Es wird ernst für die PV-Branche in Spanien: Der von Industrieminister Miguel Sebastián vorgelegte Gesetzentwurf sieht drastische Einschnitte des geltenden Königlichen Dekrets (Real Decreto) 661/2007 vor: Die Einspeisevergütung soll ab dem 30. September 2008 um bis zu 35 Prozent gekürzt werden. Bei Freiflächenanlagen sollen die Einspeisetarife von derzeit 45 auf 29 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden. Bei Dachanlagen will das Ministerium eine Kürzung auf 33 Cent pro Kilowattstunde durchsetzen. Ist die Anlage ans Netz gegangen, soll die Entwicklung des Tarifs dann wie bisher dem Verbraucherpreisindex folgen.
Im kommenden Jahr soll ein Deckel der neu installierten Leistung von 300 Megawatt gelten. Für Dachanlagen sind Ausbauobergrenzen von 200 Megawatt und von 100 Megawatt für Freiflächenanlagen vorgesehen. Die maximale Anlagengröße soll auf zwei Megawatt begrenzt werden. Nur PV-Anlagen, die rechtzeitig vor Ende September die endgültige Eintragung ins Register Stromerzeuger im besonderen Vergütungsregime (REPE) erhalten, sollen noch wie bisher vergütet werden.
Die neuen Regelungen sehen zudem die Einführung eines Registers für die Tarifeinstufung von Neuanlagen vor. Damit soll bereits im Vorfeld klargestellt werden, welche Anlagen welchen Tarif erhalten. Dieses Register weist in Quartalsperioden den jeweils aktuellen Tarif bis zu einer Höchstgrenze an neuer Leistung zu (75 Megawatt je Quartal). Wird dieser Deckel zum Ende des Quartals erreicht, reduziert sich die Vergütung um weitere 2,5 Prozent. Die Entwicklung des Einspeisetarifs richtet sich somit nach der Geschwindigkeit des Zubaus. Je stärker der Markt wächst, desto schneller sinkt der Tarif. In dem Maße wie in einem Jahr die Förderung zusätzlich reduziert wird, soll dann jedoch die Deckelung im Folgejahr erhöht werden.
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Mit der neuen Regelung will das Industrieministerium vor allem die Errichtung von Aufdachanlagen fördern. Die Marktdynamik für Freiflächenanlagen soll gebremst werden, bis sich die Zahl der Neuanlagen pro Quartal deutlich reduziert hat. Das neue Gesetz soll im Prinzip bis 2020 gelten – mit Novellen natürlich. Minister Sebastián möchte damit im Jahr 2020 bei 6.000 bis 8.000 Megawatt installierter PV-Leistung landen, was 2,5 Prozent der spanischen Stromversorgung entspricht. Bisher wurden Solarstromstromanlagen mit einer Leistung von 1.500 Megawatt in Spanien gebaut (0,7 Prozent der Stromversorgung).
Das Industrieministerium in Madrid hat den neuen Gesetzentwurf zur Regelung der PV-Tarife am 18. Juli an die Nationale Energiekommission (Comisión Nacional de Energía, CNE) übergeben. Er soll „im Eilverfahren durch die Genehmigungsinstanzen gebracht werden“, sagte Pressesprecher Asunción Crespo gegenüber der PHOTOVOLTAIK. Die CNE hat in der Regel einen Monat Zeit, das Gesetzeswerk auf technische Korrektheit zu prüfen. Im vorliegenden Fall will das Ministerium den Entwurf laut Crespo schon bis Ende Juli wieder zurückbekommen.
Die Nationale Energiekommission kann Entwürfe ablehnen. Dies geschah beispielsweise im September und Oktober vergangenen Jahres mit dem ersten Gesetzentwurf zum Nachfolgemodell des am 28. September auslaufenden Königlichen Dekrets 661/2007. Lehnt die CNE einen Entwurf ab, muss das Ministerium den Entwurf überarbeiten und erneut einreichen. Diese Schleife dauert so lange, bis die Energiekommission keine technischen Unkorrektheiten mehr beanstandet. Vom Industrieministerium geht das modifizierte Werk an den Rat des Staates (Consejo de Estado), ein beratendes Organ der Regierung. Nächste Station ist erneut das Industrieministerium. Als letzte Etappe passiert der Entwurf den Ministerrat (Consejo de Ministros) und erscheint im Staatsanzeiger. In der Regel dauert der gesamte Prozess drei Monate.
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„Die Mitsprachemöglichkeiten für die Solarverbände sind durch die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens generell kleiner geworden“, sagt Tomás Díaz, Sprecher von ASIF (Asociación de la Industria Fotovoltaica). Bis zuletzt hatten die PV-Verbände versucht, über Verhandlungen Einfluss auf das Ministerium zu nehmen – ohne Erfolg. Während der Bearbeitungszeit bei der Nationalen Energiekommission haben sie dennoch noch ein Mitspracherecht. Der CNE angegliedert ist ein beratendes Gremium. Dort sind Naturschutzorganisationen oder eben die Solarverbände vertreten. Die PV-Industrie kann über diese Schiene noch einmal ihre Bedenken gegen den Gesetzentwurf vorbringen.
ASIF-Vertreter Dias hat die Hoffnung dennoch nicht ganz aufgegeben, das Schlimmste zu verhindern. Trotz der fortgeschrittenen Entwicklung bestünden Chancen, das Gesetzeswerk noch zu ändern. Schließlich beinhalte der Entwurf noch „etliche Unschärfen“. Nicht im Detail geklärt sei beispielsweise, wie mit den Solarparks mit einer Gesamtleistung von 120 Megawatt umgegangen werden soll, die nach Schätzung von ASIF die Einschreibefrist ins Spezialregister REPE bis 28. September nicht schafft. Auch sei bislang nicht aufgeführt, wie die Anlagen eingestuft werden sollen, die sich von Oktober bis Ende Dezember diesen Jahres in das Register eintrügen. Denn die Deckelung von 300 Megawatt gelte ja nur für das Jahr 2009.
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Trotz des Zweckoptimismus hat das schnelle Handeln der spanischen Regierung die Branche im Kern getroffen. „Dieser Entwurf lähmt die Entwicklung des Photovoltaiksektors“, konstatierten die Verbände ASIF und APPA (Asociación de Productores de Energías Renovables) in einer gemeinsamen Erklärung. Nach ersten Schätzungen drohen den Unternehmen der Branche Verluste von rund 450 Millionen Euro. Investitionen in der Größenordnung von rund vier Milliarden Euro gelten als gefährdet. Zudem befürchten die Verantwortlichen ein großes Unternehmenssterben. Die gekürzten Vergütungssätze könnten künftig allenfalls von größeren Solarparks geschultert werden. Kleinere Dachanlagen seien weiterhin außen vor. Vor diesem Hintergrund fordern ASIF und APPA die Erhöhung der Deckelung auf mindestens 600 Megawatt Leistung. Dieser Zuwachs in 2009 nähme in etwa die gleiche Größenordnung ein wie das Wachstum 2007 mit 512 Megawatt.
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Die bereits am 26. Juni vom Industrieministerium vorgestellten Eckpunkte der Kürzungen hatten innerhalb der Branche zu großen Spannungen geführt. Einen Tag später, am 27. Juni, spalteten sich 13 Unternehmen aus dem bis dahin einzigen PV-Verband ASIF ab. Die abtrünnigen Unternehmen arbeiten nun unter dem Dach der Vereinigung Asociación Empresial Fotovoltaica (AEF) für ihre eigenen Interessen. Konfliktstoff lieferte die Deckelung des Zubaus und die Beschränkung der Anlagengröße. Während ASIF für kleinere Parks plädierte, damit bei einer Deckelung des jährlichen Zubaus mehr Unternehmen Projekte abwickeln können, kämpft AEF vor allem für Mega-Parks. Obwohl der neue Verband nur 13 Mitglieder hat, ASIF dagegen 517, kann AEF vor allem mit wirtschaftlichem Gewicht punkten. In der Asociación Empresial Fotovolaica sind vor allem die Schwergewichte der spanischen PV-Industrie vertreten: Solaria, Isofotón, OPDE, Gamesa Solar, Siliken, BP Solar, T-Solar, Bergé Generación, Guascor, Fotowatio, Isolux Corsán, Gestamp Solar und Solar Pack. Entsprechend geizte Juan Laso, Kopf des neuen Verbandes und Vorsitzender von T-Solar, nicht mit dem wirtschaftlichen und politischen Gewicht: „Wir repräsentieren rund 70 Prozent der jährlichen Investitionen der Branche.“ In Zahlen ausgedrückt sind dies 800 Millionen Euro. Bis Ende 2008 halten die 13 Unternehmen Produktionskapazitäten von rund 800 Megawatt bereit.
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Inwieweit die Verbände ihre Ziele durchsetzen kann, wird die Zeit zeigen. Am Zug ist jetzt der Regierungsapparat. Einerseits hofft die Branche auf Einwände der Nationalen Energiekommission zu Gunsten der Photovoltaik und damit auf eine Verzögerung des Verfahrens. Andererseits könnte hierdurch die Genehmigung zahlreicher Solarparks behindert werden, wenn diese den nötigen Eintrag ins Spezialregister nicht rechtzeitig schaffen. Große Schwierigkeiten drohe vor allem Anlagen, die ans Mittelspannungsnetz (Media Tensión, MT) angeschlossen werden, erläuterte ASIF-Sprecher Díaz. Dieses Verfahren nehme etwa zwei bis drei Monate in Anspruch. Im Vorfeld seien zahlreiche Anlagen beim Kampf um den Einspeisepunkt und durch Versorgungsengpässe von Material in zeitlichen Verzug gekommen. Erste Landesregierungen haben nun erste Schritte unternommen, um den Unternehmen entgegenzukommen. So erwartet die Regierung von Kastillien und León den Antrag bis spätestens 1. August, damit der Eintrag ins Spezialregister mit Sicherheit bis 28. September erfolgt. Auf andere Art kam die Regierung von Valencia den Parkbetreibern entgegen: Die Region im Osten Spaniens bot allen Unternehmen, die den Registereintrag nicht rechtzeitig unter Dach und Fach bringen, eine Karenzzeit von bis zu sechs Monaten an. Diesen Plänen erteilte das Industrieministerium allerdings eine deutliche Ansage. „Es wird keine Verlängerung der Frist geben“, zitierte die Zeitung Cinco Días den Generalsekretär für Energie, Pedro Luis Marín Uribe.
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Für Außenstehende ist das drastische Handeln der spanischen Regierung auf den ersten Blick nicht verständlich. Wieso würgt das Land solch einen prosperierenden Wirtschaftszweig wie die Photovoltaik im Kern ab? Ein Sektor, der bislang 26.000 zumeist hoch qualifizierte Arbeitsplätze schaffte und das Land ins Spitzenfeld der internationalen PV-Märkte katapultierte. Die Argumentation des Industrieministeriums erinnert an die Auseinandersetzung um die Zukunft des EEG in Deutschland. Minister Miguel Sebastián rechtfertigt die geplanten Einschnitte vor allem mit der Entwicklung der Strompreise. 50 Prozent des Anstiegs der Stromtarife von zuletzt 5,6 Prozent im Juli sei auf die hohe Vergütung der Photovoltaik zurückzuführen, sagte er am 16. Juli vor Landesministern bei einer Zusammenkunft in Madrid. Deshalb müsse nun gegengesteuert werden. Mit der neuen Regelung könnten 415 Millionen Euro eingespart werden. Die Branchenverbände zweifeln diese Argumentation an. „Wir glauben nicht, dass dies korrekt ist“, sagt ASIF-Sprecher Díaz.. Die Ursache liege woanders: Da die Stromtarife in Spanien von der Regierung festgelegt werden, die Preise aber unter den Gestehungskosten der Energieversorger liegen, habe sich mittlerweile ein Schuldenstand von rund 15 Milliarden Euro aufgehäuft. Dieser Schuldenberg müsse nun abgetragen werden und führe zu einer Erhöhung der Strompreise, argumentiert der ASIF-Vertreter.
Wie der Interessenkampf um die weitere PV-Förderung in Spanien ausgeht und wie die Weichen genau gestellt werden, werden die nächsten Wochen zeigen. Absehbar ist jedoch, dass sich die Regierung Zapatero im Wesentlichen an die Eckpunkte des vorgelegten Gesetzentwurfes halten wird, auch wenn sich noch kleinere Änderungen ergeben können. Die Goldgräberstimmung bei der Photovoltaik auf der iberischen Halbinsel ist jedenfalls schon jetzt vorbei.
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