Spanien verschärft Haftungsregeln für gemeinsame Einspeiseinfrastrukturen

Teilen

Mit dem Real Decreto-ley 7/2025 hat Spanien die zivilrechtliche Haftung für Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen mit gemeinsamer Einspeiseinfrastruktur neu geregelt („Einspeiseverbund“, in Spanien regelmäßig als Arge beziehungsweise „AIE – Agrupación de Interés Económico“ organisiert). Die Änderungen betreffen insbesondere sogenannte „Weihnachtsbaum“-Strukturen in die Stromnetze („arbol de navidad“), also Konstellationen, in denen mehrere Anlagen über eine gemeinsame Leitung oder ein gemeinsames Umspannwerk in das Stromnetz einspeisen.

Die neuen Vorschriften führen zu einer erheblichen Ausweitung der Haftung, sowohl gegenüber dem Stromnetzbetreiber als auch im Verhältnis zwischen den Betreibern. Doch wie genau ist diese Haftung zu verstehen?

Gesamtschuldnerisch gegenüber dem Netzbetreiber

Die zentrale Neuerung besteht in der Einführung einer gesamtschuldnerischen Haftung im Außenverhältnis. Das bedeutet: Jeder Betreiber kann für sämtliche Schäden oder Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der gemeinsamen Infrastruktur in voller Höhe haftbar gemacht werden – unabhängig von seinem tatsächlichen Anteil oder Verschulden.

Diese Regelung basiert auf einer Erweiterung des Artikels 21.5 der Ley 24/2013 (Ley del Sector Eléctrico). Vertragliche Klauseln, die im Außenverhältnis eine Freistellung von dieser Haftung oder eine Übertragung auf Dritte vorsehen, sind ausdrücklich unzulässig.

Innenverhältnis: gesetzliche Ersatzregelung bei fehlender Vereinbarung

Zwar wird im Gesetz selbst begrifflich nicht zwischen Außen- und Innenverhältnis unterschieden. Die Differenzierung ist nach unserer Ansicht jedoch entscheidend, um die rechtliche Vorgabe der Regelung korrekt einzuordnen.

Im Innenverhältnis zwischen den Betreibern bleibt die Vertragsfreiheit grundsätzlich erhalten. Die Betreiber sind verpflichtet, eine interne Haftungsvereinbarung abzuschließen, in der Haftung und Regressmechanismen geregelt werden. Wird eine solche Vereinbarung nicht vorgelegt, greift eine gesetzliche Ersatzregelung: Die Haftung wird proportional zur in den Netzanschlussgenehmigungen festgelegten Zugangskapazität zwischen allen Betreibern im Einspeiseverbund verteilt.

Wir erwarten, dass diese Regelung für den Fall des Fehlens einer Haftungsvereinbarung in der Praxis zu unbilligen Ergebnissen führen wird. Die gesetzliche Regelung berücksichtigt im Sinne einer „Auffanglösung“ nicht, wer tatsächlich für einen Schaden verantwortlich ist und folglich diesen allein tragen sollte: sie lässt alle Betreiber anteilig haften, sofern keine Haftungsvereinbarung vorsorglich getroffen wurde.

Versicherungsprüfung dringend empfohlen

Die Einführung der gesamtschuldnerischen Haftung erhöht folglich das individuelle Risiko für jeden Betreiber erheblich. Wir raten daher dringend, bestehende Versicherungspolicen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Insbesondere sollten folgende Punkte abgedeckt sein:

  • Schäden aus der Nutzung gemeinsamer Infrastrukturen
  • gesamtschuldnerische Haftungstatbestände
  • Regressansprüche im Innenverhältnis

Darüber hinaus könnten neue Versicherungsmodelle erforderlich werden, die speziell auf die Risiken gemeinsamer Einspeisepunkte zugeschnitten sind. Hier bieten sich nach unserer Einschätzung sogenannte „Umbrella Liability Insurance” Policen an, die nur das neue Zusatzrisiko abdecken müssen. Letztlich dürfte es sich hinsichtlich der Deckungshöhe vor allem um Ausfallrisiken im Falle einer Insolvenz handeln, da alle Einzelanlagen bereits regelmäßig über eine entsprechende Einzelpolice verfügen. Hier bietet sich im Zweifel an, einen sogenannten „2nd Layer“ abzuschließen, sofern die Grunddeckung in der Haftsumme nicht ausreichen sollte.

Im Übrigen gilt: Für neue Projekte ist der Abschluss einer internen Haftungsvereinbarung zwingende Voraussetzung für die Erteilung der Betriebsgenehmigung.

Fazit

Die Neuregelung markiert einen Paradigmenwechsel im spanischen Energiehaftungsregime. Betreiber, Investoren und Finanzierer sollten die neuen Haftungsrisiken nicht unterschätzen.

— Der Autor Jochen Beckmann arbeitet als Rechtsanwalt & Abogado sowie als Wirtschaftsmediator und Schiedsrichter (ICC) bei der internationalen Wirtschaftsprüfungs-, Steuer- und Rechtsberatungsgesellschaft Rödl & Partner in Barcelona. Der promovierte Jurist berät und vertritt insbesondere Unternehmen aus den Bereichen internationaler Anlagenbau sowie erneuerbare Energien in Spanien. —

 

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Eco Stor, Bollingstedt, Großspeicher, Batteriespeicher
Fast 2 Millionen Batteriespeicher mit 22 Gigawattstunden Kapazität in Deutschland bis Ende 1. Halbjahr 2025 installiert
18 Juli 2025 In den ersten sechs Monaten sind in Deutschland mehr als 250.000 neue Batteriespeicher mit knapp 2 Gigawatt Leistung und 3,55 Gigawattstunden Kapazitä...