Start-up im Konzern

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Viele junge Leute und ein dynamischer Chef, der sichtbar stolz darauf ist, der Photovoltaik einen eigenen Bereich im Eon-Vertrieb gegeben zu haben: Franco Gola fing 2011 mit drei Mitarbeitern an, ein Handelsgeschäft aufzubauen. Jetzt, wo viele Solarunternehmen ums Überleben kämpfen, hat sein Bereich rund 30 Ingenieure, Vertriebler und andere Experten unter Vertrag. Das Handelsgeschäft ist inzwischen auch nur ein kleiner Teil der Aktivitäten. Eon deckt jetzt alles ab: den Vertrieb von Anlagen, die Planung und den Bau und bietet all das sogar anderen EVUs als Dienstleistung an. Selbst der Vorstand interessiere sich inzwischen für die Solar-Aktivitäten im Vertrieb. In einem Konzern, der derzeit rund 58.000 Mitarbeiter hat, sei das durchaus etwas Besonderes.
Gewerbeanlagen im Fokus
Bei dem Konzern ist es gar nicht so einfach, den Durchblick über die einzelnen Teile zu bekommen. Die Photovoltaik ist in der Konzerntochter Eon Energie Deutschland GmbH angesiedelt, das ist eine Vertriebsgesellschaft. Sie hat im Zuge der gesetzlich vorgeschriebenen Aufspaltung von Netzbetrieb und Stromverkauf alle sechs Millionen Stromkunden übernommen. „Jetzt gibt es hier auch Ingenieure, die mit Eon-Jacke und -Helm auf die Baustellen fahren“, sagt Gola. Er ist der festen Überzeugung, dass genau dieses Konzept für den Erfolg verantwortlich ist, da sie dadurch dicht an den Kunden sind.
Das zeigt sich besonders bei den Dächern auf Gewerbeanlagen. Die Eon-Vertriebler haben direkten Zugang zu den gewerblichen Kunden, die oft extra verhandelte Stomlieferungsverträge haben. Ihnen sind die Strompreise und die Lastprofile bekannt. Damit berechnen sie schon im Vorfeld, wie sehr sich eine Anlage für den jeweiligen Betrieb lohnt, und bringen die ausgearbeiteten Unterlagen direkt mit zum Kundengespräch. Zehn Prozent Marktanteil im Geschäftskundenbereich hätten sie damit in wenigen Monaten in Bayern erreicht, wo sie das Pilotprojekt letztes Jahr gestartet haben. Dieses Jahr sei das Angebot deutschlandweit ausgerollt worden.
Gola sagt auch, dass bei Eon funktioniert habe, was viele für schwer möglich hielten. Die Vertriebler wurden nämlich nicht nur geschult, sondern – ganz wichtig – auch für die Solarprodukte begeistert. Das dürfte vor allem auch vor dem Hintergrund nicht immer leicht sein, dass der Verkauf von Photovoltaikanlagen den Stromverkauf kannibalisieren kann, das bisherige Kerngeschäft von Eon Energie Deutschland, vor allem wenn man explizit Eigenverbrauchsanlagen verkauft. Man merkt Gola nicht an, ob er in dieser Hinsicht intern Kämpfe zu bestehen hatte, um die strategische Ausrichtung durchzusetzen.
Eine starke Marke im Rücken
Dabei ist eine solche Kannibalisierung oft einer der Gründe, warum in der Theorie der disruptiven Entwicklungen gerade Großkonzerne mit noch funktionierenden Geschäftsmodellen Probleme haben, neue Geschäftsmodelle umzusetzen (siehe pv magazine September 2014, Seite 16). Klassiker in der Theorie der disruptiven Innovation ist die Entwicklung der Dampfschiffe. Keine Werft, die Segelschiffe hergestellt hat, schaffte den Wandel zur neuen Technologie. „Wenn man an den Markt glaubt, wäre es fahrlässig, deshalb nicht in das Geschäft einzusteigen“, sagt Gola, „vor allem wenn die Kunden die Photovoltaik wollen.“ Er glaubt an einen nachhaltigen Markt in Deutschland von 2,5 bis drei Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Das scheint Eon genug zu sein.
Und funktioniert das auch jetzt noch, nachdem auf den Eigenverbrauch ein Teil der EEG-Umlage erhoben wird? Ja, sagt Gola. Es lohne sich immer noch und es habe nach einem Aufragshoch im August, also vor Inkrafttreten der Regelung, nur einen kürzeren Einbruch gegeben. Eon profitiere eben auch von der starken Marke, die vor allem in dem unsicheren Umfeld einen Anker der Sicherheit biete.
Ob das stimmt, ist für Außenstehende schwer zu sagen. Zahlen gibt das Unternehmen nicht heraus. Aber dem aufmerksamen Besucher zeigt die an die Wand gepinnte Projektpipeline doch an, dass etliche Aktivitäten bestehen.
Und noch einen Vorteil hat Eon: Gola und seine Mitarbeiter müssen noch keine schwarzen Zahlen schreiben. Was sich viele Solarunternehmen kaum noch leisten können, zieht Eon durch: Das Unternehmen investiert. Letztes Jahr haben die Solarexperten zum Beispiel Qualitäts-Guidelines entwickelt, sogar ein Handbuch für den internen Gebrauch geschrieben.
Private Endkunden
Private Endkunden haben anders als Gewerbebetriebe keine individuellen Kundenbetreuer, so dass sich an sie die Anlagen nicht genauso verkaufen lassen wie an Kunden aus dem Gewerbe. Endkunden können sich stattdessen über die Website melden und werden dann von Installateuren, mit denen Eon zusammenarbeitet, kontaktiert. Die Komponenten kommen über den Großhandel, den Eon in den vergangenen Jahren aufgebaut hat.
Wie beim Geschäft mit den Gewerbeanlagen hat das Unternehmen den Vorteil, dass es auch vom Handelsgeschäft nicht leben muss. Dadurch kann es sich immer noch leisten, was für viele andere Solarunternehmen inzwischen passé ist. Zum Beispiel werden nach Aussage von Gola die Hersteller der Module im Portfolio durch Produktionsaudits kontrolliert, wobei das der Eon-Bereich mit übernimmt, der Großanlagen baut. Eines unterscheidet Eon übrigens von vielen anderen Großhändlern. Die Produkte bekommt nur, wer sich als Installateur qualifiziert hat.
White-Label-Produkt für Stadtwerke
Inzwischen bietet Eon sein Endkundenportal inklusive der Auftragsabwicklung über Eon-Installateure als sogenanntes White-Label-Produkt für Stadtwerke an, ähnlich wie zum Beispiel der Platzhirsch Greenergetics. Das heißt, Stadtwerke können ihren Kunden das gleiche Produkt anbieten, wie Eon seinen Kunden anbietet, ohne die Auftragsabwicklung selbst aufzubauen.
Golas Experte für Innovationen ist sein Mitarbeiter Johannes von Clary. Von Clary bezeichnet sich selbst als „Konzernkind“. Früher habe er ganz andere Funktionen innegehabt und sei gerade durch die „Start-up“-Aufbruchstimmung motiviert gewesen, sich der Entwicklung des Photovoltaikbereichs zu widmen. Neue Themen sind für ihn Pacht- und Mieterstrommodelle und die Kombination der Photovoltaik mit Wärmepumpen. Bei diesen sei die Schwierigkeit, sie entsprechend den gültigen technischen Anschlussbedingungen so anzuschließen, dass sie gleichzeitig mit Solarstrom betrieben werden können. Das White-Label-Produkt sei ein Beispiel, wie sich Eon wegbewege von Mee-too-Produkten aus der Anfangszeit und inzwischen bei den innovativen Modellen mitmische.
Bei dem White-Label-Produkt hat Eon übrigens den Vorteil, dass das Unternehmen über seine Tochtergesellschaft Eon Energy Sales bereits die Kontakte zu Großkunden wie Stadtwerken hat, denen dieser Konzernteil den Strom verkauft.

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