Wann sich Umsteigen lohnt

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Wer eine Neuanlage über 500 Kilowatt baut, muss den Solarstrom direkt vermarkten und die Anlage mit der seit der letzten EEG-Novelle dafür nötigen Kommunikationstechnologie ausstatten. Es ist jedoch auch für diejenigen, die Bestandsanlagen betreiben, interessant, sich damit zu beschäftigen, obwohl sie nicht zur Direktvermarktung verpflichtet sind. Denn es hängt schlicht vom Preis ab, zu dem die Umrüstung und die dann kontinuierlich notwendige Kommunikation machbar ist, ob sich eine Umstellung von der Einspeisevergütung auf die Direktvermarktung lohnt.
Wie viel man durch die Direktvermarktung zusätzlich zur Einspeisevergütung erhält, hängt vom Direktvermarkter ab. Aus dem EEG-Umlagetopf werden zusätzlich 0,4 Cent pro Kilowattstunde ausgezahlt. Bisher hieß dieser Zuschlag für Anlagen, die in das Marktprämienmodell wechseln, Managementprämie. Für Neuanlagen ist sie jetzt in der sogenannten Erlösobergrenze eingepreist. „Nach unserer Kenntnis behalten die Direktvermarkter etwa 0,08 bis 0,15 Cent pro Kilowattstunde als Vergütung ein“, teilt dazu Daniel Beuschel mit. Er ist Projektleiter Direktvermarktung bei dem Unternehmen Ispex,das eine Plattform für Betreiber aufbaut, auf der Direktvermarkter ihre Angebote abgeben, die dort verglichen werden können. Für den Betreiber bleiben dann zwischen 0,25 und 0,32 Cent pro Kilowattstunde zusätzliche Einnahmen.
EEG-Anforderungen
Ab dem 1. April müssen die Anlagen aber fernsteuerbar gemacht werden, damit der Umstieg möglich ist. Gemäß EEG ist eine Anlage fernsteuerbar, wenn der Betreiber die technische Einrichtung vorhält, mit der ein Direktvermarkter oder eine andere Person, an die der Strom veräußert wird, die Ist-Einspeisung abrufen und die Einspeiseleistung ferngesteuert reduzieren kann (EEG 2014 § 35). Die Leistung muss ferngesteuert in einem Umfang reduziert werden können, der für eine bedarfsgerechte Einspeisung erforderlich ist. Genehmigungsrechtliche Vorgaben dürfen davon nicht betroffen sein. Dies zielt besonders auf das Recht des Netzbetreibers zum Einspeisemanagement (§ 14) ab, welches nicht eingeschränkt werden darf.
Dann kann man also ausrechnen, wann sich die Umstellung unter der einfachen Annahme lohnt, dass sie freiwillig ist, dass die einzigen zusätzlichen Einnahmen der Betreiberanteil an der Managementprämie sind und dass diese wiederum für die gesamte Restlaufzeit der EEG-Vergütung bezahlt wird. Die einmaligen Kosten für solche Fernsteuerungssysteme reichen von perspektivisch knapp 1.000 Euro bis zu heute real 5.000 Euro, wobei Anlagenbetreiber hier auf die Vollständigkeit der Angebote achten sollten. Es muss nicht nur die Hardware installiert werden, sie muss auch installiert, konfiguriert und in Betrieb genommen werden. Gerade die Installation und die Konfiguration können bei einer schlecht dokumentierten Anlage etwas Zeit in Anspruch nehmen und somit die Kosten steigen lassen. Laufende Kosten können im Rahmen von Mobilfunkverträgen entstehen, wenn die vorhandene Internetanbindung nicht genutzt werden kann. Teilweise verlangen Anbieter von Lösungen auch Wartungskosten. Die Kosten sind weitgehend unabhängig von der Anlagenleistung.
Nimmt man an, der Anlagenbetreiber erwartet eine Rendite von sechs Prozent für die zusätzliche Investition und rechnet man mit einem relativ konservativen Wert von 0,20 Cent pro Kilowattstunde , also für das, was von der Managementprämie zusätzlich beim Anlagenbetreiber verbleibt. Dann zeigt die Tabelle, dass die Erweiterungskosten von 5.000 Euro, das wäre heute schon ein eher hoher Wert, sich frühestens bei einer 300-Kilowatt-Anlage rentieren – und das auch erst nach 13 Jahren. Bei mittleren Erweiterungskosten von 2.500 Euro amortisiert sich die Umrüstung schon bei einer 200-Kilowatt-Anlage – nach 9 Jahren. Sinken die Umrüstkosten auf 1.000 Euro, rechnet es sich für die 100-Kilowatt-Anlage ab sieben Jahren.
Wem die Zeiten zu lange sind, dem zeigt die Tabelle ebenfalls, wie schnell mit zunehmender Anlagengröße die Wirtschaftlichkeit erreicht ist und was dann für zusätzliche Gewinne möglich sind. Bei einer 500-Kilowatt-Anlage lässt sich zum Beispiel bei einer Restlaufzeit von 15 Jahren ein Nettobarwert von 9.227 Euro erzielen. Bei derzeitigen mittleren Umrüstkosten von 2.500 Euro bleiben davon 7.227 Euro übrig. Das entspricht einer Geldanlage von 7.227 Euro, die mit sechs Prozent verzinst ist und von der jedes Jahr 896 Euro ausgezahlt werden. (Dieser Betrag wird jeweils entnommen und nicht weiter verzinst).
Technische Fragen
Allerdings ist es derzeit sportlich, die Umrüstung deutlich unter 2.500 Euro hinzubekommen. Prinzipiell muss zur Umrüstung die Anlage für den Direktvermarkter steuerbar gemacht werden. Dieser benötigt neben dem Zugriff auf die Steuerung auch die aktuelle Ist-Einspeiseleistung der Anlage. Diese muss als Messwert vom Netzverknüpfungspunkt verwendet werden. In vielen Solarparks liegen bereits Messwerte für die Leistung vor, jedoch werden die oftmals direkt an den Wechselrichtern gemessen. Diese Werte spiegeln nicht die aktuelle Ist-Einspeiseleistung am Netzverknüpfungspunkt wider, da die Leistung durch verschiedene Verluste zum Beispiel in Transformatoren und in den Kabeln reduziert wird.
Für die Erfassung der aktuellen Wirkleistung werden oftmals die Einspeisezähler angebunden. Dabei bietet sich die S0-Schnittstelle an. Abhängig vom Direktvermarkter können eingebaute Netzanalysegeräte am Netzverknüpfungspunkt ausgelesen werden. Verfügt die Anlage über keine Messwerterfassung am Netzverknüpfungspunkt, muss eine Messstelle nachgerüstet werden. Die Kosten dafür können sich in einem Rahmen von ein paar Hundert Euro für das Einrichten einer S0-Schnittstelle bis zu einigen Tausend Euro für die Nachrüstung einer Mittelspannungsmessung bewegen. Über die neue Steuerung erhält dann der Direktvermarkter den Zugriff auf die Anlagensteuerung und kann die Anlagenleistung bei Bedarf reduzieren. Relevant bei der Nachrüstung ist die Beachtung der bestehenden Funktion des Einspeisemanagements (EEG 2014 § 14), welche nicht beeinflusst werden darf. Somit muss das System vor Ort eine Priorisierung der Signale vom Netzbetreiber und vom Direktvermarkter vornehmen.
Analog zur Übermittlung der Signale für das Einspeisemanagement, wie zum Beispiel Rundsteuertechnik oder Fernwirktechnik, muss auch der Direktvermarkter über einen sicheren Informationskanal mit der Anlage verbunden sein. Darüber werden dann die Messwerte der Anlage und die Steuerbefehle ausgetauscht. Die gängigste Variante zur Übertragung stellt ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) dar. Dieses wird mittels eines VPN-fähigen Routers zur Leitstelle des Direktvermarkters über Mobilfunk oder eine bestehende Internetverbindung aufgebaut. Für die Übertragung der Befehle und Signale aus der Anlage kommen verschiedene Protokolle zum Einsatz. Die gängigsten Protokolle sind neben Modbus TCP auch das Fernwirkprotokoll IEC 60870-5-104. Ein Standard unter den Direktvermarktern existiert hierfür nicht.
Zwei Szenarien für die Nachrüstung
In der Praxis sind Anlagenbetreiber bei der Nachrüstung von Bestandsanlagen mit zwei unterschiedlichen Szenarien konfrontiert. Entweder die Anlage verfügt schon über die notwendige Kommunikations- und Regeltechnik oder diese muss nachgerüstet werden. Erfahrungen zeigen, dass das installierte System vor Ort für die Überwachung und Steuerung der Anlage oft nicht ausreicht.
Bei Großanlagen mit einer geschlossenen Regelung kann der Aufwand geringer sein, wenn nur eine Anpassung der internen Softwarelogik und das Einrichten einer VPN-Verbindung notwendig sind. Wir sehen bei vielen Kunden leider oft Anlagen, bei denen die vorhandene Kommunikations- und Regeltechnik nicht genutzt werden darf oder nicht angepasst werden kann. Gerade kleine Datenlogger mit geringem Leistungsumfang sind häufig nicht für diese Anforderung vorbereitet. Dies führt dazu, dass eine parallele Steuerung eingebaut wird, die zusätzlich noch die Funktionen der Direktvermarktung übernimmt.
Bei vorbereiteten Anlagensteuerungen ist die Anpassung und Konfiguration der Systeme übrigens jetzt schon für weniger als 1.000 Euro machbar, und auch sonst werden die Kosten vermutlich weiter sinken. Prinzipiell schätzt auch Jürgen Sutterlüti vom Elektronikanbieter Gantner Instruments Environmental Solutions, der einen entsprechenden Datenlogger zum Nachrüsten anbietet, dass die Kosten für die Installation 10 bis 20 Prozent pro Jahr fallen können, vor allem wenn Schnittstellen harmonisiert werden. In Zukunft könnten auch Smart Meter Gateways eingesetzt werden. Wie sich die Preise entwickeln, ist noch ziemlich unklar.
Man darf bei der Wirtschaftlichkeit auch nicht vergessen, dass es nicht nur eine technische Option für den Direktvermarkter ist, die Anlage steuern zu können, sondern dass er das dann auch tut. Damit gehen dann Ertragsverluste einher. Die Entschädigungszahlung ist vom Direktvermarkter abhängig und sollte bei der Entscheidung für die Umrüstung als Risiko mit aufgenommen werden.
Es ist jedoch anzumerken, dass die Direktvermarkter zuerst die für sie günstigen Anlagen mit einer geringen Einspeisevergütung abregeln werden. Da sie neuere Anlagen im Portfolio haben, bei denen die Vergütung bei zehn Cent pro Kilowattstunde und weniger liegt, ist dieses Risiko für Betreiber von Bestandsanlagen, die in das Marktprämienmodell wechseln, gering.
Bleiben die 0,4 Cent bestehen?
Ein anderes Risiko ist jedoch, dass der 0,4-Cent-Vorteil für Bestandsanlagen, die in die Direktvermarktung wechseln, bei EEG-Novellen reduziert wird. Allerdings hat sich die Regierung eindeutig für das Marktprämienmodell entschieden. Für Neuanlagen ab einer gewissen Größe ist die Direktvermarktung der Normalfall und die Einspeisevergütung die Ausnahme und mit Abschlägen eine Rückfalloption. Jetzt kann man spekulieren, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Vorteil der Direktvermarktung für die Bestandanlagen gestrichen wird, wenn er gleichzeitig bei den Anlagen, die gerade neu gebaut werden, über die Erlösobergrenzen, die ja 20 Jahre gelten, erhalten bleibt. Und wenn die Direktvermarktung verpflichtend wäre, würde die Umstellung sowieso nötig. Man hätte also nichts verloren, wenn man sie jetzt schon in Angriff nähme, außer die Preise für eine Umstellung würden noch sinken.
In absoluten Zahlen sind die Mehreinnahmen bei einem freiwilligen Umstieg auf die Direktvermarktung aber sowieso gering, verglichen mit den Einnahmen, die auch ohne Umstieg kommen (0,2 Cent im Vergleich zu zehn Cent pro Kilowattstunde und mehr). Daher ist fraglich, ob allein die Managementprämie zum Umstieg motivieren kann. Direktvermarkter betonen in diesem Zusammenhang, dass es nicht nur diesen direkten finanziellen Bonus gibt, sondern dass sie sich noch weitere Vorteile vorstellen können. Man könne eine regionale Strommarke aufbauen (pv magazine September 2014, Seite 83) oder am Regelenergiemarkt teilnehmen.
Mitautor Markus Zerer ist Experte bei der Solarpraxis Engineering GmbH. Er berät Betreiber zur Umstellung auf Direktvermarktung und zur technischen Umrüstung. Solarpraxis Engineering hat eine fertige Engineering-Lösung zur Anbindung der Steuerbarkeit entwickelt und bietet ein komplettes Paket mit der Installation über ein flächendeckendes Partnernetzwerk an.

Nettobarwerte für die zusätzlichen Erlöse durch die Direktvermarktung (in Euro)
Größe der Anlage:100 kWp200 kWp300 kWp400 kWp500 kWp1.000 kwp5.000 kWp
Restlaufzeit der Anlage
1179358538717896 1.792 8.962 
23486971.045 1.393 1.742 3.483 17.417
35081.0161.5242.031 2.5395.07925.394 
46581.3171.975 2.633 3.292 6.584 32.919
5800 1.601 2.401 3.201 4.002 8.003 40.017
6934 1.8692.803 3.7374.671 9.343 46.715 
71.061 2.121 3.182 4.243 5.303 10.60753.033 
81.180 2.360 3.540 4.7195.89911.79958.993 
91.292 2.585 3.8775.1696.462 12.923 64.616
101.3982.7974.195 5.594 6.992 13.984 69.921 
111.4992.9974.4965.994 7.493 14.985 74.925 
121.593 3.1864.7796.372 7.965 15.92979.647
131.682 3.364 5.0466.7288.410 16.820 84.100 
141.7663.532 5.2987.064 8.830 17.660 88.302 
151.845 3.691 5.5367.381 9.22718.453 92.266

Diese Tabelle liest man so: Man suche links in der Spalte die Restlaufzeit der Anlage. Das Feld im Schnittpunkt mit der Anlagengröße ergibt den Nettobarwert. Beispiel: Bei einer 300-Kilowatt-Anlage, die noch 13 Jahre EEG-Restlaufzeit hat, ist der Nettobarwert der Investition 5.046 Euro. Davon müssen die Umrüstkosten von zum Beispiel 2.500 Euro abgezogen werden. Es verbleiben 2.546 Euro. Das bedeutet, dass man bei einer Umrüstung heute in den nächsten Jahren so viel Rendite erzielt, wie wenn man 2.546 Euro zu der angenommenen Renditeerwartung verzinst bekommt (wobei der Ertrag eines Jahres jeweils entnommen wird). In dieser Tabelle wurde angenommen, dass die Renditeerwartung sechs Prozent beträgt (nicht inflationsbereinigt), der spezifische Ertrag 950 Kilowattstunden pro Kilowattpeak und Jahr und dass der Betreiber durch die Direktvermarktung einen Bonus von 0,2 Cent pro Kilowattstunde erhält. Die farbig markierten Einträge zeigen, ab welcher Anlagengröße sich die Investition unter diesen Bedingungen für verschiedene Investitionskosten bezahlt gemacht hat (blau: 1.000 Euro, grün: 2.500 Euro, rot: 5.000 Euro).

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