewerber. In manchen Branchen wird dies bereits intensiv durch Wettbewerber genutzt.

Arne Campen ist Senior Consultant bei der 1cc GmbH (www.1cc-consulting.com). Er berät Hersteller und Vertreiber von Elektrogeräten im Bereich der Umweltgesetzgebung mit dem Schwerpunkt auf Produktdesign und -entsorgung. 1cc hat Büros in Deutschland, Italien, den USA und China und berät sowohl Global Player als auch mittelständische Unternehmen.

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