Weniger Last für schwache Schultern

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Der ehemalige RWE-Chef Jürgen Großmann ließ kaum eine Gelegenheit aus, seine Lieblingsrolle zu geben: die des polternden Öko-Skeptikers, der die Förderung der Photovoltaik in Deutschland volkswirtschaftlich für blanken Irrsinn hält. Und noch dazu für völlig unsozial: Der Mini-Jobber aus Berlin-Moabit finanziere die Solaranlage auf dem Praxisdach eines Zahnarztes im Chiemgau, ätzte der Energiemanager.

Hans-Josef Fell, den Erneuerbare-Energien-Experten der grünen Bundestagsfraktion, bringt die Polemik des Ex-RWE-Chefs auf die Palme. Bevor er inhaltlich auf den Vorwurf eingehen will, möchte der Politiker erst mal eines klarstellen: „Mit seinen überzogenen Renditeerwartungen von 20 oder 25 Prozent hat Herr Großmann die Geringverdiener wesentlich stärker belastet als die Photovoltaik.“ Großmann zielt mit seiner Kritik auf die EEG-Umlage, die von allen Verbrauchern über den Strompreis bezahlt wird. In diesem Jahr beträgt der Aufschlag 3,592 Cent pro Kilowattstunde. Im kommenden Jahr könnte sich die Umlage in Richtung fünf Cent bewegen. Der Löwenanteil – laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) waren es 2011 etwa 55 Prozent – fließt in die Photovoltaik. Dies bedeutet, dass die Stromkunden die Solarenergie im letzten Jahr mit 1,78 Cent pro Kilowattstunde finanziert haben.

Allerdings hat die Photovoltaik nur rund 18 Prozent zum heimischen Ökostrom beigetragen. Solarenergie-Kritikern wie Jürgen Großmann sind diese Zahlen willkommene Munition, um die Solarförderung als zu teuer und vor allem als unsozial zu brandmarken. Während die EEG-Umlage von allen Haushalten gezahlt wird, profitieren nur diejenigen von der Vergütung, die Immobilien besitzen und sich die Investitionen in die Anlagen leisten können, so ihreArgumentation. Dabei lassen die Kri-tiker jedoch außer Acht, dass die EEG-Umlage aus gutem Grund verursachergerecht erhoben wird. Denn für die mit dem Stromverbrauch verbundenen Umweltschäden sind alle Verbraucher verantwortlich – unabhängig vom Einkommen.

Frauke Rogalla, Referentin für Energiewirtschaft beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält die Debatte über die Sozialverträglichkeit des EEG aber auf jeden Fall für längst überfällig. „Es fehlt eine soziale Komponente in der Energiepolitik“, klagt sie. „Es kann nicht sein, dass allein sozialpolitische Instrumente und Transferleistungen die Schieflage bei der Förderung der erneuerbaren Energien ausgleichen sollen.“ Sie macht einen konkreten Vorschlag: „Wir sollten darüber nachdenken, die Photovoltaik aus der EEG-Förderung herauszulösen und auf einem anderen Wege, etwa über Steuern, zu finanzieren. Dadurch ließe sich die Schärfe aus der Diskussion um das EEG nehmen und der Strompreis senken.“

Steuergelder für Erneuerbare

Wie eine solche Steuerfinanzierung aussehen könnte, müsse natürlich noch diskutiert werden. Gerechter wäre so ein System aber allemal, denn: „Steuerarten wie etwa die Einkommensteuer belasten Besserverdienende stärker als sozial Schwache, so dass diese profitieren würden“, sagt Rogalla. Für Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzender der IG Metall, hat der Vorschlag Charme – nicht allein aus sozialen Gründen, sondern auch aus grundsätzlichen Erwägungen.

„Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Finanzierung sollte deshalb nicht allein an den Stromverbrauch gekoppelt sein“, meint der Gewerkschaftler. Rogalla weist allerdings selbst auf die Probleme hin, die dieser Weg mit sich bringen würde: „Man müsste einen Weg der Steuerfinanzierung finden, der auch über einen langen Zeitraum gangbar ist. Denn wir haben uns ja auf 20 Jahre als Förderzeitraum festgelegt.“ Für Grünen-Politiker Fell ist dieser Vorschlag indiskutabel. „Überall auf der Welt, wo die Vergütung aus Steuergeldern bezahlt wurde, ist sie vom Finanzminister gestoppt worden, wenn die erneuerbaren Energien zu erfolgreich wurden“, sagt Fell und verweist auf das Beispiel Spanien. Aus diesem Grund sei bei der Entwicklung des EEG – an der Fell federführend beteiligt war – ein solches System sofort verworfen worden. „Es schafft keine verlässlichen Bedingungen für Investitionen in regenerative Erzeugungsanlagen“, meint der Abgeordnete. Und eine Kostenreduktion stelle sich damit auch nicht ein, da die Ausgaben nur verlagert werden.

Neben der Steuerfinanzierung haben die Verbraucherschützer einen zweiten Vorschlag in die Diskussion gebracht: Ein Sozialausgleich bei der EEG-Umlage könnte Geringverdiener entlasten. Ein Vorbild für diese Idee sieht der vzbv in der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier wird der Arbeitnehmeranteil an den Zusatzbeiträgen einer Krankenkasse automatisch gekürzt, wenn er einen Anteil von zwei Prozent am Einkommen überschreitet. Da die Höhe der Versicherungsbeiträge ohnehin an die Einkommen gekoppelt ist, lässt sich ein solcher Mechanismus in der Krankenversicherung problemlos umsetzen.

Anders dagegen die EEG-Umlage, deren Höhe ja für alle privaten Stromkunden gleich ist. Eine einkommensabhängige Komponente einzuführen, wäre mit einem großen bürokratischen Aufwand verbunden – von der Datenschutz-Problematik ganz zu schweigen.

Schluss mit den Privilegien

Ein einfacherer und schnellerer Weg zu mehr Gerechtigkeit bei der Förderung erneuerbarer Energien führt über eine andere Verteilung der Lasten. Denn längst nicht alle Verbraucher müssen die Umlage in voller Höhe bezahlen: Industriebetriebe sind davon weitgehend ausgenommen, sofern sie mindestens eine Gigawattstunde Strom pro Jahr verbrauchen und ihre Energiekosten mehr als 14 Prozent der Bruttowertschöpfung entsprechen. Mit der seit Jahresbeginn gültigen EEG-Novelle wurden die Bedingungen aufgeweicht, so dass nun deutlich mehr Betriebe in den Genuss dieses Privilegs kommen. Zurzeit profitieren etwa 6.000 Unternehmen von der Regelung; 2011 waren es erst 570 Betriebe. Die Regelung soll verhindern, dass die heimische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb benachteiligt wird.

Der Bund der Energieverbraucher hält die Befreiung der stromintensiven Industrie für sehr ungerecht – gegenüber den Verbrauchern, aber auch dem Mittelstand. Deren Vorsitzender Aribert Peters fordert: „Die Privilegien der Industrie sind zu Lasten der übrigen Verbraucher ausgeufert. Die Bundesregierung muss diese Auswüchse dringend eingrenzen.“ Auch Anette Kramme, Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion, verlangt ein Ende der

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Solidarität instrumentalisiert

In der Öffentlichkeit wird das Argument, dass sozial Schwache die Lasten der Solarstromförderung tragen müssten, gerne benutzt, um Stimmung gegen die Photovoltaik zu machen. Dass die Argumente oft falsch sind, zeigte sich Anfang Juni. 600.000 Haushalte sitzen der Tagesschau vom 3. Juni zufolge im Dunkeln, weil sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können. Und für Verbraucherschützer und Sozialverbände steht laut „Spiegel“ in der gleichen Woche fest, dass daran der „ungebremste Ausbau der Photovoltaikanlagen“ schuld sei. Wegen des Solarstromausbaus werde die EEG-Umlage um 1,2 bis 1,8 Cent pro Kilowattstunde im kommenden Jahr steigen. Wegen Ökostrom- und Netzausbau werde eine dreiköpfige Familie in zwölf Monaten mit 105 bis 175 Euro im Jahr mehr belastet.

Warum die Behauptungen falsch sind, lesen Sie hier:

http://www.photovoltaik.eu/nachrichten/details/beitrag/spiegel–stimmungsmache-gegen-solarfrderung_100008177/

Wenn Sie nicht den gesamten Link abtippen möchten, gehen Sie auf unserer Website auf das Suchfeld und tippen Sie 0086 ein. Dann landen Sie direkt auf dem Artikel.

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Vorzugsbehandlung. „Nicht die Energiewende per se verursacht höhere Preise, sondern vor allem die Geschenke der schwarz-gelben Bundesregierung an Industrie und Stromhändler“, sagt die Politikerin. Sie verweist darauf, dass stromintensive Unternehmen ohnehin vom Merit-Order-Effekt profitieren: „Erneuerbare Energien senken den Strompreis an der Börse zurzeit um rund 0,6 Cent pro Kilowattstunde“, sagt Kramme. Die Industrie spare dadurch Stromkosten von etwa 400 Millionen Euro im Jahr. Grünen-Kollege Fell stößt ins gleiche Horn: „Wir sehen hier eine Quersubventionierung der Industrie durch die Haushalte und das Kleingewerbe.“ IG-Metall-Funktionär Wetzel sieht die Befreiung dagegen mit gemischten Gefühlen: „Für uns ist ganz wichtig, dass energieintensive Unternehmen wie die Stahl-, Aluminium- oder Kupferindustrie wegen des internationalen Wettbewerbs von der EEG-Umlage ausgenommen bleiben. Andererseits profitieren von der Regelung aber eine Reihe Betriebe, deren Energiebedarf nicht so hoch ist.“ Wetzel fordert daher: „Die Regeln für die Befreiung von der Umlage sollten auf den Prüfstand gestellt werden.“ Wie sich das System reformieren ließe, hat das Saarbrücker Institut für Zukunftsenergiesysteme im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion untersucht. So schlagen die Experten unter anderem vor, in den Kriterienkatalog für die Umlagenbefreiung zusätzlich eine Kennzahl für die Intensität des Handels mit Nicht-EU-Staaten aufzunehmen, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Zudem sollte nur die Energie von der Umlage befreit werden, die unmittelbar für die Produktion gebraucht wird. Der etwa für EDV oder Beleuchtung nötige Strom solle dagegen umlagenpflichtig sein. „Wenn man hier eine saubere Abgrenzung findet, könnte das ein Weg sein“, meint Wetzel. Zudem, so die Experten aus dem Saarland, solle die Liquiditätsreserve – die eingeführt wurde, um Schwankungen beim Aufkommen der Umlage auszugleichen – aufgehoben werden.

Dies zusammen könnte die EEG-Umlage im kommenden Jahr um 0,7 bis 1 Cent pro Kilowattstunde senken. Ein Durchschnittshaushalt würde so um jährlich 30 bis 40 Euro entlastet.

Mehr Geld in der Haushaltskasse

Unabhängig davon, ob es mit solchen Vorschlägen gelingt, die EEG-Umlage zu reduzieren: Am günstigsten ist die Kilowattstunde Strom, die erst gar nicht verbraucht wird. Kramme schlägt deshalb vor, Hartz-IV-Empfängern auf Antrag wieder neue Elektrogeräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen zu finanzieren. Denn im Regelsatz sind nur rund drei Euro für solche Investitionen vorgesehen – „damit kann derzeit niemand energiesparende Geräte finanzieren“, sagt die Bundestagsabgeordnete.

Zudem bringt Kramme einen Energieeffizienzfonds ins Gespräch, der Mikro-Kredite an Geringverdiener vergibt. Für Hans-Josef Fell gehen solche Ansätze in die richtige Richtung. Er schlägt zum Beispiel vor, Solarthermie im sozialen Wohnungsbau stärker zu unterstützen. „Damit entlasten wir diejenigen von den steigenden Preisen der fossilen Energien, die es am nötigsten haben“, sagt Fell.

Darauf zielt auch eine gemeinsame Initiative der Stadtwerke München und sechs Wohlfahrtsverbänden, die sozial Schwachen helfen soll, ihren Energieverbrauch zu reduzieren: Sie können kostenlose Energieberatungen in Anspruch nehmen. „Ziel ist es, die Energiekosten der Haushalte zu senken und einen bewussten Umgang mit Ressourcen zu fördern“, erklärt Thomas Kastenmüller, Projektleiter bei der Caritas. Die rund 50 ehrenamtlichen Berater besuchen Bürger zu Hause, um über den effizienteren Umgang mit Energie zu informieren. Jeder Teilnehmer erhält kostenlos eine Energiesparbox mit einem Kühlschrank-Thermometer, einer schaltbaren Steckdosenleiste und zwei Sparlampen.

Da Kühl- und Gefrierschränke oder Waschmaschinen in diesen Haushalten häufig veraltet sind, bekommen die Teilnehmer unter bestimmten Bedingungen neue Geräte der höchsten Effizienzklasse geschenkt. Etwa 10.000 Haushalte haben bislang an dem Programm teilgenommen. Die Stadtwerke München finanzieren es mit 500.000 Euro im Jahr. „Die Energierechnung hat an den Gesamtausgaben einkommensschwacher Haushalte einen überproportionalen Anteil. Deshalb profitieren die Teilnehmer unseres Programms ganz besonders, wenn sie sparsamer mit Energie umgehen. Jede eingesparte Kilowattstunde bedeutet mehr Geld in der Haushaltskasse“, sagt Kastenmüller.

Wenn auch weniger Begüterte für den Ausbau der Photovoltaik bezahlen, sollen sie auch direkt davon profitieren. Nach dieser Devise hat die Sparkasse im bayerischen Niederbergkirchen den Bürgern der Gemeinde Kapital für eine Beteiligung an sieben lokalen Solaranlagen bereitgestellt – unabhängig von ihrer Einkommenssituation und ohne dass sie Eigenmittel einbringen mussten.

Der Kredit wird binnen zwölf Jahren über die Einspeisevergütung getilgt, so dass die Geldbeutel der Bürger nicht belastet werden. Danach fließt dann bares Geld in ihre Kassen. Mit einem solchen Modell profitiert nicht nur Großmanns Zahnarzt von der Solarförderung, sondern auch der Hartz-IV-Empfänger oder die Frührentnerin.

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