In Zukunft werden Gebäude zu Energieerzeugern – zwangsläufig. Das wird von der EU-Kommission in immer strengeren Richtlinien zum Energieverbrauch bei Neubauten und im Bestand vorgegeben. Wer zu viel Energie verbraucht, kann das nämlich auch damit kompensieren, dass er mit Photovoltaik am Gebäude Strom erzeugt. Einige Bauherrn wollen sogar aus Imagegründen mehr Energie erzeugen, als der Betrieb des Hauses erfordert.
Solarsysteme werden deshalb immer öfter Teil eines Hauses werden, prognostiziert Andreas Faißt, beim TÜV Süd Product Service verantwortlich für die Entwicklung im Geschäftsbereich Photovoltaik. Trotz dieser Entwicklung sind gebäudeintegrierte Photovoltaikbauteile in Deutschland und vielen anderen Ländern aber immer noch Nischenprodukte. Mancher Bauherr und Planer ist verunsichert darüber, ob die stromerzeugenden Elemente das Gebäude tatsächlich verlässlich vor Witterungseinflüssen schützen können, ob bei Glasbruch niemand durch herabfallende Teile verletzt wird oder ob durch den Einbau einer Solaranlage nicht sogar die Brandgefahr am Gebäude steigt. Für die Verwendung solarer Fassadenelemente und Überkopfverglasungen müssen die bauaufsichtlich eingeführten technischen Baubestimmungen, insbesondere des Glasbaus, beachtet werden. Bei wesentlicher Abweichung hiervon ist ein Verwendbarkeitsnachweis im Rahmen einer allgemeinen bauaufsichlichen Zulassung zu führen. Die Tatsache, dass eine Zustimmung im Einzelfall bei der jeweiligen Landesbaubehörde beantragt werden muss, weil es noch keine Solarbauteile gibt, die als geregelte Bauprodukte anerkannt sind, erschwert die Entscheidung zugunsten solcher Systeme zusätzlich. Denn das Antragsverfahren kostet Zeit und Geld. „Das Verfahren schreckt die Architekten ab“, sagt Dieter Moor, Marketingleiter bei Ertex Solar im österreichischen Amstetten, „das Risiko ist zu groß, am Ende eine Ablehnung zu kassieren und alles umplanen zu müssen.“
Isolierglasmodule zugelassen
Ertex hat deshalb den langen Weg einer Bauteilzulassung für seine Isolierglasmodule auf sich genommen. Für denHersteller maßgeschneiderter Glas-Glas-Module für die Gebäudeintegration (BIPV) ist es wichtig, seinen Kunden zu zeigen, dass die Module als statisch gleichwertig mit normalen Verbundsicherheitsgläsern betrachtet werden können. Damit will sich Ertex von der Konkurrenz absetzen. „Da Freiflächen- und Aufdachinstallationen in Deutschland rückgängig sind, versuchen viele Photovoltaikhersteller, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen, und gehen auch in den Bereich der BIPV“, sagt Moor, „einige bieten Module an, die man an Gebäuden gar nicht verwenden darf.“ Da ist die erfolgreiche Zulassung durch das DIBt ein wichtiger Schritt. Statiker dürfen die Ertex-Module jetzt wie Verbundsicherheitsglas rechnen. Vorher gab es zwar auch Rechenverfahren dafür. Die Frage, ob die Zellen einen negativen Einfluss auf den Verbund haben, blieb bis dato allerdings unbeantwortet.
Andere Hersteller von Glas-Glas-Modulen, wie zum Beispiel Schüco oder Sunovation, umgehen die Zustimmung im Einzelfall, indem sie ihr Modul auf ein komplettes Verbundsicherheitsglas aufkleben. Bildet das Sicherheitsglas bei einer Überkopfverglasung die untere Schicht, sind die Bauregeln erfüllt.
Ein langer Weg
Nach eigener Aussage ist Ertex jetzt der erste BIPV-Hersteller, der den Prozess der Zulassung erfolgreich abgeschlossen hat. Die Problematik: Bis zu einer Zulassung kann der Weg weit sein. Viele Schritte sind erforderlich, angefangen vom Erstellen eines Maßnahmenkatalogs. Darin legen die Prüfer vom DIBt im Gespräch mit dem Hersteller fest, welche Sicherheitsgefahren von dem Produkt ausgehen könnten und mit welchen Nachweisen und Prüfungen man seine Verlässlichkeit für den geplanten Anwendungsfall beweist. „Unser Ziel ist es, eine Zulassung innerhalb eines Jahres zu ermöglichen“, sagt Uwe Bender vom DIBt, „in Ausnahmefällen kann es auch mal etwas länger dauern.“ In den Augen der Photovoltaikhersteller scheint die Ausnahme leider noch die Regel zu sein. Kaum jemand kommt in weniger als zwei Jahren zum ersehnten Zertifikat. Viele stecken noch mitten im Prozess.
Eineinhalb Jahre lang arbeitete Ertex an dem Verfahren. Dabei musste der Modulhersteller unter anderem nachweisen, dass die Solarzellen zwischen den Glasscheiben genauso gut mit dem Glas verbunden sind wie zwei Glasscheiben untereinander. „Das DIBt wollte die genaue Zusammensetzung der Schichten der einzelnen Zelltypen kennen“, sagt Moor. Dann wurden Abscherversuche an den eingebetteten Zellen durchgeführt. Die Schwierigkeit: Die Zellen unterschiedlicher Hersteller sind unterschiedlich aufgebaut und haben auch unterschiedliche Eigenschaften, was die Festigkeit angeht. „Wir haben die Zulassung unserer Verbundsicherheitsgläser für sieben verschiedene Zelltypen durchgeführt“, sagt Moor. Möchte ein Kunde eine andere Zelle im BIPV-Modul verwenden, braucht Ertex wahrscheinlich wieder eine Zustimmung im Einzelfall. Eventuell kann auch die Liste der zugelassenen Zellen erweitert werden. Zusätzliche Tests werden in jedem Fall notwendig sein. Den ersten Versuch für eine Bauteilzulassung hat der Modulhersteller vor sechs Jahren gestartet. Doch damals sei das Thema noch nicht reif gewesen, meint Moor. „Die Zulassung war unglaublich teuer, zu dem Preis konnte man einige Zustimmungen im Einzelfall haben.“ Seitdem hat sich das DIBt an die Materie der solaren Bauprodukte angenähert. In einem im Mai veröffentlichten Hinweispapier führt es erstmals detailliert Anwendungsfälle und Nachweispflichten auf.
Test unter Flugfeuer
Auch für Indachsysteme gibt es momentan noch keine einheitlichen Normen. „Seit diesem Frühjahr müssen die Regeln für die ‚harte Bedachung‘ auf Indachmodule angewendet werden“, sagt Andreas Faißt, „das ist die erste offizielle detaillierte Anforderung.“ Dessen sind sich einige Modul- und Montagesystemanbieter gar nicht bewusst, wie sich bei Gesprächen auf der Intersolar in München zeigte. Konkret heißt das, dass die Hersteller die Beständigkeit des Systems unter Flugfeuer und strahlender Wärme nachweisen müssen. Einen Nachweis über die Regensicherheit fordert das DIBt zwar nicht. „Das DIBt hat die Dichtigkeit etwas ausgeklammert“, sagt Uwe Bender, „bei uns geht es hauptsächlich um die Standsicherheit und den Brandschutz.“ Dennoch gelten am Bau die anerkannten Regeln der Technik – wer also ein Dach mit integrierter Solaranlage errichten möchte, der muss es selbstverständlich genauso dicht bauen wie ein Ziegeldach oder ein Flachdach ohne Solaranlage.
Im Gegensatz zu Deutschland sind in Frankreich Tests zur Regensicherheit Pflicht. Die Solar-Fabrik aus Freiburg hat im Zuge der Prüfungen für den französischen Avis Technique festgestellt, dass das Indach-Montagesystem, mit dem sie ihre Module bis dato ins Dach integrierten, noch Schwachpunkte aufwies, obwohl es dem aktuellen Branchenstandard entsprach. Bei geringen Dachneigungen von 15 Grad, die heute gerade im Neubau immer häufiger realisiert werden, konnte Wasser von unten in die Konstruktion gelangen und die Holzbauteile dauerhaft durchfeuchten. Daraufhin haben die Ingenieure der Solar-Fabrik die Anschlüsse des Systems komplett überarbeitet. Edelstahlanschlüsse bieten nun dauerhafte Resistenz gegen Feuchtigkeit. Die neue Variante hat die Regentests auf dem Prüfstand im französischen Nantes bestanden. Auch die Brandsicherheit ist für Thomas Link, Leiter des Produktmanagements der Solar-Fabrik, ein wichtiges Thema, zumal hier neue Bestimmungen zu erwarten sind. Bei einem Test wird zum Beispiel ein Korb mit brennbarem Material auf mehreren Stellen des Systems aufgelegt und darf nicht zum Brand im Inneren des Gebäudes führen. „Mit unseren Modulen sind wir auf der sicheren Seite“, sagt Link, „und zum System führen wir derzeit bereits einige Tests durch.“ Eine mögliche Schwachstelle seien die Dichtungsgummis aus EPDM zwischen den Modulen. „Hierzu sind wir bereits mit Brandsicherheitsexperten im Gespräch. Und mit der geeigneten Materialauswahl stellen wir sicher, dass das Feuer bei den Brandsicherheitstests nur an der Oberfläche bleibt.“
Neues Zertifikat
Um Bauherrn und Hauseigentümer dazu zu ermutigen, Indachlösungen beim Bau ihres Eigenheims einzusetzen, hat der TÜV Süd ein Zertifikat speziell für gebäudeintegrierte Photovoltaik entwickelt, das Sicherheit versprechen soll. Auf der einen Seite bestätigt es, dass der Hersteller alle notwendigen Normen und Bauregeln beachtet hat. Auf der anderen Seite zeigt es dem Bauherrn, dass die solare Dacheindeckung in der Lage ist, alle elektrotechnischen und baulichen Anforderungen zu erfüllen. „Das TÜV-BIPV-Zertifikat ist keine bauaufsichtliche Anforderung“, sagt Uwe Bender vom DIBt. Was so viel heißt wie: Man braucht es nicht. Trotzdem kann es Herstellern helfen, einen Überblick über die notwendigen Prüfungen zu erhalten und alle Nachweise aus einer Hand zu bekommen. Denn gebäudeintegrierte Photovoltaiksysteme müssen sowohl die Normen der Elektrotechnik erfüllen als auch alle bautechnischen Regeln. „In der Photovoltaikbranche hat man oft nicht die Expertise, die Gefahren zu sehen, die beim Einbau in ein Gebäude auftreten können“, sagt Andreas Faißt vom TÜV Süd. „Kommt ein Hersteller aus der Photovoltaik, unterstützen wir ihn bei bautechnischen Fragen, kommt er aus dem Baubereich, bringen wir unser Know-how in Bezug auf die Sicherheit bei der Modultechnik ein.“ Für Jens Milnikel ist das BIPV-Zertifikat des TÜV Süd eine Bestätigung der eigenen hohen Anforderungen durch einen unabhängigen Experten. Bei der Monier Gruppe, einem international tätigen Hersteller von Bedachungsmaterialien, leitet Milnikel den Geschäftsbereich Solar. Das neue Indachmodul, das in Deutschland unter dem Namen „Braas
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