Für Rhone Resch steht es außer Frage: Die USA sind der Solarmarkt der Zukunft und deutsche Unternehmen sollten es nicht versäumen, rechtzeitig aufzuspringen. Der Präsident des US-amerikanischen Solarverbandes SEIA sprüht vor Optimismus. In nahezu allen 50 Bundesstaaten gebe es mittlerweile Fördersysteme für Solarstrom, und die Sonneneinstrahlung sei in den meisten Bundesstaaten mindestens so gut wie im südlichen Europa, meint Resch. Hawaii zum Beispiel habe die Netzparität bereits erreicht, in anderen Bundesstaaten sei sie in Reichweite, etwa in Kalifornien. Vor allem aber habe die bundesstaatliche Förderung nun eine ganz neue Qualität als in den Jahren zuvor.
Spätestens ab dem vierten Quartal 2009 werde die schon im Vorjahr dynamische Entwicklung weiter an Fahrt gewinnen und die USA bald zum führenden Solarmarkt der Welt machen. Doch als schlafender Riese, der kurz davor ist aufzuwachen, wird der US-Markt bereits seit Jahren gehandelt. Noch immer bleibt das Land weit unter seinen Möglichkeiten. Nicht nur Matthias Fawer, Analyst der Schweizerischen Bank Sarasin, sieht in den USA bei der Photovoltaik „enormen Nachholbedarf“.
Löst sich bald der Projekt-Stau?
Laut Resch zeigt diese Diskrepanz vor allem das Potenzial der US-Photovoltaik. Für 2009 rechnet er mit neu installierten 500 Megawatt. Der eigentliche „Kick-Start“ des Marktes sei dann für 2010 zu erwarten. Die Regierung wolle ja 60 Milliarden Dollar in den Ausbau der Erneuerbaren Energien pumpen. Neben der Einführung eines Emissionshandelssystems werde zudem angestrebt, für die Bundesstaaten Renewable Portfolio Standards (RPS) festzulegen. Denn bisher unterscheiden sich deren Zielvorgaben für den Anteil der Regenerativen an der Energieerzeugung erheblich. Noch immer haben einige Bundesstaaten gar keine eingeführt. Vor allem solch ein bundesweites Quotensystem kann laut Resch dafür sorgen, dass bis 2012 zehn Prozent der Elektrizität aus regenerativen Energiequellen stammen. Das entspreche einer Verdoppelung. Für 2025 liege das Ziel der Regierung bei 25 Prozent.
Etwas zurückhaltender als der Lobbyist aus den USA äußert sich Murray Cameron vom Präsidium des europäischen Solarverbandes EPIA. Er geht davon aus, dass auch andere Solarmärkte in den kommenden Jahren kräftig zulegen werden. Laut dem COO der deutschen Phönix Solar AG, die bereits in den USA Fuß gefasst hat, benötigt der Solarmarkt der Vereinigten Staaten in erster Linie Planungssicherheit. Die habe es in den letzten Jahren nicht gegeben, da stets Unsicherheit über das Fortbestehen und die Höhe von Solarförderungen bestanden habe. Durch die Verlängerung der Steuervergünstigungen, so genannten Investment Tax Credits (ITC), um volle acht Jahre habe der US-Kongress diese Planungssicherheit nun geschaffen. Nach Einschätzung von Philipp Kunze von der Solaria Germany GmbH besteht ein großer Vorteil des aktuellen ITC-Systems darin, dass es nicht mehr an die Steuererklärung gekoppelt sei. Die 30-prozentige Steuerermäßigung für Solarprojekte könne man sich nun gleich nach der Umsetzung auszahlen lassen. Das spare Zeit und viele Investoren hätten aufgrund der aktuellen Krise ohnehin nur wenig Steueraufkommen. Weitere Pluspunkte der neuen ITC-Regelung bestehen darin, dass es keinen Deckel mehr für die Vergünstigungen gibt und dass nun auch Energieversorger Anspruch darauf haben.
Chancen für deutsche Unternehmen
Kunze gibt zu bedenken, dass die einheimischen Akteure des Energiemarktes sich erst noch auf das Geschäft mit der Photovoltaik ein- bzw. umstellen müssen. Vielen mangele es noch an Kompetenz und vor allem an Erfahrung. Das könnte deutschen Unternehmen Chancen eröffnen. Etliche Akteure aus dem weltweit führenden deutschen Solarmarkt haben bereits in den Vereinigten Staaten Projekte in Angriff genommen oder umgesetzt.
Die Bonner Solarworld AG hat es sogar zum größten Solarhersteller der USA gebracht – durch die Übernahme der Photovoltaik-Aktivitäten von Shell im Jahr 2006. „Diesen Vorsprung werden wir mindestens bis 2012 halten“, glaubt Anne Schneider. Laut der Unternehmenssprecherin der US-Tochter von Solarworld werden deren Kapazitäten in Hillsboro, Oregon, und dem kalifornischen Camarillo bis 2011 auf 650 Megawatt ausgebaut. Dass ihre Produkte „made in USA“ sind, sei den Kunden vor Ort wichtig. Noch verkaufe man jedoch überwiegend ins Ausland. Die Perspektiven des US-Marktes seien aber „sehr gut“. Solarworld konkurriere hier kaum mit US-Herstellern, sondern mit Akteuren aus China. Es gebe in den Vereinigten Staaten für Solarprodukte einen „harten Preiskampf“. Dies nicht zuletzt weil die US-Kunden noch neu im Geschäft seien und erst noch Erfahrungen mit Qualitätsunterschieden sammeln müssten.
Die Hamburger Colexon AG tummelt sich ebenfalls bereits im US-Markt. Sie hat im Mai auf einem Universitätsdach in Arizona ihr erstes Solarkraftwerk in den USA realisiert. „Die Bedingungen für Photovoltaik waren hier noch nie besser“, meint Philipp Klemm von der US-Tochter des Solarprojektieres. Allerdings sei der Markt „noch immer sehr unreif und unterentwickelt“. Nach seiner Beobachtung kommen bislang „viele ausländische Unternehmen mit falschen Vorstellungen in die USA“.
So warnt Carlos Segura Fontcuberta von der Unternehmensberatung Eclareon davor, dass der administrative Aufwand bei US-Solarprojekten weitaus höher und kostspieliger ist als etwa in Südeuropa. Das Wirrwarr aus Regularien und Förderinstrumenten sei schon deshalb für Marktneulinge kaum zu durchschauen, weil sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesstaaten und die Kommunen eigene Vorschriften und Förderprogramme eingeführt haben. Es gibt sowohl direkte Zuschüsse als auch Finanzierungsbeihilfen, vor allem aber Steuervergünstigungen, deren Auswirkungen wiederum schwer zu überblicken sind. Gänzlich unübersichtlich wird dieses Patchwork dadurch, dass der Markt der Energieversorger in den Vereinigten Staaten äußerst kleinteilig ist. Diese potenziellen Abnehmer von Solarstrom agieren nicht nur mit eigenen Tarifen. Oft diktieren sie auch die Rahmenbedingungen, etwa für den Netzanschluss und die Einspeisung.
Daher sind „verlässliche Kontakte zu Marktinsidern von großer Bedeutung“ für Neueinsteiger in den US-Markt, meint Konrad Bauer, Projektleiter im Bereich Regenerative Energien bei der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena). Zumal es weitere Fallstricke gebe. Wer etwa neue Produkte auf den Markt bringen wolle, benötige Beratung, um das Zertifizierungsverfahren dafür bewältigen zu können. So gebe es in den USA nur wenige Institute, die die erforderlichen Zertifikate ausstellen können. Murray Cameron, COO der Phönix Solar, verweist darauf, dass die so attraktiv erscheinenden Förderprogramme für Solarenergie „komplex und undurchsichtig“ seien. Ihm erscheinen sie sogar eher als „Förderprogramme für Anwälte und Berater“.
Kein Markt für Einzelkämpfer
Lee Weingart ist CEO der LNE Group aus Ohio mit Niederlassung in Berlin. Seine Unternehmensberatung begleitet ausländische Erneuerbare-Energie-Unternehmen durch den US-amerikanischen Behördendschungel und verzeichnet eine steigende Nachfrage. Nach seinen Angaben haben deutsche Akteure grundsätzlich Anspruch auf öffentliche Solar-Fördermittel, sofern sie in den USA produzieren oder Projekte umsetzen. Wer vom größten Kuchen, dem Stimulus-Projekt der Obama-Regierung, etwas abbekommen möchte, muss sich ihm zufolge aber beeilen. 75 Prozent der Mittel würden bis Ende nächsten Jahres bewilligt. Doch auch aus anderen öffentlichen Töpfen würden Milliarden Dollar ausgeschüttet. Die Antragstellung sei allerdings eine Herausforderung. Unter anderem seien intime Kenntnisse über die jeweils zuständigen Behörden erforderlich.
Alexander Imberg leitet die Deutschland-Abteilung der Kanzlei Carroll, Burdick & McDonough, die unter anderem deutsche Solarunternehmen bei ihren US-Aktivitäten begleitet. Er bezeichnet das Stimulus-Paket als „Buch mit sieben Siegeln“. Frühestens im Sommer würden die Vergaberichtlinien veröffentlicht. Schon jetzt werde für Solarförderungen ein bürokratischer Aufwand verlangt, der ohne umfassende Erfahrungen mit dem Apparat kaum zu bewältigen sei. Aber die Mühe könne sich lohnen, weil die Behörden zum Teil sehr viel Geld ausgeben würden. Doch auch jenseits der Antragstellung sei es für ausländische Neueinsteiger in den US-Solarmarkt unabdingbar, auf fachkundige Beratung zu setzen.
Imberg warnt insbesondere vor den hohen Haftungsrisiken in den USA. Es sei „überlebenswichtig“, zwischen deutschem Mutter- und amerikanischem Tochterunternehmen „eine chinesische Mauer“ zu errichten, die die Mutter von jeder Haftpflicht befreit. Auch in vielen anderen rechtlichen Fragen sei fachliche Beratung unerlässlich, insbesondere beim Steuerrecht. Vor allem aber sind Imberg zufolge kompetente Berater wichtig, um Finanzierungsquellen zu erschließen. Angesichts der gegenwärtigen Zurückhaltung der Banken gewinne privates Kapital an Bedeutung. In den USA gebe es bei Wagniskapitalgebern großes Interesse an alternativen Energien. Weiter sollten deutsche Unternehmen laut Imberg bedenken, dass sie nur schwer Fachkräfte vor Ort finden: „Die muss man sich meist selbst heranziehen, etwa durch Schulungen.“
Vieles möglich
Dena-Experte Bauer rät, sich nur mit einem durchdachten Konzept auf den US-Markt zu wagen. So müsse man vorab ermitteln, ob es in den USA für eine Ansiedlung und die eigenen Produkte überhaupt Bedarf gibt. So sei etwa die Förderung in Kalifornien derzeit am attraktivsten. Doch eben dort sei der Markt auch bereits am weitesten entwickelt, was die Chancen für Neueinsteiger mindere. Andere Bundesstaaten eifern bereits dem Beispiel des Westküstenstaates nach, so etwa Nevada und Arizona. Insbesondere im Süden der USA liegt dies angesichts des Sonnenangebots nahe. Texas, heute bei der US-Windkraft führend, strebt das auch für die Sonnenenergie an.
Martina Ecker, Cleantech-Expertin der Investmentbank Jefferies, geht davon aus, dass in den USA zwar zunächst Großprojekte nachgefragt werden, da sie für die Energieversorger zurzeit attraktiv seien. Generell gehöre die Zukunft aber wohl eher Aufdachprojekten, etwa für Gebäude von Supermärkten wie Safeway und Walmart. Für Regierungsgebäude sieht sie hier kurzfristig die größte Nachfrage. Die Förderprogramme hierfür dürften schnell umgesetzt werden, so Ecker. Anbieter von Solarsystemen sollten beachten, dass US-Kunden möglichst simple und einfach zu handhabende Systeme bevorzugen, meint Phillip Kunze von Solaria.
Die Berliner Solon AG gehört zu den deutschen Anbietern von Solarsystemen auf dem US-Markt. Sie produziert diese seit 2008 in Tucson, Arizona, wo sie auch Solarmodule herstellt. „Als deutsches Unternehmen braucht man in den USA Partner vor Ort und vor allem Zeit“, bilanziert Vorstandschef Thomas Krupke die bisherigen Erfahrungen von Solon. Dies gelte insbesondere für die Umsetzung von Solarprojekten. Zudem seien auf dem US-amerikanischen Markt „viele Cowboys unterwegs“. Damit bezeichnet Krupke Konkurrenten, die bei Tendern für Solarkraftwerke ihre Angebote so günstig ansetzen, dass sie zwar zunächst den Zuschlag bekommen, dann aber die Projekte nicht umsetzen können. Bereits in mehreren Fällen sei Solon deshalb nach Monaten von den Ausschreibern noch einmal aufgefordert worden, erneut ein Angebot vorzulegen, weil der Sieger der ersten Runde sich zurückziehen musste. Dies wertet der Solon-Chef als weiteren Beleg dafür, dass man als Akteur auf diesem Markt „einen langen Atem benötigt“. Dennoch sei er von den Wachstumschancen in den Vereinigten Staaten überzeugt. Diese seien zwar „kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aber eines der großen Möglichkeiten“.
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