Die Mindestpreise und der Markt in Europa

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Wie ist die finanzielle Situation europäischer Solarmodulhersteller im Moment?

Götz Fischbeck: Leider muss man feststellen, dass alle mir bekannten europäischen Solarmodulhersteller auch 2014 Verluste erwirtschaftet haben, wenn man finanzielle Sondereffekte, wie sie sich bei Solarworld durch die Übernahme der Bosch-Produktionsstätten in Arnstadt ergeben haben, außen vor lässt. Trotz gesunkenen Preisdrucks, der im Wesentlichen der Festlegung von Mindesteinfuhrpreisen für chinesische Solarzellen und -module im Sommer 2013 geschuldet ist, war es den verbliebenen Herstellern nicht möglich, 2014 Gewinne zu erzielen.

Hat der Mindestimportpreis für Module aus China in die EU den europäischen Modulherstellern überhaupt genutzt?

Wie bei vielen Fragen ist auch hier die Antwort ja und nein, wobei das Ja überwiegt. Der Mindestpreis hat den Verfall der Modulpreise zeitweise komplett gestoppt und zeitweise deutlich reduziert. Das kann man daran sehen, dass in an die EU angrenzenden Ländern Module zu Preisen angeboten werden, die rund 20 Prozent unter dem Mindestpreis liegen. Die Preise in der Türkei liegen zum Beispiel bei 43 bis 45 Cent pro Watt. Ich gehe davon aus, dass diese Größenordnung auch den Marktpreisen für chinesische Module in der EU entspräche, wenn es den Mindestpreis nicht gäbe.

Was spricht gegen den Nutzen von Mindestpreisen?

Die Mindestpreise beziehen sich nicht nur auf Module, sondern auch auf aus China importierte Solarzellen. Wie sehr die Mindestpreise einem europäischen Hersteller nutzen, hängt also auch davon ab, ob er vollintegriert ist oder Zellen zukaufen muss. Wenn er sie selbst herstellt, tangieren ihn die Mindestpreise für chinesische Zellen nicht. Ist er aber, wie die Mehrzahl der europäischen Hersteller, tatsächlich nur ein reiner Modulhersteller, der seine Zellen importiert, dann ist er mit dem Mindestpreis auf der Zellseite etwas gekniffen. Da hilft es auch nichts, wenn er die Zellen statt in China etwa in Taiwan kauft. Die taiwanesischen Hersteller orientieren sich an dem Mindestpreis für chinesische Zellen, der derzeit bei 26 Cent pro Watt liegt, also bei 50 Prozent des Mindestpreises für Module.

Der Mindestpreis müsste zumindest dabei geholfen haben, den Marktanteil der deutschen Modulhersteller im deutschen Markt zu stabilisieren. Wie hoch ist dieser jetzt?

2014 hatten die deutschen Hersteller hierzulande einen Marktanteil von rund 20 bis 22 Prozent. Gegenüber 2013, als der kumulierte Marktanteil bei rund fünf Prozent lag, ist das eine erhebliche Steigerung. Die Zahlen basieren auf den Angaben der vier größten Hersteller. Für die weiteren Modulhersteller haben wir Schätzungen vorgenommen, welche wir mit Großhändlern und Installateuren abgeglichen haben (siehe Grafik). Mit Sicherheit kann ich sagen, dass der Marktanteil der deutschen Modulhersteller 2014 unter 25 Prozent lag. EU-weit ist der Marktanteil übrigens noch niedriger. Das liegt nicht zuletzt an der Nachfragestruktur des Marktes in Großbritannien, der 2014 der größte Markt in Europa war. Die dortige Nachfrage wird vor allem von Großanlagen getrieben, und diese Anlagen werden zu mehr als 90 Prozent mit chinesischen Modulen bestückt.

Solarworld ist der größte europäische Hersteller. Wie hat sich der Marktanteil des Unternehmens entwickelt?

Aus den Quartalsberichten von Solarworld geht hervor, wie viele Megawatt das Unternehmen in Deutschland absetzen konnte. Die abgesetzten Mengen sind in den ersten neun Monaten 2014 im Vergleich zu 2013 um rund 30 Prozent angestiegen. Da der Markt geschrumpft ist, bedeutet das einen deutlichen Marktanteilsgewinn. Andererseits muss man auch berücksichtigen, dass Solarworld 2013 vergleichsweise wenig abgesetzt hat. Das hatte viel mit der finanziellen Schieflage des Unternehmens zu tun. Installateure und Kunden waren sehr verunsichert, ob das Unternehmen überhaupt überleben würde. Auch das Projektgeschäft von Solarworld litt damals massiv unter den finanziellen Engpässen. Deswegen hat der Marktanteilsgewinn nicht nur etwas mit Mindestpreisen zu tun, sondern auch mit unternehmensspezifischen Faktoren. Außerdem resultiert er daher, dass in Deutschland die Nachfrage in den verschiedenen Segmenten unterschiedlich stark zurückgegangen ist. Solarworld hatte in Deutschland schon immer in den kleineren Anlagensegmenten höhere Marktanteile als im Gesamtmarkt. Insgesamt sind die kleineren Segmente von dem Nachfrageeinbruch nicht ganz so stark betroffen gewesen. Auch dieser Umstand hat zur Erhöhung von Solarworlds Marktanteil beigetragen.

Wie ist die finanzielle Situation von Solarworld heute?

Solarworld hat 2014 weiterhin rote Zahlen geschrieben. Auf Quartalsbasis lässt sich aber ein Aufwärtstrend erkennen. Die entscheidende Kennzahl ist das EBITDA, also das operative Ergebnis vor Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte. Diese Kenngröße liefert eine Aussage über die operative Leistungskraft des Unternehmens vor Berücksichtigung des Investitionsaufwands. Da Solarworld in den vergangenen Jahren seine Investitionen drastisch heruntergefahren hat, liefert diese Zahl eine Aussage darüber, ob das Unternehmen seinen finanziellen Verpflichtungen etwa gegenüber den Gläubigern nachkommen kann. Hatte Solarworld 2013 noch in jedem Quartal ein negatives EBITDA erwirtschaftet, so ist es im dritten Quartal 2014 gelungen, erstmals wieder ein positives EBITDA auszuweisen.

Wie sah das EBITDA bei Solarworld im Gesamtjahr aus?

Nach der Vorlage der vorläufigen Zahlen von Anfang Februar ist es Solarworld sogar gelungen, auf bereinigter Basis im Gesamtjahr 2014 eine schwarze Null beim EBITDA zu erreichen. Zum Halbjahr stand da noch ein Fehlbetrag von 15 Millionen Euro. 2015 wird das Jahr der Wahrheit für Solarworld. Das Unternehmen muss beweisen, dass der EBITDA-Trend weiter nach oben geht, damit auch wie geplant am Ende von 2015 ein positives operatives Ergebnis ausgewiesen werden kann.

Die rund 22 Prozent Marktanteil der deutschen Modulhersteller hören sich nicht gerade nach einem großen Erfolg an. Warum gewinnen die deutschen Hersteller nicht mehr Marktanteile hinzu?

Das hängt nicht zuletzt mit der Preisgestaltung der Hersteller zusammen. In der Regel verkauft keiner der deutschen Anbieter zu den Mindestpreisen, die für aus China importierte Module gelten, sondern weiterhin zu Preisen, die darüber liegen. Die deutschen Hersteller begreifen sich als Premiumhersteller und bringen diesen Anspruch auch in ihren Verkaufspreisen zum Ausdruck. Wenn man einmal als Anbieter ein Preisniveau unterschritten hat, ist es fast nicht mehr möglich, am Markt wieder einen höheren Preis durchzusetzen. Es hat einzelne Beispiele gegeben, insbesondere wenn größere Mengen gehandelt wurden, dass deutsche Hersteller mit aggressiven Preisen in den Markt gegangen sind, die teilweise unter den Mindesteinfuhrpreisen lagen. Das ist aber immer noch die Ausnahme.

Also ist es anscheinend weniger wichtig, Marktanteile zu erhöhen. Können die Hersteller ihre Module denn in andere Märkte verkaufen und sind sie ausgelastet?

Es ist gerade sehr spannend, was im Markt stattfindet. Das zeigt das Beispiel Solar-Fabrik. Im ersten Halbjahr 2014 war der Modulhersteller laut Geschäftsbericht sehr gut ausgelastet. Das dürfte auch für andere deutsche Hersteller zutreffend gewesen sein. Daher haben sie keine Veranlassung gesehen, mit den Preisen herunterzugehen. Solar-Fabrik hat dann im Sommer sogar die Fertigungskapazitäten von der Centrosolar in Wismar übernommen. Nach dem Nachfrageeinbruch, der durch die EEG-Novelle im August eingetreten ist, hat das Unternehmen im Dezember mitgeteilt, Kurzarbeit an allen Produktionsstandorten anzuordnen, also sowohl in Wismar als auch in Freiburg. Die Fabriken sind also nicht mehr ausreichend ausgelastet. Inzwischen hat sich die Situation bei der Solar-Fabrik so weit verschärft, dass das Management ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragen musste.

Welche Reaktionen der deutschen und europäischen Hersteller auf den Nachfrageeinbruch sind zu erwarten?

In dieser Situation wird es sehr interessant sein zu sehen, wie stark die europäischen Hersteller jetzt versuchen werden, über Preisabschläge ihren Absatz zu erhöhen. Da wird es dann übrigens problematisch, wenn man die Zellen nicht selbst produziert, sondern einkauft. Wenn man Zellen zu rund 26 Cent pro Watt bezieht, kann man Module nicht für unter 50 Cent verkaufen, wenn man dabei nicht drauflegen will.

Was geschieht, wenn die Mindestpreisregelung irgendwann ausläuft?

Die Mindestpreisregelung ist erst einmal bis Ende dieses Jahres festgeschrieben. Bis dahin muss entschieden werden, ob sie verlängert, angepasst oder abgeschafft wird. Die große Frage ist, ob diese Zeit für die verbliebenen Hersteller ausreicht, um ihre Kostenstrukturen entsprechend anzupassen oder attraktive Marktnischen zu finden.

Wie sehr wird der Zubau steigen, wenn die Mindestpreisregelung ausläuft und Module 20 Prozent billiger werden?

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei günstigeren Preisen für die Module wieder mehr Anlagen in Europa errichtet würden. Andererseits sieht man, da die Modulpreise nicht mehr großartig verhandelt werden können, dass stattdessen die Preise der anderen Komponenten, zum Beispiel der Wechselrichter, massiv unter Druck geraten sind. Das spiegelt sich dann in der wirtschaftlichen Entwicklung von SMA und anderen Wechselrichterherstellern wider. In dem Maße, in dem Module billiger würden, würden die anderen Komponentenhersteller versuchen, etwas von dem Druck, unter dem sie jetzt seit anderthalb Jahren verschärft ächzen, wieder loszuwerden. Ob sie das wirklich in Preissteigerungen ummünzen können, sei mal dahingestellt, aber zumindest würden sie dann versuchen, nicht mehr weiter mit den Preisen runtergehen zu müssen. Eine zuverlässige Prognose, um wie viel Prozent die Gesamtnachfrage in Europa steigen würde, wenn die Module im Schnitt 20 Prozent billiger wären, lässt sich nicht seriös machen. Wie wir gerade in Deutschland sehen, spielen die Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen mindestens eine ebenso große Rolle wie die Preisentwicklung für eine Solaranlage. Ich denke, es ist an der Zeit, sich einzugestehen, dass die Politik mit den restriktiven Eingriffen in die Rahmenbedingungen für Photovoltaikanlagen in den vergangenen zwei Jahren weit über das Ziel hinausgeschossen ist. Deutschland hat sein Zubauziel 2014 deutlich verfehlt, und die angekündigten Ausschreibungsverfahren für Freiflächenanlagen sind nicht dazu angetan, dass der Zubau 2015 in Summe höher ausfallen wird.

Wenn man sich anschaut, was momentan bei Solar-Fabrik, Hanwha Q-Cells und SMA passiert ist, werden wir da nicht gerade Zeugen des Aussterbens der deutschen Photovoltaikindustrie?

Die Entwicklungen sind in der Tat dramatisch, und eine Verbesserung zeichnet sich derzeit noch nicht ab. Solange die Nachfrage in Europa weiter rückläufig ist, wird es schwer für europäische Anbieter, eine auskömmliche Nische zu finden. Die EU muss sich dringend fragen, wie sie ihre Umwelt- und Klimaziele erreichen will, wenn sich der europäische Photovoltaikmarkt auf ein jährliches Volumen von sechs bis acht Gigawatt einpendelt. Ohne neue Impulse wird Europa unweigerlich seine Rolle als Innovationsführer auf dem Sektor der Erneuerbaren einbüßen. Das hätte dann auch dramatische Konsequenzen für die noch verbliebenen Hersteller und deren Mitarbeiter.

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