Design aus Marbach im Reich der Mitte

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Nicht wirklich ernst genommen haben Timo Bauer und seine Kollegen von der Marbacher Würth Solar die Anfrage nach mehreren tausend CIS-Modulen für das Glasdach des neuen Pekinger Südbahnhofs. Zwei eher unscheinbare Mitarbeiter eines chinesischen Fassadenbauunternehmens sprachen ihn am Messestand auf der European Photovoltaic Solar Energy Conference in Dresden an.

Doch bereits eine Woche später staunten die Marbacher nicht schlecht. „Wir steigen jetzt ins Flugzeug und kommen zu Ihnen“, teilten die Chinesen per Telefon mit. Das war im Herbst 2006. Mittlerweile sind 5.200 Module von Würth Solar in die Dachhaut des neuen Pekinger Bahnhofs integriert und spenden dort Strom und Schatten. Auf der Großbaustelle beginnen nun die Innenausbauarbeiten, damit der Verkehrsknotenpunkt planmäßig am 4. August, vier Tage vor Eröffnung der Olympischen Spiele, eingeweiht werden kann.

Gefragtes Design

Die süddeutsche Würth Solar, Hersteller von Dünnschichtmodulen in Serienfertigung, ist bei diesem Projekt Partner der chinesischen Ruihua Construction Cor poration (RHC), die weltweit die Glashäute namhafter Projekte realisiert. Außer dem Pekinger Bahnhofsdach verkleidet sie derzeit die Fassaden zweier großer Gebäude auf dem Gelände des Olympischen Dorfes. „Sie wussten genau, was sie wollten, und waren sehr gut informiert“, erinnert sich Produktmanager Bauer an das erste Treffen mit den RHC-Abgesandten. „Sie hatten sich schon auf die CIS-Technologie fixiert.“ Dabei drehte es sich nicht nur um technische Fragen. „In CIS-Technologie gefertigte Module sehen besser aus als andere Dünnschichtmodule. Sie haben eine schönere Farbe“, erläutert Landrew Zhou, Projektleiter bei RHC, seine Entscheidung. „Wir haben den Designern des Glasdaches in China diese Module vorgestellt. Sie waren zufrieden mit dem Erscheinungsbild.“

Einem gigantischen Diskus gleich, wird der neue Pekinger Südbahnhof laut RHC größter Bahnhof Asiens und Verkehrsknotenpunkt für Bahn, U-Bahn, Stadtbahn, Bus und Taxi in der Hauptstadt. Auf einer Grundfläche von 50.400 Quadratmetern entwarf die chinesische Architektin Wang Mu das flache Gebäude mit zwei über- und drei unterirdischen Stockwerken. Mit insgesamt 220.000 Quadratmetern hat es dreimal so viel Fläche wie der Berliner Hauptbahnhof, der immerhin der größte Bahnhof Europas ist. Ab dem Jahr 2010 soll der Südbahnhof die Endstation des Hochgeschwindigkeitszugs sein, der die Metropolen Schanghai und Peking verbindet.

Ein Glasband verläuft in bis zu 40 Meter Höhe quer durch das frei über die Aufenthaltshalle gespannte Dach des Bahnhofs. In diesem Oberlicht sind die schwarzen Module im Schachbrettmuster abwechselnd mit Klarglasfeldern angeordnet. „Vom Format her ist jedes Glas anders, da alle Elemente zusammen eine Krümmung ausbilden“, sagt SBauer. „Je nach Format sind zwischen neun und 18 CIS-Module in eine Isolierglasscheibe eingebettet.“ Bei 5.200 Modulen mit je 75 Watt hat die Anlage eine Spitzenleistung von 390 Kilowatt. Damit ist sie die größte gebäudeintegrierte Solarstromanlage in CIS-Technologie weltweit. RHC hat die Glas-Glas-Module von Würth komplett in einen Isolierglasverbund eingebettet.

Technisches Know-how gefragt

„Die Problematik lag in der technischen Lösung für die Ausführung der Module, denn die Lagerung im Isolierglas war hier eine besondere“, sagt Bauer. Die fünfköpfige Delegation aus Shenzhen hatte deshalb mehrere Tage in Marbach verbracht, um technische und organisatorische Fragen zu klären. „Wir haben uns anpassen müssen, und die Fassadenbauer haben sich anpassen müssen. Denn je näher die Lösung am Standardmodul liegt, umso kostengünstiger können wir produzieren“, resümiert Bauer die Konzeptionsphase.

Unter enormem Zeitdruck fertigte Würth Solar schließlich die bestellten Module. Im Januar dieses Jahres kamen sie im RHC-Werk in Shenzhen an der Grenze zu Hongkong an. „Der Transport der Module war eine große Herausforderung“, sagt Bauer. „Wir haben sie in speziell gefertigte Kisten verpackt und verschifft. Erstaunlicherweise ging kein einziges Modul auf der Reise zu Bruch.“ Eine Woche verbrachte Vertriebsmann Bauer in China, zuerst im RHC-Werk in Shenzhen und dann auf der Baustelle in Peking. „Die Projektbegleitung war spannend“, sagt er. „Was ich vor Ort gesehen habe, hat mich sehr beeindruckt. Unsere Partner haben professionelle Arbeit geleistet. Isoliergläser zu bauen ist schon etwas Besonderes.“

Bauer begleitete auch den Weitertransport der photovoltaischen Isoliergläser. Auf Lastwagen fuhren die Glaselemente in die etwa dreieinhalb Flugstunden nördlich von Shenzhen gelegene Hauptstadt. Für den Einbau und die Verkabelung der Energieeinheiten inklusive SMA-Wechselrichter war die chinesische Firma Resun, ein Tochterunternehmen von RCH, verantwortlich. „Bei maximal neun Grad Neigungswinkel der Module würde man in Deutschland mit 600 bis 650 Kilowatt pro Jahr rechnen“, schätzt Timo Bauer. Die Prognose für die Pekinger Anlage kennt er nicht. Klimatisch betrachtet ist die Region nicht ganz unproblematisch für horizontal angeordnete Solarelemente. „Über die Stadt weht ständig der Sand aus der Wüste Gobi“, erklärt Bauer. Die Winde wehen aus der Mongolei in Richtung Meer, weshalb das Licht immer diffus sei. In Peking sehe es immer bewölkt aus, sagt er. Das chinesische Designbüro RH-Tech, dem die Ausführungsplanung des Glasdaches unterliegt, errechnete für die Anlage im Pekinger Bahnhofsdach einen Ertrag von 590 Kilowatt pro Jahr. Insgesamt 230.000 Kilowattstunden soll die Pekinger Solarstromanlage Jahr für Jahr erzeugen.

Ausbau der Zusammenarbeit

„Es war sehr spannend, ein Projekt in China abwickeln zu dürfen, besonders im Olympiajahr“, sagt Bauer rückblickend. „Die Kommunikation über die Ferne war erstaunlicherweise wesentlich einfacher, als es teilweise bei Projekten hier um die Ecke der Fall ist.“ Die Einladung zum traditionellen Hundeessen vor Ort hat Bauer allerdings dankend abgelehnt. Und die Gastgeber akzeptierten seine Zurückhaltung. „Es ist uns eine Ehre, dass wir diesen Auftrag bekommen haben“, fasst Bauer zusammen. Dass Würth Solar nach China liefern darf, in Zeiten, in denen auf vielen Produkten „Made in China“ steht, freut ihn ganz besonders. Noch dazu mit einem anspruchsvollen Projekt der Gebäudeintegration, nicht bloß mit einfachen Standardmodulen. Auch Landrew Zhou von RHC zeigt sich zufrieden mit der deutsch-chinesischen Kooperation. „Der Kontakt zu Würth besteht nun seit zwei Jahren. Die Qualitätsüberwachung dort ist sehr gut, und die Zusammenarbeit hat gut geklappt.“

Vielleicht wird sie das auch in Zukunft, denn Zhou wünscht sich eine weiterführende Kooperation mit Würth Solar. „Wenn wir hier in China eine Produktionslinie für CIS-Module aufbauen könnten, würde das die Kosten für uns reduzieren.“

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