Alltagsarchitektur mit Pfiff

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Dass man Stararchitekten mit gewöhnlichen Gebäuden begeistern kann, ist selten. Zudem, wenn diese mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet sind. Mit einem Mehrfamilienhaus in den Schweizer Bergen ist es gelungen. Es steht im Bergdorf Bennau direkt hinter der Dorfkirche und ist fast so malerisch wie diese. Von außen zu sehen sind Holz, Glas – und eben Kollektoren und Module. Daraus haben die Schweizer Gestalter von 720° Architekten die Fassaden ihres Pilotprojekts geschaffen.
Dass das als schön empfunden wird, liegt auch daran, dass sich Module und Kollektoren nahtlos in die Gebäudehülleeinfügen und das Bauwerk mit dem nüchternen Namen Kraftwerk B so schlicht wirkt. Die Photovoltaikmodule, die das Süddach vollständig bedecken, und die solarthermischen Kollektoren, die die Fassade gliedern, erzeugen übers Jahr zehn Prozent mehr Energie, als die sieben Familien drinnen verbrauchen. Messungen der letzten zwei Jahre bestätigen die Prognose der Planer.
Damit kann das Gebäude zum Vorbild werden. Denn spätestens 2021 sollen nach EU-Richtlinien alle privaten Wohnneubauten quasi Nullenergiehäuser sein, öffentliche Gebäude bereits 2018. Durch besonders gute Wärmedämmung, Speichermassen im Haus, niedrig temperierte Heizanlagen und energiesparende Haushaltsgeräte sollen die Verbräuche auf ein Minimum reduziert werden. Gleichzeitig werden die Gebäude zu Produzenten, die so viel Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen, wie Haustechnik und Bewohner verbrauchen.
Oder sogar Überschüsse erwirtschaften, wie im Fall des Mehrfamilienhauses in Bennau. Mit der überschüssigen Wärme versorgt das Kraftwerk B im Sommer das Nachbarhaus mit, während die rund 32.000 Kilowattstunden Sonnenstrom der Photovoltaikdächer ins öffentliche Netz eingespeistwerden. Das sind 7.000 mehr, als die Hausgemeinschaft verbraucht. „Das Plusenergiehaus ist ein Leuchtturmprojekt, wir haben den Beweis erbracht, dass das möglich ist“, sagt Moreno Piccolotto, Projektleiter bei den 720° Architekten. „Aber unser erklärtes Ziel ist das Nullenergiehaus.“ Eine große Photovoltaikanlage ist in beiden Fällen unverzichtbar. In Bennau bilden Megaslate-Module von 3S die Haut des Süddaches. Die Modulmaße harmonieren scheinbar exakt mit der vorgegebenen Fläche. „Zufall“, sagt Piccolotto. Denn Spielraum boten die Randabschlüsse an den Seiten und im Traufbereich, in dem ein breites Blech die Luft durch Schlitze hinter die Module strömen lässt. „Wir haben einen üblichen kunstgerechten Dachaufbau gewählt, allerdings mit acht Zentimetern Luftraum anstelle der üblichen fünf.“

Norman Foster ist beeindruckt

Stararchitekt Norman Foster ist beeindruckt von diesem Projekt. Im Herbst 2010 verlieh der Brite den Planern den frisch ins Leben gerufenen Norman Foster Solar Award der Schweizer Solaragentur – für ein ausgeklügeltes Energiekonzept kombiniert mit herausragender Architektur.
Dass auch Allerwelts-Altbauten wandlungsfähig sind, zeigt ein anderes Beispiel. Ein 57 Jahre altes Arbeiterhaus im liechtensteinischen Vaduz mutierte von einer Dreckschleuder zu einem kleinen Kraftwerk. Christoph und Nuala Ospelt haben das hübsche Häuschen energetisch gehörig aufgemöbelt, dabei aber möglichst viele der ursprünglichen architektonischen Details erhalten. Für die schlichte Architektursprache und die gestalterisch besonders gut eingebundene Solaranlage hat die Schweizer Solaragentur die Ospelts als Bauherrn und Planer in Personalunion ausgezeichnet.
Dass aus dem Sanierungsobjekt schließlich ein Plusenergiehaus wurde, das 82 Prozent mehr Energie erzeugt, als die Familie mit den vier Kindern und die neue Haustechnik verbrauchen, war ursprünglich gar nicht vorgesehen. „Wir wollten den Energiebedarf decken, den wir benötigen“, sagt Christoph Ospelt. „Eine Dachhälfte war dafür aber zu klein. Schließlich entschieden wir uns, das nach Ost-West ausgerichtete Satteldach komplett mit Photovoltaik einzudecken.“ Die Entscheidung fiel auch aus ästhetischenGründen. Ospelt wollte eine homogene Dachfläche schaffen, die sich von den flickenhaft mit Modulen belegten Dächern der Umgebung abhebt. Dafür wählten die Ospelts ebenfalls die rahmenlosen, monokristallinen Megaslate-Module von 3S. Christoph Ospelt gefällt besonders die Ästhetik der Module, während Moreno Piccolotto die schnelle Montage hervorhebt. „Der Aufbau einer Photovoltaik-Dachhaut funktioniert ähnlich wie eine Ziegeldeckung“, sagt Christoph Gerber, Vertriebsleiter beim Schweizer Modulhersteller. „Der große Unterschied liegt in der Hinterlüftung und den damit verbundenen Randabschlüssen.“ An den Randabschlüssen haben sich Ospelts Mitarbeiter dann auch gehörig abgearbeitet. Unter anderem um den Beweis anzutreten, dass sich auch Photovoltaik gestalterisch ansprechend integrieren lässt. Für den Dachaufbau mit Photovoltaikmodulen habe man zwar nichts Neues erfunden, sagt Bauleiter Markus Breu. Aber anders als in Bennau mussten hier alte und neue Bauteile zusammengebracht werden, teilweise in Millimeterarbeit. „Die Herausforderung lag darin, alles so zueinander zu fügen, dass Standardmodule eingesetzt werden können und es trotzdem wie maßgeschneidert aussieht“, ergänzt Breu, der die Dachdetails entwickelt hat. Das kann ein Problem sein, wenn man das Dach nachträglich dämmt und zusätzlich eine Hinterlüftungsschicht von sieben Zentimetern einplant. Technisch ist das sinnvoll, da der Luftzug die Module kühlt und deren Effizienz steigt. Doch das Dach sollte optisch nicht als wuchtiges Paket auf dem Häuschen lasten. Breu hat dafür eine konstruktiven Trick angewendet: Die Sparren, die ursprünglich auch den Dachüberstand trugen und von unten zu sehen waren, ließ er bündig mit der Fassade absägen. Der neue Dachüberstand beginnt erst darüber mit einer Fichtenholzplatte, die auf den Sparren verschraubt ist. Darauf sitzen der Hinterlüftungsaufbau und die geschindelt verlegten Module. Von unten sieht es deshalb so aus, als ob das Dach erst mit der Holzplatte beginnt und nicht mit Sparren.
Millimeterarbeit verlangte auch das neu geschaffene Dachfenster. Damit die Ästhetik stimmt, sollte es sich auf der Außenseite genau ins Raster der Module einfügen. Gleichzeitig musste das Fenster innen aus konstruktiven Gründen zwischen den Sparren Platz finden.
Christoph Ospelt ist zufrieden mit seinem Haus. Einziger Wermutstropfen: Mit guter Gestaltung allein ist es nicht getan. So würde der Energiefachmann einige Entscheidungen heute anders treffen. Zum Beispiel bei der Stringverschaltung. Da die Modulreihen vertikal zu Strings verschaltet sind, ist im Winter praktisch jeder String mit Schnee bedeckt. Wären die Module horizontal verschaltet, könnten die oberen Reihen, wenn der Schnee nach unten abgerutscht ist, die intensive Wintersonne in Strom umwandeln.

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