Ideale Maße

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Wie ein gestrandeter Walfisch liegt es am Ufer, seine gläserne Haut glänzt im dunstigen Sonnenlicht: Die geschwungene Hülle wölbt sich über eine 125 Meter lange und 82 Meter breite Innenkonstruktion aus Beton. Das Klimahaus 8° Ost ist der Ankerpunkt des 40 Hektar großen, neu gestalteten Hafengeländes am Weserufer. Ab Ende Juni wird das interaktive Museum für Klimaforschung in Bremerhaven seine Besucher einmal rund um den Erdball schicken: Entlang des achten Längengrades können Erwachsene und Kinder auf ihrer Entdeckungstour trockene Wüstenluft spüren, in arktische Winde geraten und die feuchte Hitze tropischer Regenwälder erleben. Bis zur Eröffnung arbeiten die Ausstellungsmacher noch auf Hochtouren an einer möglichst realistischen Inszenierung unterschiedlicher Klimazonen auf 11.500 Quadratmetern. Dabei zeigen sie deren Schönheit, thematisieren aber ebenso aktuelle Probleme durch den Klimawandel.

„Im ersten Schritt heißt es immer, interne Lasten zu reduzieren“, sagt Wolfgang Keßling. Als Projektleiter bei Transsolar ist der Münchener Physiker verantwortlich für das Energiekonzept des Bremerhavener Klimahauses. Bereits in der Entwurfsphase hat das Planungsteam das Energiekonzept für das Ausstellungsgebäude erstellt und sich damit gegen internationale Mitbewerber durchgesetzt. Es liegt auf der Hand, dass für die Simulation solch extrem unterschiedlicher Klimata auch das Gebäude selbst ein ausgefeiltes Klimakonzept benötigt, will es doch Anstöße für klimagerechtes Handeln geben. Das Thema Nachhaltigkeit sollte sich deshalb auf Wunsch der Betreiber in der Architektur widerspiegeln.

Statt mit einer energieaufwändigen Vollklimatisierung schafften die süddeutschen Ingenieure mittels natürlicher Belüftung und Bauteilkühlung komfortable Aufenthaltsbedingungen. Um die unterschiedlichen Klimazonen tatsächlich erlebbar zu machen, nutzt Transsolar bewusst das Temperaturempfinden der Besucher. Neben der Raumtemperatur setzt man gezielt Wärme- und Kältestrahlung sowie die Luftfeuchte zur Klimatisierung und Inszenierung ein. Durch Bauteilaktivierung und die Nutzung von Geothermie über Energiepfähle im Fundament kommt das Gebäude komplett ohne mechanische Kälte aus.

Strom und Schatten

Den Strom für den Betrieb von einem der vier Ausstellungsbereiche produziert eine fassadenintegrierte Photovoltaikanlage. Gleichzeitig verschatten die Solarzellen die darunterliegende Halle, Plaza genannt. Diese bildet die Verbindung zwischen dem Klimahaus und dem benachbarten Einkaufszentrum. Wolfgang Keßling wies die Bauherrn gleich auf die Problematik hin, als das Element der Plaza zu einem relativ späten Zeitpunkt in den Entwurf hineinkam. „Wenn ihr hier im Dachbereich komplett verglasen wollt, kommt ihr ohne Sonnenschutz nicht aus.“ Diesen Umstand machte sich der Klimaingenieur schließlich zunutze, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Keßling konzipierte eine Glasfassade mit integrierten Solarmodulen. „Dabei war es mir wichtig, mit den Erträgen einen konkreten Bereich der Ausstellung versorgen zu können und damit einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Verbrauch und der Solarstromproduktion.“ Denn den gesamten Strombedarf des Museums mit Photovoltaik zu decken, stand außer Frage.

Die Ausstellungsmacher griffen den Gedanken auf und ordneten die 37-Kilowatt-Anlage dem Ausstellungsbereich „Chancen“ zu. Der gewonnene Solarstrom wird trotzdem nicht direkt vor Ort verbraucht, sondern ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Rechnerisch deckt er jedoch den Bedarf, der im Museum dort anfällt, wo die Besucher angeregt werden, über die eigenen Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf das globale Klima nachzudenken und neue Ideen für den Umgang mit Energie im Alltag zu entwickeln. Im Kontrast zu dem Gebäude mit seiner extravaganten Form und dem aufwändigen Innenleben auf 37 Ebenen kommt die integrierte PV-Anlage eher nüchtern daher. Dass die Anlage das knappe Budget der gebogenen Glasfassade nicht sprengte, liegt maßgeblich an der frühzeitigen Zusammenarbeit der Architekten mit dem Photovoltaikplaner.

„Wir haben versucht, eine Fassade mit Modulen zu planen, die möglichst die gleichen elektrischen Kenndaten aufweisen und dann auch quasi die gleiche Transparenz erreichen“, erklärt Siegfried Baumgartner sein Vorgehen. Wenn es an die Umsetzung architektonisch integrierter Solarstromanlagen geht, wird der Regelungstechniker aus dem Allgäu häufig von Transsolar ins Team geholt. „Architekten müssen nicht viel wissen über Photovoltaik, sie sollten lediglich zu einem frühen Zeitpunkt im Projekt einen richtigen Spezialisten hinzuziehen“, sagt Baumgartner. Denn in seinen Augen muss der Fachplaner in jedem Moment den Überblick behalten, welche Entscheidung welche Konsequenzen nach sich zieht. „Optimal ist es, wenn man früh gemeinsam loslegt. Dann kann der PV-Planer den Architekten beraten, damit man eine größere Produktauswahl zur Verfügung hat und es zu einem Wettbewerb unter verschiedenen Herstellern kommt.“

Für die Plaza in Bremerhaven entwickelte Baumgartner den Ehrgeiz, trotz der freien Form des Glasdaches eine wirtschaftliche Anlage zu realisieren. Dafür stellte er die Frage nach der Fassadeneinteilung einmal andersherum. Er wollte wissen, welches Grundraster sinnvoll sein könnte für den Einsatz von Glas-Glas-Modulen. So entwickelte Baumgartner die Fassadenkonstruktion auf Grundlage eines in der Photovoltaik üblichen Rasters und stellte damit sicher, dass am Ende keine geschnittenen Solarzellen verwendet werden müssen. Außerdem könne so gewährleistet werden, dass über die Ausschreibung ein guter Preis erzielt wird, betont der Fachingenieur. Denn wenn ein Architekt unbedingt eine fünf Meter lange Scheibe mit integrierten Solarzellen in einem Stück haben möchte, komme eben nur eine Firma für die Herstellung in Frage, die dann durch ihr Alleinstellungsmerkmal den Preis diktieren könne. „Schließlich sind wir von einem Grundraster von 1,20 Meter ausgegangen, weil das ein gängiges Dünnschichtmaß ist“, erklärt Baumgartner. Denn für die Glas-Glas-Module in Isolierglasausführung kamen sowohl semitransparente Dünnschichtzellen in Frage als auch monokristalline Siliziumzellen.

Einheitliches Gesamtbild

Zum Zeitpunkt der Ausschreibung hatten die mit der Ausführungsplanung beauftragten Architekten (Büro „agn“) die maßgeschneiderte Tragkonstruktion aus Aluminium bereits durchgeplant. Da eine Dünnschichtanlage auf der begrenzten Fläche des Glasdachs nicht die gewünschte Leistung erreicht hätte, einigten sich Bauherrn und Planer auf schwarze, monokristalline Zellen. Mit einer einheitlichen Breite von 1.174 Millimeter variieren die 134 Glaselemente lediglich in der Länge, teilweise jedoch nur um einige Zentimeter. Die Isoliergläser mit schwarzen Sunways-Zellen stellte Ertex Solar in Österreich her. Mit Hilfe von Digitaldruck haben die Amstetter Spezialisten für architektonische PV-Integration zusätzlich einige Dummys produziert. Diese wurden im oberen, teilweise verschatteten Bereich eingebaut. Sie sehen den aktiven Modulen verblüffend ähnlich und sorgen so für ein einheitliches Gesamtbild.

Mit einer Transparenz des gewölbten Glasdaches von 18 Prozent wird die Plaza gut belichtet, ohne zu überhitzen. „Die Module sind nicht ganz bis an den Scheibenrand mit Solarzellen belegt. Dadurch ergibt sich ein fast magisches Licht auf der Plaza“, schwärmt der ausführende Architekt Wolf Bartuszat. Für ihn lag die Herausforderung in der Geometrie der Glasfassade, die sich als freie Form gestaltet. „Manchmal planen Architekten auch mit einem Hersteller“, berichtet Baumgartner von seiner Erfahrung mit anderen Projekten. „Die gesamte Planung wird dann auf deren Produkte zugeschnitten.“ Dadurch sei man nicht mehr flexibel. Am Ende stünden häufig höhere Kosten im Raum als anfangs besprochen und das Ganze verlaufe im Sande.

Worauf kommt es also an bei der Realisierung einer PV-Fassade in der Architektur? „Das Vertrauensverhältnis zwischen Bauherrn und Fachplaner ist ganz wichtig“, meint Siegfried Baumgartner. „Der Bauherr, die Stadt Bremerhaven, wollte die Photovoltaik am Klimahaus und ist viele Wege mitgegangen. Wir garantieren im Gegenzug die Qualität der eingesetzten Komponenten und des Gesamtkonzepts.“ Die Größe einer Anlage spiele eigentlich keine Rolle. Sein Kollege Wolfgang Keßling betont immer wieder den Blick auf das Gesamtenergiekonzept eines Gebäudes. „Ich will nicht ein bisschen PV installieren, um dann einen Zähler im Eingangsbereich aufzuhängen. Aus dieser Phase ist die Photovoltaik heraus. Wir können Kraftwerke bauen.“ Deshalb legt Keßling besonderen Wert auf die Multifunktionalität der Bauteile. In seinen Augen sollte es immer eine konkrete Verbindung zwischen Architektur und integrierter Photovoltaikanlage geben.

Im Bereich „Chancen“, dessen Strombedarf durch Solarstrom der hauseigenen Anlage gedeckt werden könnte, thematisieren die Ausstellungsmacher explizit die Photovoltaik. Sie zeigen die Möglichkeiten der solaren Stromerzeugung, erläutern Aufbau und Funktionsweise der eigenen Anlage und demonstrieren, was diese am Standort alles leistet. Die obligatorische Anzeigetafel im Eingangsbereich wird es ebenfalls geben, so dass auch Passanten, die nicht die Ausstellung besuchen, sich von der Kraft der Sonne ein Bild machen können.

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