Es ist leicht nachvollziehbar, dass bei einer 2010 errichteten Anlage und einem Schadensfall 2015 eine Differenz zwischen Anlagenneuwert zum Zeitpunkt der Errichtung und Wiederherstellungswert zum Schadenzeitpunkt besteht. Bei einer Zehn-Kilowatt-Anlage und einem Errichterpreis von 2.700 Euro pro Kilowatt im Jahr 2010 wären heute im Totalschadensfall statt 27.000 Euro (Versicherungssumme) noch 15.000 Euro nötig. Die große Frage lautet also: Weshalb Prämie für die höhere Versicherungssumme zahlen, wenn der Versicherer für eine wesentlich niedrigere Summe im Risiko steht?
Die Ausgangssituation
In den 1990er Jahren gab es überwiegend kleine Dachanlagen und wenige, meist einheimische Hersteller von Komponenten. Die Anschaffungskosten lagen bei heute unvorstellbaren rund 13.500 Euro pro Kilowatt Anlagenleistung. Heute liegen die Kosten je Kilowatt bei rund 1.500 Euro. Die Kostenreduzierung von fast 90 Prozent für die Produktion einer Kilowattstunde solaren Stroms seit 1990 ist dem technischen Fortschritt und der globalen Industrialisierung zur Produktion der Komponenten zu verdanken. Derzeit sind in Deutschland rund 1,4 Millionen Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 38,5 Gigawatt installiert. Es gibt keine zuverlässigen Daten darüber, ob und wie diese überwiegend privaten Investitionen versichert sind. Genauso kann nur darüber spekuliert werden, welcher Gesamtwert und damit welches Risiko somit in den Büchern der Versicherungsunternehmen stehen. Mit Blick auf die Ausbaudynamik und die Kostendegression seit Einführung des EEG kann ein Durchschnittswert von 2.700 Euro je Kilowatt Anlagenleistung angenommen werden, ein Gesamt-Neuwert von rund 104 Milliarden Euro.
Diesem Gesamtrisiko steht eine recht übersichtliche Prämieneinnahme der Versicherer gegenüber. Auch hier sind nur Schätzungen möglich, obwohl die Prämien für Photovoltaikanlagen-Versicherungen keineswegs einer derart starken Degression unterlagen wie die Anlagenpreise. Unterstellt man eine durchschnittliche Prämie von 1,70 Euro je 1.000 Euro Anlagenwert, nehmen die Versicherer für dieses Risiko, inklusive des Ertragsausfallrisikos, rund 178 Millionen Euro pro Jahr ein.
Zwei wichtige Argumente
Es sind zwei Entwicklungen, die zu der Frage führen, ob nicht eine Anpassung erforderlich ist: Das ist zum einen der starke Preisverfall für die Anlagen und zum anderen die relativ konstante Prämiensituation. Hintergrund ist die Regulierungspraxis, die sich wiederum an den Versicherungsbedingungen orientiert.
In einem Schadensfall ersetzt der Versicherer die Summe, die für die Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlich ist, hier die Leistung der Photovoltaikanlage. Die Regulierungssumme richtet sich nach dem Neuwert unmittelbar vor Schadenseintritt, und der ist, wie bereits ausgeführt, erheblich niedriger als zum Zeitpunkt der Errichtung.
Für die Prämienbemessung spielt das Alter der Anlage nicht direkt eine Rolle. Die Versicherer fragen in der Regel nach Neuwert (gemeint ist zum Zeitpunkt der Errichtung, wenn keine Neuberechnung vorliegt), Anlagenart und Einspeisevergütung. Allerdings spielt in der Prämienbemessung zunehmend eine Rolle, wie das sogenannte subjektive Schadensrisiko eingeschätzt wird und welche Daten dazu vorliegen. Dazu am Ende noch einige Hinweise.
Leider gibt es keinerlei verlässliche Daten zum Gesamtschadenaufkommen an PV-Anlagen. Infolgedessen ist eine Aussage, ob die Prämieneinnahmen ausreichend und diese sehr spezielle Versicherungsform rentabel ist, nicht möglich. Jeder Betreiber kann dafür die von ihm gezahlten Beiträge den Schadenzahlungen seines Versicherers gegenüberstellen und so seine ganz persönliche Schadenquote berechnen. Diese Aussage kann für eine Neuverhandlung der Vertragskonditionen wichtig sein und dazu führen, dass man für schadensfreie Bestandsanlagen etwas niedrigere Prämien als für Neuanlagen mit dem gleichen Neuwert zahlt.
Bevor die Verhandlungen mit dem Versicherer über Versicherungssumme und Prämie aufgenommen werden, sollte im ersten Schritt eine Neubewertung des Anlagenneuwertes durchgeführt werden. Im besten Fall sollte dazu ein Qualitätserrichter befragt werden, der eine Kalkulation darüber erstellt, wie teuer es ist, heute am gleichen Standort eine Anlage mit der gleichen EEG-Einspeiseleistung zu errichten. Dies ist für die Begründung zur Neufestsetzung der Versicherungssumme wichtig.
Weiterhin sollte geprüft werden, ob im Falle einer Finanzierung die noch vorhandene Restschuld bei den Kreditgebern von den neu berechneten Errichtungskosten und damit der neu festzusetzenden Versicherungssumme gedeckt ist. Die Verhandlungen mit dem Versicherer werden obsolet, wenn nicht die Zustimmung des Kreditgebers zur Neufestsetzung der Versicherungssumme vorliegt, der natürlich mindestens sein Risiko, also die Restschuld, versichert sehen will. Gegebenenfalls wäre die Restschuld als neue Versicherungssumme heranzuziehen.
Für wen es sich lohnt
Sind diese Punkte geklärt, kann das Gespräch mit dem Versicherer gesucht werden. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass das Verhältnis von Aufwand und Nutzen, also den bereits beschriebenen Schritten und der realisierbaren Prämienreduzierung, erst ab einer bestimmten Anlagengröße positiv für den Betreiber wird. Die Versicherungsprämien für eine Anlage bis zehn Kilowatt liegen zwischen 70 und 100 Euro pro Jahr ohne Versicherungssteuer. Das hat sich in den letzten Jahren kaum verändert, da in dieser Leistungsklasse oftmals eine sogenannte Mindestprämie fällig wird. Das heißt, egal ob die Anlage zum jetzigen Zeitpunkt noch günstiger errichtet werden könnte, die Prämie ist nicht reduzierbar. Würde man mit der Durchschnittsprämie von 1,70 Euro rechnen, käme man heute nur auf 25 Euro. Es ist unrealistisch anzunehmen, eine solche Prämie durchsetzen zu können, schon gar nicht als Einzelanlagenbetreiber.
Ebenfalls unrealistisch ist die Annahme, bei größeren Anlagen würde die Versicherungsprämie der Photovoltaikanlagen-Versicherung linear mit der Versicherungssumme fallen. Die ursprünglich kalkulierten Prämien orientierten sich im Wesentlichen an den Risiken, die auch für Maschinen und Anlagen im Freien relevant sind. Dies sind insbesondere Feuer, Naturgefahren wie Sturm, Hagel, Blitzschlag und Schneedruck, aber auch Diebstahl. Im Rahmen einer Allgefahrenversicherung, die eine Photovoltaikanlagen-Versicherung im Kern darstellt, kommen weitere versicherte Gefahren dazu, so zum Beispiel Vandalismus oder Marderbiss. Spezialversicherungsbedingungen bieten wahlweise zusätzlich Deckung, so zum Beispiel innere Betriebsschäden, GAP-Risiko und Minderertrag. Allein aus der Tatsache, dass sich die Wiederherstellungskosten reduziert haben, lässt sich eben nicht auf eine Reduzierung der allgemeinen Risikoumstände schließen.
Trotzdem kann man über die durchschnittliche Prämie von 1,70 Euro je 1.000 Euro Anlagenwert abschätzen, wann sich der Aufwand zur Neuverhandlung lohnen kann. Bei einer 100.000 Euro teuren Photovoltaikanlage werden danach 170 Euro Jahresprämie (zuzüglich 19 Prozent Versicherungssteuer) fällig. Hier lohnt sich der beschriebene Aufwand offensichtlich nicht. Erst ab Anlagenwerten von einer Million Euro und höher wird es langsam interessant. Wer allerdings noch deutlich höhere Prämiensätze in seinem Vertrag stehen hat, kann gegebenenfalls auch schon unterhalb dieser Schwelle mit dem Rechnen beginnen, genauso Betreibergesellschaften mit vielen Anlagen im Portfolio.
Blick über den Gartenzaun
Versicherungsverträge laufen oft drei oder fünf Jahre, weil sich dadurch Rabatte verhandeln lassen. Jeweils zum Ablauf des Versicherungsvertrages, der mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist beendet werden kann, sollte die Überprüfung rechtzeitig auf den Weg gebracht werden. Dabei lohnt sich auch der Blick über den Gartenzaun, denn der Markt von Anbietern von speziellen Photovoltaikanlagen-Versicherungen ist deutlich gewachsen.
Grundsätzlich ist das Thema auch bei den Versicherern angekommen. Die Bereitschaft, über Prämienreduzierungen zu sprechen, hängt von den geschilderten Vorbedingungen und dem Schadenverlauf der Police ab. Zunehmend sind auch sogenannte subjektive Risikomerkmale für die Höhe von Rabatten nicht zu vernachlässigen. Dazu gehören zum Beispiel der Standort, die Art einer wie auch immer gearteten Überwachung oder das Monitoring, das Vorhandensein eines Wartungsvertrages, vorhandener Blitzschutz, ein Errichtungszertifikat, die verbauten Komponenten oder die Nutzung des Gebäudes.
Die Versicherer lassen vermehrt die eigenen Schadenerfahrungen in ihre Kalkulation einfließen, trennen sich unter Umständen sogar von bestimmten Risiken. Die Photovoltaikanlage auf einem Scheunendach, in der hoch brennbare Stoffe wie zum Beispiel Stroh gelagert werden, gehört nicht zu den bevorzugten Anlagen. Hier sollte der Betreiber mit überzogenen Forderungen gegenüber dem Versicherer vorsichtig sein.
Andreas Lietzberät bei BDJ Versicherungsmakler Hersteller, Projektentwickler und Anlagenbetreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu allen relevanten betrieblichen Versicherungen. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe PV-XL des BSW-Solar, in dem BDJ Mitglied ist. BDJ ist ein von Versicherern unabhängiger, inhabergeführter Industrieversicherungsmakler. |
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