Grüne Energie beflügelt Smart-Home-Branche

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Als wir vor nicht ganz zwei Jahren eine Umfrage unter Photovoltaikinstallateuren starteten, um zu erfahren, inwieweit sie bereits Haustechnik und Photovoltaik verknüpfen, mussten wir immer wieder erklären, was wir mit ganzheitlicher Haustechnik eigentlich meinen. Heute hat sich der Begriff Smart Home eingebürgert und ist bis in die Fernsehwerbung vorgedrungen. Dort liegen dann Menschen im Bett und schlafen, während ihr Haus Überschussstrom sinnvoll verwertet. Oder sie steuern von unterwegs die Heizung und die Alarmanlage. Die Nachfrage nach diesen Systemen steigt rapide. Wer neu baut, möchte ein kluges Haus, das sicher ist und komfortabel und energieeffizient. Doch Smart Home ist auch ein Modebegriff. Eine schier unüberschaubare Anzahl von Systemen und Produkten schmückt sich mit dem Titel.

Fragt man Hersteller und Installateure, welche Funktionen sie mit ihren Lösungen abdecken können, hört man meistens: alle. Denn prinzipiell kann man in einem vollständig vernetzten Haus, sei es mit einem Bus-System, einem Funknetzwerk, Powerline-Verbindungen, einem IP-Netz oder beliebigen Mischformen im Zusammenspiel mit einem Smartphone erstaunliche Dinge anstellen. Die App-Entwickler und auch die Kunden sind gerade erst dabei zu erkunden, was alles möglich und sinnvoll ist. Ein Lichtschalter, der Sprachbefehle annimmt? Die Jalousie mit Weckfunktion? Der Türöffner für unterwegs? Empfindet man die Automatisierung im Bereich Entertainment oder Komfort vielleicht noch als überflüssige Spielerei, ist sie für die Energieeffizienz und die Energieerzeugung unverzichtbar. Allein durch die Vernetzung von Fensterkontakten und Thermostaten oder von Lichtschaltern mit Präsenzmeldern seien erhebliche Einsparungen möglich, betonen die Hersteller.

Noch mehr lässt sich durch Photovoltaikanlagen in Kombination mit elektrischen Heizgeräten herausholen. Da dieser Aspekt in der Hausautomation noch recht jung ist, bewegen sich hier derzeit zwei Welten aufeinander zu. Das sind zum einen die klassischen Smart-Home-Systeme, die nicht mehr nur am Thermostat drehen, sondern Wechselrichterdaten auslesen, den Batteriespeicher zuschalten und den Einsatz von Verbrauchern nach Wetterprognosen takten. Es sind auch die Energiemanager der Wechselrichter- und Batteriehersteller, die immer mächtiger werden, in die Heizungssteuerung eingreifen, Steckdosen zuschalten und den Verbrauch aller Geräte aufzeichnen. Da stellt sich für einen Kunden, der ein Smart Home plant, die Frage: Benötige ich überhaupt noch einen extra Energiemanager beziehungsweise kann mein Energiemanager nicht mein ganzes Smart Home steuern? Wir haben Hersteller angefragt, deren Systeme im Smart-Home-Bereich auch Energiemanagementaufgaben übernehmen können und die nach unserer Recherche zu den derzeit relevantesten auf dem Markt gehören.

SMA: Organisiert das sonnige Zuhause

Den Sunny Home Manager von SMA gibt es seit 2012. Mehrere zehntausend Anlagen sind bisher registriert. Er erlernt das Bedarfsprofil des Haushalts und einzelner Hausgeräte und kann mit einer Wetterprognose die Erzeugungsmenge voraussagen. Daraus entwickelt er eine Einsatzplanung und kann über Funksteckdosen „dumme“ Verbraucher zuschalten. In Zusammenarbeit mit Stiebel Eltron kann der Sunny Home Manager Wärmepumpen aber nicht nur an- und ausschalten, sondern in einem Bereich zwischen minimaler und maximaler Stromaufnahme der solaren Erzeugung nachführen. Das dafür verwendete Protokoll ist derzeit noch proprietär. Mit Einführung des EEBus (siehe Artikel Seite 38) wird SMA auch weitere Geräte noch besser unterstützen können. Beispielsweise sind Autoladestationen und Batteriespeicher keine „dummen“ Verbraucher, und es wäre falsch, sie stur von außen zu steuern. Sie haben eine eigene Intelligenz zur Schonung der Hardware und Interfaces zur Kommunikation mit dem Nutzer.

In einem der nächsten Upgrades wird der Sunny Home Manager seine Energieplanung deshalb in Form einer Strompreistabelle an ein beliebiges Smart-Home-System übergeben können. Die Strompreistabelle könnte dann zunächst beispielsweise aus unterschiedlichen Preisen für direkt verbrauchten Solarstrom, für gespeicherten Solarstrom und für Netzstrom bestehen. Später könnten auch flexible Tarife von Energieversorgern berücksichtigt werden. Smart-Grid-fähige Geräte würden dann ihren Stromverbrauch vorwiegend in Zeiten decken, in denen er besonders günstig ist. Allerdings hat SMA nicht vor, ein Smart-Home-Komplettpaket inklusive Hausautomation zu schnüren. „Wir werden keine Produkte oder Features im Komfortbereich anbieten“, sagt Produktmanager Martin Volkmar. So ist bislang nicht geplant, zum Beispiel die Wetterprognose auch zur Jalousiesteuerung zu verwenden. „Die Komfortsysteme leben vom aktiven Kunden, der selbst bestimmt, was wann passiert“, erklärt Volkmar den Unterschied. „Die Stärke unseres Energiemanagements ist es aber, im Hintergrund und automatisch zu funktionieren. Der Kunde muss nicht ständig etwas tun. Nach dem Setup genügen Kennwerte zu seiner Information.“

Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass der Sunny Home Manager als eine wichtige Steuereinheit in ein Smart Home, zum Beispiel mit KNX-Bus, eingebaut wird und dort das Energiemanagement übernimmt, während Komfortfunktionen, Sicherheit und Entertainment nahezu unabhängig parallel laufen. Das trifft auch auf viele andere Energiemanager zu. Sie werden immer smarter, sind aber an sich noch kein Smart Home.

Bleiben wir noch kurz bei KNX. Es ist ein seit 25 Jahren verbreitetes und beliebtes Bus-System. Viele verschiedene Hersteller entwickeln dafür Komponenten. Einfache Aufgaben kann das System nach Parametrierung und Inbetriebnahme auch ohne zentrale Steuereinheit abwickeln. Für komplexere Aufgaben kann ein Server zum Beispiel von Gira eingesetzt werden, der dann auch die Kommunikation mit dem Mobiltelefon oder die Visualisierung auf Apps übernimmt. Für die Steuerung von Verbrauchern in Abhängigkeit von der Erzeugung wird Gira aber erst nach Einführung des EEBus bereit sein. Es gibt allerdings schon jetzt eine Lösung von Schneider Electric namens HomeLynk, die in der Lage ist, KNX- und Modbus-Anlagen zu koppeln und über ein User Interface verfügt.

RWE: Photovoltaik, Speicher und Smart Home aus einer Hand

RWE ist einer der wenigen Anbieter, die sowohl Photovoltaikanlagen als Komplettsystem mit Speicher anbieten als auch ein Smart-Home-System mit Thermostaten, Kameras, Rauch- und Bewegungsmeldern und Funksteckern. Die zentrale Steuerung übernimmt der RWE Smart Home Server. Über Funk steuert er Geräte an, empfängt Sensor- und Statusdaten. Die Palette an kompatiblen Produkten ist im Vergleich zu anderen Systemen gering, und der Kunde ist dauerhaft auf den RWE-Shop und die Partnerfirmen angewiesen. Da aber sogar die E-Mobility-Ladebox bei RWE erhältlich ist und über den Smart Home Server angesteuert werden kann, ist es sehr bequem, sein Heim so auszubauen. Der Kunde setzt hier auf eine bekannte und breit aufgestellte Marke.

Das Sicherheitskonzept wurde vom TÜV und vom VDE zertifiziert. „Der Kunde kann die Geräte leicht selbst einbauen“, sagt RWE-Sprecherin Julika Gang. Nur für Unterputzgeräte, wie Lichtschalter und Rollladensteuerungen, sei ein Elektriker nötig. „Wer möchte, kann das Hausnetz nach der Erstinstallation auch ohne Internetzugang betreiben.“ Er würde damit aber auf den Fernzugriff von unterwegs verzichten. Der Verbrauch im Haushalt wird über die Ausleseeinheit Energy Control erfasst, die herkömmliche Stromzähler in die Hausautomation einbezieht. Auf den Bedarf einzelner Verbraucher lässt sich daraus nur indirekt schließen. Der Solarstrom wird mittels Power Control solar ausgelesen.

Nach der Installation kann der Kunde dann selbst sein Heim automatisieren. So kann er beispielsweise vorgeben, bei welcher Solarstromproduktion die Waschmaschine angeschaltet wird. Allerdings ist die Komplexität begrenzt. So kann RWE zwar Thermostate regeln, aber nicht direkt mit der Heizungssteuerung kommunizieren. RWE setzt darauf, dass Überschussstrom überwiegend in den Speicher fließt und von dort für alle Anwendungen zur Verfügung steht. Ein extravagantes Energiemanagement ist dafür nicht zwingend. Eine Wetterprognose ist bislang nicht enthalten.

Loxone: Beliebt bei Bauherren

Auch Loxone bietet ein Komplettsystem. Das bedeutet, die Kommunikation erfolgt über ein proprietäres Format des Herstellers. Deshalb können nur Geräte eingebunden werden, die bereits kompatibel sind oder über Schnittstellen kompatibel gemacht werden. Loxone bietet viele verschiedene Schnittstellen über sogenannte Extensions an und ist im Bereich der Hausautomatisierung eine beliebte Marke. Das Herzstück, der Miniserver, wurde nach Herstellerangaben bereits 38.000 Mal verkauft. Es war ursprünglich ein kabelgebundenes System, kann inzwischen aber auch als Funklösung nachgerüstet werden. „Etwa zehn Prozent unserer Kunden haben in das Loxone-Smart-Home auch eine Photovoltaikanlage integriert“, erklärt Loxone-Sprecherin Claudia Egginger. „Für netzwerkfähige Wechselrichter von Fronius und Kostal bietet Loxone eine ‚Out of the Box‘-Integration an.“ Weitere Wechselrichter mit Netzwerk- oder RS232- beziehungsweise RS485-Schnittstellen könnten aber ebenso eingebunden werden, so Egginger. Abhängig vom Ertrag werden die Verbraucher zugeschaltet. Der Miniserver stellt auch sicher, dass das Auto mit Grünstrom geladen wird, indem er andere Verbraucher ausschaltet, wenn die Leistung nicht ausreicht. Je nach Wunsch könne man so den Eigenverbrauch oder die Autarkie steigern.

In der Konfiguration können Prioritäten vergeben und Aufgaben terminiert werden. Mit einer 40-stündigen Wetterprognose lässt sich die Stromproduktion voraussagen und die Heizungssteuerung justieren. Die Heizungssysteme, die sich vom Miniserver ansteuern lassen, können dann zum Beispiel ihre Vorlauftemperatur erhöhen. Elektro Hache in Naundorf in Sachsen verwendet schon heute Loxone als Basis, um Photovoltaik und Speicher einzubinden. „Gute Erfahrungen haben wir damit gemacht, in der Heizungsanlage den Pufferspeicher mit einem Heizstab vorzuheizen oder Nachtspeicheröfen aufzuladen“, berichtet Thomas Heldner. Die Steuerung erfolgt über Loxone-eigene Apps und kann auch über das Smartphone laufen. Das Loxone Smart Home funktioniert ganz ohne Cloud. Alle Daten werden nur auf dem Miniserver gespeichert, sagt Claudia Egginger mit Bezug auf die Datensicherheit.

Digitalstrom: Bringt Intelligenz ins Hausstromnetz

Während Hard- und Software bei Loxone fest in einer Hand liegen, ist Digitalstrom ein vergleichsweise offenes System. Mit Hilfe von winzigen Klemmen, die in die Stromleitungen gesteckt werden, können Häuser auch nachträglich vernetzt werden. Diese Klemmen enthalten bereits die nötige Intelligenz, um zum Beispiel eine Leuchte nachträglich dimmbar zu machen und in Lichtszenen einzubeziehen. Je nach Einsatzgebiet gibt es verschiedene Klemmen, die insgesamt mehr als 60 Befehle umsetzen können. Im Stromkasten sitzt ein Kommunikationsmodul, das den Austausch über Stromkreisgrenzen hinweg und mit dem IP-Netz ermöglicht.

Digitalstrom selbst und externe Serviceanbieter setzen auf diese Grundlage dann Applikationen (Apps) auf, die das digitalisierte Heim mit weiterer Intelligenz versehen. „Da wir jeden Stromkreis und jedes Einzelgerät messen, können wir dem Nutzer unseres Systems Vorschläge für eine Steigerung der Energieeffizienz und für den optimalen Nutzen von Überschussstrom machen“, sagt Digitalstrom-CEO Martin Vesper. Den Wechselrichter auszulesen sei nicht schwer. Wirklich wichtig sei allerdings die Vorhersage, ob für die Ausführung einer Aufgabe zum entsprechenden Zeitpunkt die nötige Menge Energie vorhanden sein wird. In einzelnen Pilotprojekten hat Digitalstrom bereits gezeigt, wie die gemeinsame Steuerung von Mikro-BHKWs und Wärmegeräten in Abhängigkeit vom Solarstrom umgesetzt werden kann. Solche Projekte seien aber noch nicht serienreif und massenmarktfähig. „Wer das nachbauen möchte, braucht einen Spezialisten.“ Denn Digitalstrom möchte nicht die Logik der einzelnen Geräte umgehen, sondern auf deren Intelligenz aufbauen.

„Im digital-elektrischen Heim machen sich die Geräte miteinander bekannt und können – auch in Abhängigkeit voneinander – miteinander verknüpft und automatisiert gesteuert werden. Doch dafür benötigen wir Applikationen, die die Algorithmen vorgeben.“ Diese bezieht Digitalstrom von Serviceanbietern. So liefert Greencom Networks bereits Wetterprognosen, aber auch Applikationen, mit denen man diese Informationen in Aktionen umsetzen kann. Die Einführung des EEBus verfolgt Digitalstrom daher mit Interesse.

Weitere smarte Lösungen

Neben den genannten Systemen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Lösungen, die, auf einem Bus- oder Funkstandard aufbauend, Smart-Home-Funktionen und Energiemanagement verknüpfen. Bemerkenswert ist zum Beispiel die Lösung der Bootup GmbH, die in einem Musterhaus in Poing ein autarkes Energiekonzept mit Hilfe ihrer Software My Home Control umsetzte. Angesprochen werden die Brennstoffzelle, Batteriespeicher und Stromverbraucher über Enocean-Technologie. Die Telekom-Integrationsplattform Qivicon hat im Februar eine Partnerschaft mit Smappee bekanntgegeben. Das Unternehmen bietet einen Smart Meter an, der aus dem Stromfluss im Haus die einzelnen Geräte, auch Solaranlagen, „herauslauscht“, und ermöglicht das Schalten von Hausgeräten per Smartphone. Bosch führt gerade seine Kompetenzen im Bereich Hausgeräte, Smart Home, Heizung und Photovoltaik zusammen. Und der Professor für Energiefragen der Immobilienwirtschaft, Viktor Grinewitschus, hat gerade eine Studie gestartet, bei der Teilnehmer in Bochum ihren Strom aus einer Quartiers-Photovoltaikanlage mit Speicher beziehen. Das Energiemanagement der einzelnen Haushalte wird dabei über die Open-Source-Integrationsplattform Open HAB programmiert.

Der Smart-Home-Sektor ist in Bewegung wie noch nie und wird sich die Bereiche Energiemanagement und Smart Grid bald einverleibt haben. Wer allerdings heute baut und Entscheidungen für die nächsten 20 Jahre treffen muss, wird schnell feststellen, dass noch nicht „alles“ möglich ist. Nicht nur Verständigungsschwierigkeiten müssen noch behoben werden. Auch jeder einzelne Hersteller muss gerade für sich klären, wie weitgehend er die Steuerung seiner Geräte einer externen Instanz erlauben möchte. Ist der Geschirrspüler über die Smart-Home-Plattform steuerbar oder nur über eine eigene Geschirrspüler-App? Das ist nicht nur eine Frage der Eitelkeit. Sondern eine wichtige wirtschaftliche Zukunftsentscheidung. Denn wer sein Gesicht verliert, seine Sichtbarkeit, wird beliebig austauschbar. (Cornelia Lichner)

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