Steuern, was das Herz begehrt

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Wenn ein altes Haus den Besitzer wechselt, erwacht es aus einem Dornröschenschlaf. Es wird entkernt, neu gedeckt und warm eingepackt. Die Heizung fliegt raus, und dann wird es von Grund auf neu ausgebaut, wie das Haus von Hendrik Adam zwischen Wetzlar und Gießen. Immer wieder muss er jetzt Entscheidungen treffen, die sich 20 Jahre und länger bewähren sollen. „Sinnvoll ist sicher eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit einem extra Speichertank mit Tauchsieder. Dann nehmen wir noch Photovoltaik aufs Dach und können den Überschussstrom in Wärme verwandeln“, berichtet der Geschäftsführer einer Internetagentur vom derzeitigen Planungsstand seines Bauprojektes. Auch über einen Batteriespeicher denkt er nach und darüber, das Energiesystem mit einer Lüftungsanlage und den Jalousien für die Verschattung zu koppeln. Doch eines bereitet ihm noch Kopfzerbrechen: Mit welcher Steuerung lässt sich das umsetzen?

Kunden suchen Rat

Das große Interesse, aber auch das große Informationsbedürfnis der Kunden spüren die Installateure. „Das Interesse am Smart Home wird immer größer. Von fünf Neubauten bauen wir inzwischen vier mit Smart-Home-Installation“, berichtet Stefan Weiß von Elektro Technik Weiß in Wartenberg in Hessen. Er hat sich schon seit Jahren neben der Energie auf Kommunikations- und Sicherheitstechnik spezialisiert. Auch Armin Wiedemann, Projektabwickler bei Elektro Strehle in Günzburg, hat schon lange vor dem aktuellen Trend zum Smart-Home-Gebäude automatisiert. Er sagt: „Jeder will heute ein Smart Home haben, weil das in der Werbung so toll dargestellt wird. Man muss nur den Knopf am Handy drücken und alles geschieht von selbst. Das sieht in 21 Sekunden so einfach aus. Aber wir müssen den Leuten dann klarmachen, was das kostet und was da an technischem Aufwand dahintersteckt.“

In einer aktuellen Studie des internationalen Marktforschungsunternehmens GfK gaben 43 Prozent der deutschen Internetnutzer an, dass sie vom Smart Home künftig den größten Einfluss auf ihr Leben erwarten. Zur Auswahl standen verschiedene Techniktrends, wie mobiles Bezahlen, die Cloud oder 3D-Druck. Für Robert Soppart von Soppart Energie- und Gebäudetechnik aus dem Bayerischen Wald ist dieses Ergebnis keine Überraschung. „Das merken wir auf den Messen. Die Kunden wollen ihre eigene Energie haben und wenn wir ihnen erklären, was wir so alles damit machen, dann wollen sie das bei uns kaufen und geben dafür auch Geld aus.“

Jeder mit jedem

Hatte die Heimautomatisierung bislang recht einfache Aufgaben, wie die Verknüpfung von Sensoren und Aktoren, werden nun aus allen Bereichen neue Wünsche an sie herangetragen. So soll die Musikbibliothek an beliebige Lautsprecher im Haus gestreamt werden, und der Bewegungsmelder soll doch bitteschön auch medizinische Notsituationen erkennen. Immer mehr Kunden fragen auch, wie Hendrik Adam, was kann mein Energiemanagementsystem mir sonst noch bieten?

„Wir vernetzen die Photovoltaik mit der Heizung, aber nur wenn es eine Wärmepumpe ist, und mit größeren Verbrauchern, wie der Warmwasserbereitung und zum Beispiel Gefriertruhen oder Weinschränken“, berichtet Robert Soppart. Langjährige Erfahrung hat auch Thomas Heldner von Elektro Hache aus Naundorf und gleich eine Produktempfehlung. „Wir haben schon häufig Smart-Home-Installationen mit einer Photovoltaikanlage und einem Speicher verknüpft. Dafür nutzen wir die unterschiedlichsten Systeme wie zum Beispiel Loxone. Die Photovoltaik wird ausgelesen und wenn die Sonne scheint, werden insbesondere die Energiefresser wie Waschmaschine oder Wäschetrockner angesteuert. Einzige Voraussetzung: Die Geräte müssen Smart-Grid-ready sein.“

Von Loxone hat Hendrik Adam schon gehört und es in die engere Wahl genommen. „Wir sind über Empfehlungen darauf gekommen. Viele unserer Freunde haben das schon installiert.“ Dabei schreckt ihn die Bindung an einen Hersteller nicht ab, wichtiger ist ihm, dass die Komponenten sich problemlos verstehen. Das sieht auch Heldner als Vorteil: „Systeme wie KNX oder EIB bieten zwar eine Vielzahl von Möglichkeiten, können aber vom Verbraucher nur bedient und nicht auf veränderte Wohnsituationen angepasst werden. Wichtig ist, dass sich der Kunde noch auskennt und nicht davon abhängig ist, für jede Änderung den Elektriker zu rufen.“

Drum prüfe, wer sich langfristig bindet

„Allerdings weiß man nicht, ob es eine Firma mit einem eigenen System in ein paar Jahren noch gibt“, wendet Wiedemann ein. Er setzt lieber auf das weit verbreitete KNX. „KNX unterstützen so viele Hersteller, die wird es auch in Zukunft noch geben.“ Zwar sei ein offenes System für die Kunden wünschenswert, meint auch Stefan Weiß, „das ist aber eine Preisfrage“. Die Zertifizierung macht seiner Ansicht nach zum Beispiel KNX-Komponenten deutlich teurer. Er setzt im Heimbereich auf ein proprietäres System. „Wir nutzen für Smart Home die free@home-Lösung von Busch-Jaeger. Das ist ein herstellereigenes, kabelgebundenes Bus-System.“ Bei free@home könne er das System ohne zusätzliche kostenpflichtige Software in Betrieb nehmen und auch der Kunde könne Änderungen einfach selbst vornehmen. „Dort gibt es die Geräte, die man braucht, und der Endkunde muss sich nicht mit Kompatibilitätsproblemen auseinandersetzen.“

Über Binäreingänge schließt er die Alarmanlage an, damit zum Beispiel die Lichter im Alarmfalle angehen. Das könne man auch mit dem Wechselrichter machen und als Zusatzleistung einen Heizstab zuschalten oder die Waschmaschine, ist er sich sicher. „Das hängt davon ab, ob die Haushaltsgeräte damit zurechtkommen.“ Smarte Haushaltsgeräte würden 37 Prozent der deutschen Internetnutzer gerne von außerhalb des Hauses bedienen, hat die GfK ermittelt, doch das ist bislang schwierig. So „vergessen“ Waschmaschinen oft ihr Programm, wenn man ihnen per Funksteckdose den Strom abschaltet, oder der Startbefehl kann nur über eine Taste am Gerät gegeben werden. „Der Kunde sollte sich überlegen, ob er das Geld für neue Smart-Grid-fähige Geräte ausgeben möchte oder lieber in einen Batteriespeicher investiert“, gibt Heldner zu bedenken. „Nimmt er einen Speicher, kann er tagsüber Strom speichern und später verbrauchen. Somit steigt die Unabhängigkeit vom Energieversorger und den steigenden Stromkosten um ein Vielfaches.“ Tatsache ist auch, dass Hausgeräte im Vergleich zum Heizenergiebedarf oft nur wenig ins Gewicht fallen. Der Stromhunger von Waschmaschine und Geschirrspüler ließe sich übrigens auch dadurch senken, dass man sie an die Warmwasserversorgung anbindet.

Vorreiter finden und ausreizen

Zu den großen Verbrauchern gehört die Wärmepumpe, und hier müssen Kunden wie Adam gründlich recherchieren, um ein smartes und kompatibles Gerät zu finden. „Bei der Wärmepumpe arbeiten wir zu 100 Prozent mit Stiebel Eltron“, erklärt Robert Soppart. Für das Energiemanagement nimmt er entweder Solarworld MyHome oder den Sunny Home Manager von SMA. „Die Wärmepumpe von Stiebel Eltron hat eine Smart Grid Box, da können wir Überlagerungstemperaturen einstellen.“ Wünscht der Kunde zum Beispiel mittags eine Warmwassertemperatur von 45 Grad, dann kann Soppart es trotzdem auf 55 Grad heizen, wenn gerade zu viel Strom da ist. „Außerdem lagern wir Überschussenergie im Estrich ein und in einem kleinen Pufferspeicher.“ Damit müsse der Kunde abends nicht sofort aus der Batterie leben, sondern bekomme noch einen kleinen Vorsprung von etwa einer Dreiviertelstunde. Diese Tricks sind in keinem Smart-Home-System vorgesehen. „Um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, würde ich mir aber wünschen, dass die Hersteller besser zusammenarbeiten und noch mehr gemeinsam machen“, sagt Soppart. Außerdem seien auch die engagierten Installateure auf noch besser bedienbare Oberflächen und eine bessere Visualisierung der Energieflüsse im Haus angewiesen.

Hersteller antreiben

Insbesondere Installateure, die häufig KNX für die Heimautomation einsetzen, warten ungeduldig auf Protokolle und Produkte, die den Graben zwischen Smart Home und Energiemanagement überwinden. „Im Moment können wir die Photovoltaikanlage noch nicht gut mit dem Smart Home koppeln“, sagt zum Beispiel Armin Wiedemann. „Da benötigen wir noch Herstellerhilfe.“ Er nutzt für die Solaranlage den Sunny Home Manager von SMA und für die Smart-Home-Steuerung KNX. Doch die zu koppeln, sei sehr aufwendig. „Die verstehen sich noch nicht. Da benötigen wir noch eine Schnittstelle, die hoffentlich bald kommt.“ Andere Produkte möchte er nicht einsetzen. „Nahezu jeder Objektbau hat heute KNX und auch 50 Prozent der neuen Wohnbauten. Daher kennen wir uns mit KNX sehr gut aus.“ Leider lasse sich mit KNX alleine die Photovoltaik nicht intelligent genug einbinden und der Sunny Home Manager sei nicht in der Lage, alle Geräte anzusteuern. „In einem Haus mit beiden Systemen könnten wir tun, was das Herz begehrt. Alle Arten von Verbrauchern ansteuern, die steuerbar sind, die Heizungsanlage, Wärmepumpen … und wenn es dann noch eine schlaue App gäbe, wäre es perfekt.“ Es sei zwar wahr, dass KNX bei der Installation und Programmierung sehr komplex sei, aber seine Firma habe sich darauf eingestellt und beschäftige sogar mehrere eigene Programmierer.

Experte für alles sein

Da die Installateure sich auf wenige Lösungen fokussieren müssen, um im Alltag zu Ergebnissen zu kommen, ist für den Kunden die Wahl des Installateurs gleichzeitig die Entscheidung für ein System. „Die Handwerker empfehlen sich auch gegenseitig, zum Beispiel der Heizungsbauer den Elektriker“, berichtet Hendrik Adam. Er sieht das positiv. „Dann weiß ich, die haben schon miteinander gearbeitet und das wird funktionieren.“ In seinem stressigen Alltag hat er keine Zeit für Experimente. Deshalb würde er sich auch nicht für ein Smart Home mit Open-Source-Plattform entscheiden. „Wir wollen gar kein superverspieltes Haus.“ Wichtiger wären ihm klare Ansagen. Soll er lieber mehr Photovoltaik nehmen mit einem großen Speicher, der viele Zyklen fährt, oder lieber ein genau passendes System, das zunächst alle anderen Verbraucher bedient, bevor es die Batterie nutzt? Aber was ist dann, wenn er später ein Elektroauto möchte? Dafür müsste es Spezialisten geben, findet er, die so etwas übergreifend beantworten können.

Für Thomas Heldner sind die Elektriker noch immer die richtigen Ansprechpartner. „Obwohl die Systeme von RWE, Homematic oder Telekom immer einfacher zu bedienen sind und der Kunde sie zum Teil schon selbst installieren kann, wird Smart Home immer ein wichtiges Gebiet des Elektrohandwerks bleiben“, ist er überzeugt. Das liege nicht nur daran, dass man verschiedene Komponenten in Stromleitungen einbinden müsse. Man brauche auch einen Fachmann, um die Vor- und Nachteile einzelner Produkte einzuschätzen und aus der Masse die richtige Wahl zu treffen. Wenn das gelingt, erwacht das alte Haus zu einem ganz neuen Leben, in dem es hilft und schützt und spart und tatsächlich den Alltag beeinflusst wie nie zuvor. (Cornelia Lichner)

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