Modulproduktion in Deutschland – ein Modell mit Zukunft?

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2013 ist jeder dritte Arbeitsplatz in der Solarindustrie in Deutschland verloren gegangen. Es ist eine Schlagzeile, die es bis in die Tagesschau schafft. Ein genauer Blick zeigt, dass sich die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes ausschließlich auf die Herstellung von Solarzellen und Solarmodulen beziehen. Da ist der Abbau wirklich dramatisch: Die Zahl der Beschäftigten in der Fertigung sank von 10.200 Anfang 2012 auf 4.800 Menschen am Ende des vergangenen Jahres.

Andererseits: Es gibt sie noch – die Produktion von Solarmodulen in Deutschland. Wie können diese Arbeitsplätze auch in Zukunft am Standort Deutschland erhalten bleiben? Exemplarisch hat pv magazine drei kristalline Hersteller herausgegriffen, die derzeit Jobs in der Solarindustrie in Deutschland sichern. Zum einen Solarworld, das mitten in der eigenen Entschuldung mit seiner Übernahme des Bosch-Solar-Werks in Arnstadt für Aufsehen sorgte. Es ist damit der erste und einzige deutsche Hersteller mit einer Produktionskapazität von mehr als einem Gigawatt, wobei 70 Prozent der Fertigung in Deutschland und der Rest in den USA angesiedelt sind.

Weitere Beispiele für erfolgreiche Modulfertigungen in Deutschland können Hanwha Q-Cells und Astronergy liefern. Erstere haben mit Hanwha einen starken Finanzpartner im Hintergrund. Seine Solarsparte hat der koreanische Mischkonzern mit der Übernahme des chinesischen Modulherstellers Solarfun vor einigen Jahren aufgebaut. Doch angesichts von Importzöllen und vagabundierenden Wachstumsmärkten weltweit ist es vorteilhaft, in vielen Regionen präsent zu sein. Außerdem hat sich Hanwha mit der Q-Cells-Übernahme eine etablierte Marke an Land gezogen. Ähnlich gelagert dürften die Beweggründe von Astronergy gewesen sein. Der chinesische Konzern, der zur Chint-Gruppe gehört, hat zum Jahreswechsel die Modulproduktion von Conergy in Frankfurt (Oder) übernommen. Astronergy hat aber „nur“ die Maschinen-Assets gekauft und Mitarbeiter der Modulfertigung übernommen. Die Marke Conergy hat der US-Finanzinvestor Kawa erworben. Dennoch beschäftigt Astronergy zunächst einmal 210 der 280 Mitarbeiter weiter, und es könnten bald noch mehr werden.

Den Modulproduzenten in Deutschland haftet allgemein der Ruf an, zu teuer zu sein. „Die chinesischen Hersteller können 10 bis 20 Prozent günstiger operieren, wenn ihre Fabriken ausgelastet sind“, sagt Henning Wicht, Senior Director von IHS Global, allerdings ohne konkrete Zahlen zu nennen. NPD Solarbuzz veröffentlichte im Januar aktuelle Zahlen zu Produktionskosten der größten Modulhersteller weltweit. Vizepräsident Finlay Colville schätzt den Unterschied auf 0,20 bis 0,25 US-Dollar pro Watt zwischen asiatischen und europäischen Herstellern bei den Produktionskosten – will aber auch keine konkreten Zahlen nennen. Mit Jinko Solar habe aber der erste chinesische Produzent sogar die Marke von 0,5 US-Dollar pro Watt, was etwa 36,5 Eurocent entspricht, nach unten durchbrochen. Die Zahlen selbst lassen sich nur schwer verifizieren.

Wenn man die Vertreter der Hersteller direkt befragt, lassen sich auch diese wie erwartet nicht in die Karten schauen. Doch die Aussagen unterscheiden sich von denen der Analysten. „Wir haben erhebliche Fortschritte bei den Kosten gemacht, gerade im Zusammenspiel mit Bosch Solar“, sagt etwa Solarworld-Konzernsprecher Milan Nitzschke. Das Unternehmen verfügt nach der Übernahme des Bosch-Solar-Werks über Fertigungen im sächsischen Freiberg und thüringischen Arnstadt. „Wir sind konkurrenzfähig zu den chinesischen Herstellern, wenn man die realen Produktionskosten betrachtet“, sagt Nitzschke weiter. Chinesische Hersteller könnten ihre Preise oft drücken, weil sie staatliche Kredite oder Zuschüsse etwa für Strom erhielten.

Harald Binder, Geschäftsführer der BTC Technologies, präzisiert dies. Es gebe vor allem einen großen Kampf der Regionen in China, die mit Krediten und durch ein Vorhalten der Infrastruktur um die Hersteller buhlten. Dies mache sich auch gerade bei der kristallinen Zellfertigung bemerkbar. In diesem für die Kosten der Modulfertigung so elementaren Bereich könnten die chinesischen Hersteller erhebliche Vorteile gegenüber der deutschen Konkurrenz erzielen, sagt Binder. Diese Vorteile dürfte es theoretisch aber gar nicht geben. Die Ausstattung der Fabriken koste überall dasselbe. „Wenn alle mit den gleichen Karten spielen würden, dann wäre in China die Produktion genauso teuer wie hierzulande“, erklärt Binder.

Etwas anders ist die Einschätzung von Thomas Volz, Geschäftsführer der Astronergy GmbH in Deutschland, zumindest wenn es um den Bau eines neuen Werks geht. „Ich denke nicht, dass es derzeit möglich wäre, eine neue Fabrik für die Produktion von herkömmlichen Solarmodulen in Deutschland zu bauen, um damit kurzfristig wettbewerbsfähig zu sein. Nur in hochpreisigen Nischenbereichen wäre das aus meiner Sicht möglich“, sagt er. Mit den richtigen Voraussetzungen sieht Volz aber ebenfalls eine Wettbewerbsfähigkeit der Modulproduktion hierzulande.

Aufgrund der hohen Auslastung seiner Kapazitäten in China habe sich Astronergy nach einem neuen Produktionsstandort umgeschaut. Ursprünglich plante der chinesische Konzern, ein Werk in Osteuropa zu bauen, um näher an den Märkten in Europa zu sein. Auch angesichts der Importbeschränkungen der EU hielt Astronergy eine Investition in Europa für sinnvoll, sagt Volz. Mit der Insolvenz von Conergy habe sich dann aber eine gute Möglichkeit geboten, direkt in Deutschland zu investieren. Vor allem der hohe Automatisierungsgrad der Fertigung und die gute Ausbildung der Mitarbeiter hätten als Argumente für den Kauf gesprochen. Daneben seien die hohen Standards beim Qualitätsmanagement ausschlaggebend für Astronergy gewesen. Volz beziffert die Reklamationsrate für die in Frankfurt an der Oder gefertigten Solarmodule von Conergy mit 0,0045 Prozent. Henning Wicht sieht die Bedeutung der Marke Conergy als einen weiteren Grund für die Kaufentscheidung. Der chinesische Hersteller sei zwar von den Kapazitäten her schon vorher groß gewesen, aber kaum international präsent. „Mit der Conergy-Übernahme haben sie ein anderes Standing in Europa.“ Sie werden herausstellen, dass sie auch weiterhin die Marke Conergy produzieren, wie IHS-Analyst Wicht erwartet.

Die Produktionslinien in dem ehemaligen Conergy-Modulwerk sind von 2008. „Wir sind dabei, drei Linien mit einer Gesamtkapazität von 180 Megawatt hochzufahren“, sagt Volz. Es seien auch Nachrüstungen, Reparaturen und Erneuerungen bei den Produktionslinien notwendig, die zusätzliche Investitionen erforderten. Doch die Kundennachfrage komme schneller als erwartet. Es werde weiterhin eine OEM-Fertigung von Conergy-Modulen in Frankfurt (Oder) geben. Zwei große OEM-Partner seien bereits an Bord und Aufträge weiterer OEM-Kunden zeichneten sich ab. Bereits im zweiten Quartal sei daher denkbar, zwei weitere Produktionslinien hochzufahren und damit früher als ursprünglich geplant. In der Folge könnten auch noch weitere Mitarbeiter zurückgeholt werden. „Eine verlängerte Werkbank von China in Richtung Deutschland ist doch eine bemerkenswerte Umkehr, aber auch kein Selbstläufer“, sagte Thomas Volz weiter. Die Konstellation sei aber gut, um es zu einer Erfolgsstory zu machen.

Mit dem neuen Eigentümer Astronergy werden die Kosten für die Fertigung in dem deutschen Werk voraussichtlich sinken. Volz gibt mehrere Gründe dafür an. Insgesamt verfügt Astronergy nun über eine Fertigungskapazität von mehr als einem Gigawatt. Mit der chinesischen Mutter im Rücken habe man jetzt eine stärkere Einkaufsmacht als vorher Conergy. Dabei werde viel über die chinesische Zentrale abgewickelt, die etwa das Sourcing der chinesischen Komponenten sowie deren Qualitätsprüfung vor Ort übernehme, sagt Volz. Auch bei den eingesetzten Komponenten gebe es einige Veränderungen. So werde künftig eine Anschlussdose aus China und nicht mehr aus Deutschland in den Modulen verbaut. Hinzu kämen Synergieeffekte durch die Vertriebszentrale und der Wegfall von Overhead-Kosten. „Das Kostenniveau für die Produktion wird deutlich unter den festgelegten Mindestimportpreisen für chinesische Solarmodule liegen“, sagt Volz. Die Einschätzung, dass in Deutschland mittlerweile eine Modulproduktion unter den EU-Mindestimportpreisen für kristalline Module aus China möglich ist, bestätigt auch Henning Wicht. „Ich glaube, dass die Besseren und die Größeren in Deutschland unter diesen 56 Eurocent Solarmodule produzieren können.“

Im Zuge der weltweit aufkommenden Handelsstreitigkeiten suchte auch Hanwha nach einer Möglichkeit, seine Position in Europa zu stärken. Die Insolvenz von Q Cells dürfte eine günstige Gelegenheit gewesen sein, sich eine etablierte Marke in der Solarindustrie sowie deutsches Know-how zu sichern. Die Fertigung von Solarmodulen in Deutschland ist mit einer Kapazität von 120 Megawatt überschaubar. „Labor und Denkfabrik allein reichen in Deutschland nicht aus, um Produkte und Lösungen schnell zur Marktreife zu bringen. Es braucht auch eine Massenfertigung in Deutschland, um die Forschungsergebnisse rasch in die Massenproduktion zu überführen“, sagt Jochen Endle, Sprecher von Hanwha Q Cells. Speziell in Deutschland gehe es darum, Innovationen, Produkte und Anwendungen zu entwickeln, die auf die Senkung der Stromgestehungskosten, den Bereich EPC sowie Möglichkeiten der Projektentwicklung abzielen. Die Kostenstruktur in Deutschland sei dabei schon eine andere als in anderen Ländern, räumt Endle ein. Dies dürfte ein Grund sein, warum die Massenfertigung der Module von zwei zertifizierten Partnern im Ausland übernommen wird. Die großen OEM-Fertigungen der Solarmodule erfolgten in der EU und Asien, sagt Endle. Aktuell werden die Fertigungskapazitäten für Solarzellen in Malaysia auf 1,1 Gigawatt weiter ausgebaut. Am deutschen Standort wird es hingegen vorerst keine Veränderungen geben.

Diese Beispiele zeigen auch einen Trend auf. Kleinere Produktionslinien verschwinden zunehmend vom Markt, teilweise durch Insolvenzen, aber auch durch Übernahmen durch größere Hersteller. Die großen Produzenten, die bereits Kapazitäten in Dimensionen von ein bis zwei Gigawatt haben, sehen sich damit im anhaltenden Konsolidierungsprozess gestärkt. Mitten in die Stilllegung oder dem Aufkauf vieler Produktionen in Deutschland kommt daher die etwas überraschende Ankündigung einer sogenannten X-Gigawatt-Fabrik. Zu Jahresanfang äußerte sich der Direktor des Fraunhofer ISE, Eicke Weber, dazu, der die Idee bereits seit Jahren im Kopf hat. Auch der französische Präsident François Hollande wirbt bei einem öffentlichen Auftritt dafür, dass Frankreich und Deutschland nach dem Airbus-Vorbild eine große Fertigung in Europa aufbauen sollten. Dieser Vergleich hinkt allerdings, da sich die Herstellung eines Flugzeugs nur schwerlich mit der Produktion von Solarmodulen vergleichen lässt.

Erste Details, wie sich Wissenschaftler und Politiker eine Fertigung im Gigawatt-Maßstab vorstellen, findet man in einer Studie des Umweltministeriums von Baden-Württemberg auf. Die beiden Fraunhofer-Institute IPA und ISE waren mit der „Studie zu Planung und Aufbau einer X-GW-Fabrik zur Produktion zukunftsweisender Photovoltaikprodukte in Deutschland“ beauftragt worden (siehe dazu Seite 80). Bis 2017 sollte demnach im Südwesten Deutschlands eine „hochintegrierte europäische PV-Fabrik der zweiten Generation“ entstehen, die Solarmodule für den Weltmarkt fertigt. Die Wissenschaftler setzen auf eine starke weitere Kostenreduktion durch die Nutzung von Zelltechnologie der nächsten Generation und eine flexible, hochautomatisierte Verbundproduktion im Gigawatt-Maßstab mit reduzierten Personalkosten, höchster Qualität sowie bedeutenden Energie- und Materialeinsparungen, wie es in der Studie heißt. Bei der Investition in Höhe von einer Milliarde Euro seien Herstellungskosten von unter 40 Eurocent je Wattpeak möglich. Damit könnten die Produktionskosten etwa 20 Prozent unter dem aktuellen Niveau liegen.

Innerhalb der Solarindustrie ist das Projekt nicht unumstritten. Die Frage ist, wie muss eine solche Gigawatt-Fertigung aufgebaut sein, damit sie eine wirkliche Konkurrenz zu den großen asiatischen Herstellern auf dem Weltmarkt sein kann? Im Umkehrschluss könnte sie auch den in Europa verbliebenen Produzenten wichtige Marktanteile streitig machen. Daher wird in der X-Gigawatt-Fabrik eher eine Initiative der Maschinenbauer gesehen, für die es ein lohnenswertes Projekt sein kann. „Der Plan für die Gigawatt-Fabrik kommt von Leuten, die ich sehr schätze. Aber es braucht nun einen Partner, der sich in einem Geschäft mit hohen Stückzahlen und niedrigen Margen auskennt“, sagt Henning Wicht. Milan Nitzschke von Solarworld ist ebenfalls sehr skeptisch: „Die Gigawatt-Fab ist eine Fata Morgana, die genauso wenig Realität wird wie Desertec.“ Der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) versucht, etwas mehr Optimismus zu verbreiten. Allerdings seien noch viele Fragen offen, sagt Florian Wessendorf, Geschäftsführer des VDMA Photovoltaik-Produktionsmittel. „Wer soll die Produkte kaufen, wer soll die Module vertreiben und vermarkten?“

Wessendorf sieht die Prognosen für Modulproduktion in Deutschland nach eigenen Aussagen „nicht ganz so düster wie viele andere Experten“. Für ihn gibt es zwei Zukunftsszenarien. Das erste laute „local for global“ und sei eine Parallele zur Halbleiterindustrie. Die Produktion beschränke sich dabei auf wenige Länder, die spezielle Technologien herstellten. Das zweite Szenario sei „local for local“, das auf kleinere Produktionen nahe der Endkundenmärkte setze. Die Modulherstellung bewege sich derzeit irgendwo dazwischen. Dennoch schließt Wessendorf nicht aus, dass das zweite Szenario kommen wird. „Angesichts der sinkenden Modulpreise werden die Transportkosten noch mal aufs Tapet kommen“, sagt der VDMA-Geschäftsführer. Er sieht derzeit Produktionskostenvorteile bei den chinesischen Herstellern. Doch auch in China gebe es steigende Lohnkosten. Mittelfristig könnte es daher eine Perspektive für die nah am Endkundenmarkt produzierenden deutschen Hersteller geben. Ein wichtiger Faktor sei, dass sie ihre Marke stärken und ihren Technologievorsprung weiter halten. „Ich bin überzeugt, dass es in Deutschland, aber auch in Europa eine Produktion von Modulen geben wird“, sagt Wessendorf. Martin Schachinger, Gründer von pvXchange, bestätigt, dass Endkunden in Deutschland oder Europa auch bereit seien, leicht höhere Preise für Solarmodule zu zahlen, die in der Region gefertigt würden, sofern der Hersteller dahinter solide genug sei, die nächsten Jahre zu überleben. „Die zahlreichen Insolvenzmeldungen haben mittlerweile selbst die Endverbraucher misstrauisch werden lassen“, sagt Schachinger.

Blick in die Zukunft

Wichtig für die Hersteller ist auch, dass der deutsche Markt erhalten bleibt. Milan Nitzschke von Solarworld hofft, dass die bisher diskutierten EEG-Reformpläne noch geändert werden. 50 Prozent der derzeitigen Geschäftsmodelle für Dachanlagen basierten auf Eigenverbrauch. „Die Politik muss daher die Bagatellgrenze so gestalten, dass die Modelle auch erhalten bleiben“, sagt Nitzschke. IHS-Analyst Henning Wicht geht hingegen davon aus, dass der europäische Markt insgesamt weiter an Bedeutung verlieren wird. Er sagt, die Mindestpreisvereinbarung gibt den Herstellern in Deutschland und Europa nun zwei Jahre Luft. In dieser Zeit müssten sie aber nach neuen Optionen und Geschäftsmodellen Ausschau halten. Denn als reiner Modulproduzent dürfte die Zukunft schwer werden. Doch das treffe nicht nur für Hersteller aus Deutschland zu.

Ein Zukunftsszenario der globalen Modulfertigung könnte Henning Wicht zufolge noch in eine ganz andere Richtung gehen. Es sei nicht auszuschließen, dass in einigen Jahren große Auftragsfertiger wie Jabil oder Flextronics gegen die größten chinesischen Hersteller um die Marktmacht kämpfen werden. Den deutschen Herstellern empfiehlt er daher, sich eher auf ihr Ingenieurs-Know-how zu konzentrieren, als unbedingt zu versuchen, im Preiskampf zu bestehen. Denn das steht für Wicht fest: „Der Preiskampf wird weitergehen.“ Die Fokussierung der deutschen Hersteller auf das Alleinstellungsmerkmal Qualität werde nicht ausreichen, um zu überleben. Es gebe bereits chinesische Solarmodule, die den Qualitätsstandards genügten und einfach günstiger seien. Dabei sieht Wicht einen entscheidenden Unterschied beim Qualitätsgedanken. „An der Qualität zu sparen, haben wir in Deutschland einfach nicht gelernt.“

Eine Zukunftsprognose für die Modulfertigung fällt schwer. Wicht hat Zweifel, dass Firmen wie Hanwha oder Astronergy auf Dauer nicht rentable Produktionen in Deutschland finanzieren. „Wenn Hanwha in zwei Jahren Bilanz zieht und sich herausstellt, dass Deutschland nicht so effektiv ist, dann könnte der Standort wieder gestrichen werden. Das Gleiche kann bei Astronergy passieren“, sagt Wicht. Thomas Volz gibt zu, dass es für Astronergy die entscheidende Frage ist, ob das Werk in Frankfurt (Oder) nach einer Anlaufzeit profitabel sein wird. Davon werde letztlich auch abhängen, ob die chinesische Mutter den Standort weiter ausbaut oder wieder schließt. „Astronergy und Chint sind dabei sicher nicht so geduldig wie andere deutsche Unternehmen in der Vergangenheit“, sagt Volz.

Branchenkenner Martin Schachinger ist überzeugt, dass Hanwha und Astronergy nicht die letzten Käufer für deutsche Modulfertigungen gewesen sind. Es gebe Investoren, die sich gerade in Europa umschauten. Ein lohnendes Modell könnte dabei die Übernahme deutscher Produktionen zu geringen Kaufpreisen sein. Die jüngste Ankündigung von Aleo Solar, seine Produktion in Prenzlau für einen Euro an ein asiatisches Konsortium zu verkaufen, scheint dies zu bestätigen. Zwar wird bei Aleo Solar ein Großteil der Arbeitsplätze wegfallen, aber immerhin 200 Mitarbeiter sollen auch künftig in Deutschland monokristalline Hochleistungsmodule fertigen.

Im Hintergrund ist dabei Bosch aktiv, das mit gut 90 Prozent an Aleo Solar beteiligt war. Der Konzern hat trotz seines Ausstiegs aus der kristallinen Modulfertigung aus Imagegründen ein großes Interesse daran, dass die Arbeitsplätze nicht gänzlich verschwinden. Sowohl bei Aleo Solar als auch bei Solarworld wird Bosch in den nächsten Jahren auftretende Verluste ausgleichen. Experten bewerten es deshalb unisono als klugen Schachzug, dass Solarworld das Werk von Bosch Solar in Arnstadt übernommen hat. Mit den neuen Investoren konnte immerhin rund die Hälfte der knapp 2.000 Arbeitsplätze bei Bosch Solar und Aleo Solar in Deutschland erhalten werden.

Der Wirtschaftsforscher von der TU Berlin, Rainer Quitzow, gibt dazu noch einen schönen Denkanstoß. Es sei schade, dass Bosch zum falschen Zeitpunkt in das Photovoltaikgeschäft in Deutschland eingestiegen sei. „Wäre es nicht die viel bessere Variante gewesen, wenn ein Konzern wie Bosch jetzt Solarworld übernommen hätte und nicht umgekehrt?“ (Sandra Enkhardt)

Verfügbare jährliche Kapazitäten für die Produktion kristalliner Solarmodule in Deutschland(Stand Jahresende 2013)
Herstellerneue Eigentümer nach ÜbernahmenKapazität in Megawatt
Aleo SolarSCP Solar GmbH (Februar 2014)*280
AlfasolarBozankaya-Gruppe (September 2013)40
Bosch SolarSolarworld AG (November 2013)*200
CentrosolarInsolvenzverfahren und Investorensuche läuft350
ConergyAstronergy (Dezember 2013)460
Hanwha Q-CellsHanwha (Oktober 2012)120
Heckert Solar170
Solar Direct Group60
Solar-Fabrik210
Solarwatt200
Solarworld500
SolonMicrosol (März 2012)80
Total2.670
* Übernahmen noch nicht endgültig abgeschlossenHinweis: Es sind nur Hersteller mit einer Kapazität von mindestens 40 Megawatt enthalten. Einige der Hersteller befanden sich 2013 in instabilen finanziellen Umständen und/oder verfügten nur über eine sehr geringe Auslastung. Die Angaben stammen von IHS.

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