Breites Bündnis übt entschieden Kritik am Zustand der Stromnetze

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Unter Federführung des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE) hat ein Bündnis von 13 Verbänden einen Appell unter dem Titel „Zugang zu Stromnetzen sichern – Zukunft ermöglichen“ veröffentlicht. Am Dienst stellten Vertreterinnen und Vertreter der unterzeichnenden Organisationen ihren Aufruf und die dahinterstehenden Motive vor. Die Wortwahl war teilweise drastisch. Das Bemühen um einen stärkeren Netzanschluss für sein Unternehmen „unfassbar frustrierend“, sagte FynnWilhelm Lohe, Geschäftsführer des in Leer (Ostfriesland) ansässigen Kaminofenherstellers Leda. Zum ersten Mal in seiner beruflichen Laufbahn wisse er eigentlich kaum noch, wie sich „ohne zivilen Ungehorsam“, etwa das Verweigern von Zahlungen, eine vernünftige Lösung finden lassen soll. Man wolle aber weiter daran arbeiten.

Das Problem im Falle von Leda: Ein mit Koks und damit extrem CO2-intensiv betriebener Ofen soll durch eine elektrisch betriebene Anlage ersetzt werden. Dafür braucht es einen Netzanschluss mit sieben Megawatt Kapazität. Der örtliche Netzbetreiber EWE habe aber, so Lohe, die geringe lokal noch verfügbare Kapazität von 40 Megawatt bereits für Batteriespeicherprojekte eingeplant. Eine Ertüchtigung des örtlichen Umspannwerks werde voraussichtlich erst 2032 erfolgen. In einer Region, in der die vielen Wind- und Biomassekraftwerke ständig abgeregelt werden, kommt Leda somit nicht an den begehrten Grünstrom heran.

Netzausbau ist nicht Folge, sondern Voraussetzung

Jan-Oliver Heidrich, Vorsitzender des Energieausschusses beim Handelsverband Deutschland (HDE), schilderte typische Probleme von Mitgliedsunternehmen. Die seien zur Installation von Photovoltaik-Anlagen und Elektroauto-Ladeinfrastruktur verpflichtet und, so versicherte er, hierzu auch durchaus bereit. Die an einem typischen Supermarkt-Standort verfügbare Anschlusskapazität reiche dafür indes meist nicht aus. Es sei aber noch nicht lange her, dass entsprechende Anfragen bei den Netzbetreibern in 80 Prozent der Fälle noch nicht einmal eine Antwort erhielten. Mittlerweile sei die Situation besser – aber nur geringfügig. „Es kann ja nicht sein, dass man uns verpflichtet, Ladeinfrastruktur auf die Parkplätze zu stellen, wir dann aber an den Netzanschlüssen scheitern“, so Heidrich. Man solle zwar „nicht alle über einen Kamm scheren, aber die Verweigerungshaltung vieler Netzbetreiber stört uns schon sehr“.

Sarah Bäumchen, Geschäftsführerin des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), wies auf die generelle Bedeutung leistungsfähiger Netze als Standortfaktor hin. Die oft gehörte Formel, dass die Transformation der Energieversorgung an den Netzausbau angepasst werden müsse, wies sie entschieden zurück: „Der Netzausbau ist die Voraussetzung und nicht die Folge der Transformation“. Es gehe eben nicht nur um den Anschluss von Erzeugungsanlagen, sondern auch von Verbrauchern. Die riesigen Chancen etwa durch industrielle KI-Anwendungen ließen sich nicht nutzen, wenn die Versorgung der nötigen Rechenzentren nicht gesichert sei. Der im Monitoringbericht zur Energiewende taxierte Strombedarf von jährlich 600 bis 700 Terawattstunden im Jahr 2030 sei aus Sicht des ZVEI „das absolute Minimum“.

Wolfgang Saam, Abteilungsleiter Klimaschutz-, Energiepolitik und Nachhaltigkeit beim Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), berichtete von immensen Problemen, die Mitglieder des Verbands bei der Umsetzung von Mieterstromprojekten haben. Eine Befragung der Unternehmen habe ergeben, dass Photovoltaik-Anlage bei Mieterstromprojekten im bundesweiten Durchschnitt 278 Tage lang fertig installiert und betriebsbereit sind, bevor endlich der Netzanschluss erfolgt; der Höchstwert habe dabei 501 Tage betragen.

Netzbetreiber sollen „Energiewendekompetenz“ beweisen

BNE-Geschäftsführer Robert Busch verwies auf den von der Ampelregierung durchgeführten Netzanschlussgipfel. Es sei „wirklich ein riesiger Rückschritt“, dass dieser Dialog derzeit nicht fortgeführt werde. Die Digitalisierung der Netze müsse endlich Fahrt aufnehmen, und dabei sei es sehr wichtig zu beachten, dass dies – Stichwort „Smart Meter“ – nicht nur die Anschlüsse der Kunden betreffe, sondern auch das Netz selbst.

Die Umsetzung der im Branchendialog „Beschleunigung von Netzanschlüssen“ erarbeiteten Maßnahmen ist denn auch eine der Forderungen des Verbändeappells. „Stromnetzanschlüsse sind systemrelevant“, heißt es dort. Nicht nur Erneuerbare-Energien-Anlagen und Speicher seien darauf angewiesen, sondern eben auch „private Haushalte, Industrie, Gewerbe, kommunale Einrichtungen und Rechenzentren“.

Der zweite Punkt des Appells betrifft die zukunftsfeste Gestaltung der Netze. Sie müssten „Strommengen flexibel in beide Richtungen transportieren können“, und deshalb seien neben dem physischen Ausbau auch „die Digitalisierung der Netze, das Heben von Energieeffizienzpotenzialen sowie die Optimierung des Betriebs der Stromnetzinfrastruktur bis zum Anschlusspunkt nötig“.

Für all dies müssten, so der dritte Punkt, Bund und Länder sowie die Bundesnetzagentur verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört die aus Sicht der Netzbetreiber mutmaßlich sehr brisante Forderung nach einer „Verankerung der Energiewendekompetenz in der Anreizregulierung“, also in dem staatlichen Regulierungsrahmen, der die missbräuchliche Nutzung der Gebietsmonopole durch die Netzbetreiber einschränken soll. Was unter „Energiewendekompetenz“ zu verstehen ist, definiert der Appell direkt im Anschluss: „Genehmigungsverfahren müssen entbürokratisiert und beschleunigt werden. Netzbetreiber müssen Anschlüsse fristgerecht bereitstellen und Netzanschlusskapazitäten transparent machen.“

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