Gigawatt-Fabrik: Viele Antworten und einige Fragen

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Die Nachricht, dass es ernsthafte Versuche zur Realisierung einer Gigawattfabrik in Europa gibt, sorgte Mitte Januar in der Fachwelt für Furore. Sie fiel auch mit der Idee des französischen Präsidenten Francois Hollande für eine Art deutsch-französischen Energiewende-Airbus zusammen.

Der nächste Schritt folgte kurz darauf. Am 21. Februar haben das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA beim Baden-Württembergischen Umweltministerium eine Studie zu einer Gigawattfabrik zur Diskussion gestellt. Die Institute halten die Fabrik für wichtig, um die Technologieführerschaft der europäischen Maschinenbauer und Forschungsinstitute zu halten.

Wer aber erwartete, mit der Studie zu erfahren, wie solch eine Fabrik umgesetzt, das heißt finanziert werden könne, wurde enttäuscht. Trotzdem enthält sie viele wertvolle Informationen.

Die Wissenschaftler haben im ersten Teil der Studie akribisch die Kosten einer solchen Produktion für einen Standort in Süddeutschland recherchiert, und das für verschiedene Produktionsgrößen von 0,5 bis 5 Gigawatt Modulleistung pro Jahr. Dazu bestimmen sie die so genannte Total Cost of Ownership, also die Gesamtbetriebskosten, für eine vertikal integrierte Fabrik die im Jahr 2017 ihre Produktion aufnimmt. Die Modulkosten pro Kilowattpeak ergeben sich aus den Gesamtbetriebskosten dividiert durch die produzierte Leistung, summiert über alle Jahre. Im zweiten Teil der Studie untersuchen die Autoren die Auswirkung auf das Umfeld.

Mengenrabatt ist real

In der Studie sieht man zum ersten Mal Daten zur Kostenersparnis bei Materialien offengelegt, die sich aus der Skalierung zu größeren Einheiten ergibt. Das Konzept „größer, größer“ lohnt sich danach wirklich, was auch ein neues Licht auf die gegenwärtige Situation auf dem Modulmarkt wirft. In Punkto Größe haben die chinesischen Hersteller bei kristallinen Modulen die anderen schließlich weit abgehängt.

Die Autoren der Studie haben für dieses Ergebnis 122 Anbieter nach Preisen in Abhängigkeit von der Abnahmemenge angefragt. Besonders groß, so zeigt sich, sind die Skaleneffekte beim Siliziumeinkauf. Bei der Abnahme der doppelten Menge sinkt der Preis um sechs Prozent. Beim Aluminiumrahmen sinkt er um 2,5 Prozent und beim Solarglas um vier Prozent. Diese drei Komponenten tragen am meisten zu den Modulkosten bei. Es fällt jedoch auf, dass die Energie- und die Wartungskosten bei einer Vergrößerung der Fabrik noch deutlich stärker sinken.

Die Forscher untersuchen die Produktionskosten für drei Technologien. Zum einen die Glas-Folie-Module aus monokristallinen PERC-Zellen. Diese Technologie wird derzeit bereits von manchen Herstellern produziert. Die zweite Technologie sind bifaziale Glas-Glas-Module mit der so genannten BSK-Technologie. Das ist eine Weiterentwicklung der PERC Zellen, bei der der Emitter der Zelle durch Bohrungen bis zur Zellrückseite geführt wird. Als drittes untersuchten sie eine CIGS-Fertigung.

Kapitalkosten eingepreist

Die Technologien unterscheiden sich nicht nur in den Investitions- und Betriebskosten, sondern auch in den Kapitalkosten. Für die PERC-Fabrik nehmen die Autoren sechs Prozent (WACC) an. Eine Fabrik für die anderen beiden Technologien ist etwas riskanter, da noch nie Fertigungen in diesem Maßstab umgesetzt wurden. Daher steigen die Finanzierungskosten auf neun Prozent. Wenn die Anlage rein kreditfinanziert wäre, sind die Kosten als Zinsen in der Rechnung hinterlegt. Wenn ein Investor 50 Prozent Eigenkapital mitbringt und die anderen 50 Prozent für diesen Zinssatz erhält, wäre das auch die Eigenkapitalrendite. Gesetzt den Fall, die Module können auch für den Preis verkauft werden, den die Wissenschaftler ausrechen. In diesem Sinne sind das Produktionskosten.

Das Ergebnis: Bei einer 0,5-Gigawatt-Fabrik liegen die Kosten für ein PERC-Modul bei 52,8 Cent pro Watt. Bei einer Fünf-Gigawatt-Fabrik sinken sie auf 46,1 Cent. CIGS-Dünnschichtmodule lassen sich in der großen Fabrik sogar für 37,2 Cent pro Watt produzieren. Das muss jedoch noch nicht heißen, das CIGS die sinnvollste Technologie ist. Da ihr Wirkungsgrad zirka ein knappes Prozent niedriger ist, steigen die BOS Kosten entsprechend. Trotzdem sind mit CIGS in Freiburg die niedrigsten Stromgestehungskosten zu erreichen, nämlich 7,39 Cent pro Kilowattstunde. Für die PERC Module errechnen die Forscher 8,09 Cent pro Kilowattstunde.

Es gehen viele Parameter in die Rechnung ein, deren genauer Wert unsicher ist. Daher rechnen die Wissenschaftler aus, wie groß die Unsicherheit ihrer Ergebnisse ist: zwischen plusminus fünf Prozent und plusminus 7,5 Cent pro Watt. Das CIGS-Modul würde also zwischen 33 und 43 Cent pro Kilowatt kosten. In der renditegetriebenen Solarwelt macht das viel aus. Allerdings, so die ISE-Experten, sei auch anzunehmen, dass die Preise bei einer realen Fabrik unter den für die Kalkulation verwendeten Preisen liegen. Bei der Anfrage an die Lieferanten haben die Forscher nämlich nicht verhandelt und die Lieferanten werden bestimmt keine realen Preise verraten haben.

Erfolgsaussichten unklar

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass solch eine Fabrik exzellente Erfolgsaussichten hätte. „Mit einer Investition in Höhe von einer Milliarde Euro können Herstellungskosten von unter 40 Cent pro Watt  erreicht werden, die damit circa 20 Prozent unter dem aktuellen Niveau liegen“, heißt es in der Zusammenfassung.

Die Ergebnisse sehen ja gut aus und es ist interessant zu sehen, wie günnstig auch Solarstrom aus in Europa gefertigten Modulen sein kann.

Nur, damit das potenziale Investitionen überzeugt, müssen die Autoren vermutlich noch einige Antworten liefern. So wäre ein Vergleich der auf diese Weise berechneten Modulkosten mit denen in China im Jahr 2017 sehr interessant. Die Erfolgsaussichten der Modulproduktion entscheiden sich ja nicht daran, wie günstig am Ende der Strom produziert wird, sondern im globalen Wettbewerb um die Modulpreise. So ist es durchaus möglich, dass billigeres Solarglas und billigere Energie dort eine deutlich günstigere Modulproduktion erlauben. Dieser Vergleich fehlt in der Studie.

Es wird lediglich qualitativ diskutiert, dass es auch in anderen Branchen den Trend gebe, dass Fertigungsstätten nicht mehr ins Ausland verlegt werden. Rahmenbedingungen könnten sich schnell ändern und insbesondere die Logigstikkosten machten heute fünf bis zehn Prozent der Gesamtkosten von Photovoltaikmodulen aus. Es wird ferner damit argumentiert, dass "einschlägige Berechnungen und diverse Expertenmeinungen" zeigten, dass es ab einer zwei Gigawatt-Fertigung ökonomisch sinnvoll sei, eine Glasproduktion direkt anzubinden. Es folgt auch eine Abschätzung für die Logistikkosten für die X-Gigawatt-Fabrik. Allerdings fehlt leider auch hier der direkte Vergleich mit einer Produktion in China.

Umsetzung à la Airbus?

Es stellt sich auch die Frage, wie die X-Gigawatt-Fabrik in die Realität umgesetzt werden kann. Wiwo Green zitierte ISE-Direktor Eicke Weber im Dezember mit den Worten „Kein Airbus wäre ohne Kreditgarantien der Europäischen Investitionsbank gebaut worden. Warum sollte man nicht auch der Hochtechnologie Photovoltaik Garantien zur Verfügung stellen?“ In einem Interview vor drei Jahren äußerte

Solch eine Bürgschaft hätte vermutlich den Effekt, dass die Kapitalkosten deutlich sinken, was die Investorensuche leichter macht. Lange Zeit haben die deutschen Produzenten den chinesischen Wettbewerbern vorgeworfen, dass sie ihre Produktion nur mit billigen Krediten so stark habe ausbauen können. Da wäre so eine Antwort nur konsequent. Allerdings zeigt die Studie auch, dass der Anteil der Kapitalkosten so groß gar nicht ist. Eine Verdopplung von sechs auf zwölf Prozent würde das PERC Modul nur ungefähr zwei Cent pro Watt teurer machen.

Momentan will sich das Konsortium nicht weiter zur Umsetzung äußern, um genau diese nicht zu gefährden. (Michael Fuhs)

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