Die Solarbranche ist erneut Opfer einer Betrugsmasche. Solarmodule werden unter falscher Identität bestellt und verschwinden anschließend – ohne bezahlt zu werden. Betroffen sind vorrangig Großhändler. Ein Geschädigter, der anonym bleiben will, berichtete pv magazine von Verlusten im sechsstelligen Bereich. Die Polizei bestätigt die Ermittlung.
Professionelle Täuschung
Teil der Betrugsmasche: Die vermeintlichen Käufer von Solarmodulen erstellen täuschend echte Webseiten von bestehenden Unternehmen aus der Branche. In dem der Redaktion geschilderten Fall handelte es sich um einen Bürgerenergiepark. Die Projektgesellschaften von Bürgerenergieparks hätten nur selten eine eigene Webseite mit Kontaktadressen und Sekretariat, wie der Geschädigte berichtet. So kann es nicht zur Verwechslung einer Webseite eines echten Unternehmens mit der Fake-Webseite unter gleichen Namen kommen.
Auf der gefälschten Webseite führt eine angegebene Telefonnummer zu einem vermeintlichen Sekretariat, das nach Aussagen eines Betroffenen professionell besetzt wirkt. Ansprache und Fachtermini muten echt und branchentypisch an. Dadurch erscheint die Firma glaubwürdig.
Bestellt wird auf Rechnung mit einem Zahlungsziel – eine übliche Praxis im Großhandel. Zur Absicherung prüft eine interne Warenkreditversicherung des Großhändlers die Bonität des neuen Kunden. Da der angegebene Firmenname tatsächlich im Handelsregister existiert, erhält der Händler grünes Licht für die Lieferung. Kurz darauf wird die Ware von einer Spedition abgeholt – doch die Zahlung bleibt aus. Die Besteller und die Ware sind verschwunden. Die Warenkreditversicherung bemerkt den Schwindel, zahlt allerdings auch nicht, da solche Versicherungen in der Regel nicht vor Betrug schützen, teilt der Betroffene mit.
In den meisten Fällen ist die Ware bereits wieder weiterverkauft. Die Spedition, die die Waren abholt, liefert die Waren direkt zu nichts ahnenden Abnehmern, die glauben, sie hätten ein gutes Geschäft gemacht und günstige Module erstanden. Ein Trugschluss, der sich später rächen könnte. Wer gutgläubig Hehlerware erwirbt, macht sich zwar nicht strafrechtlich belangbar, kann aber nach deutschem Recht nicht zum rechtmäßigen Eigentümer der Waren werden. Findet der Großhändler die Module wieder, lässt es das Recht zu, dass er diese zurückfordern kann. Wer sich als potenzieller Käufer schützen möchte, sollte also auch beim Kauf der Module auf Handelsplattformen unbedingt die Identität und Vertrauenswürdigkeit der Verkäufer feststellen.
Systematisches Vorgehen
Der betroffene Großhändler berichtet, dass sein Unternehmen bereits elf verschiedene solche Fake-Identitäten entdeckt habe. Trotz wachsender Vorsicht sei es kaum möglich gewesen, wiederholten Schaden abzuwenden. Insgesamt wurden ihm drei Lkw-Ladungen mit Modulen gestohlen.
Zunächst strich der Großhändler die Option des Zahlungsziels für Neukunden. Bei den ersten Bestellungen sollten seine Kunden in Vorkasse gehen. In einem Markt mit hartem Preiskampf keine einfache Entscheidung. Aber auch das ist ineffektiv. Die Betrüger bestellen zunächst dreimal regulär Ware und zahlen Vorkasse. Dadurch gewinnen sie das Vertrauen des Händlers. Der gewährt dann den Kauf auf Rechnung mit Zahlungsziel. Dann verschwinde die Ware wieder unbezahlt.
Schutz für Großhändler
Um sich gegen solche Betrugsfälle zu schützen, setzt der Großhändler, der uns informierte, inzwischen auf striktere Maßnahmen. Er überprüfe die Historie der Webseiten von Neukunden mithilfe von Internet-Archivierungsdiensten, auch „Wayback Machine“ genannt. So kann festgestellt werden, ob eine Unternehmensseite erst kurz vor der ersten Kontaktaufnahme erstellt wurde – ein potenzielles Warnsignal.
Auch die Kontaktadressen und Telefonnummern neuer Kunden sollten überprüft werden, rät der Großhändler. Häufige Änderungen oder jüngste Eintragungen könnten auf betrügerische Absichten hindeuten. Um sich zusätzlich abzusichern, geht der Großhändler inzwischen sogar so weit, Neukunden persönlich vor Ort zu besuchen, um ihre Identität sicherzustellen und einen Eindruck des Unternehmens zu bekommen.
Ermittlungen laufen
Kriminalhauptkommissarin Hella Christoph vom Polizeipräsidium Bielefeld bestätigte auf Anfrage von pv magazine, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Die Masche betreffe zahlreiche Großhändler deutschlandweit.
Unser Informant vernetze sich mit anderen betroffenen Großhändlern und lädt weitere geschädigte Unternehmen ein, Kontakt aufzunehmen. Das geht über die E-Mail-Adresse betrugsfall2025@gmail.com, die nicht von der pv magazine-Redaktion betreut wird.
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Bei Privatkunden Misstrauen manche shops Neukunden so sehr, daß der Kunde erst in Vorkasse gehen muss, bevor auf andere Zahlungsarten umgestellt werden kann. Warum ist man im geschäftlichen Umfeld noch nicht zu dieser Praxis über gegangen?
Gerade in dieser auftragsklasse ist eine Anzahlung oder vergleichbares doch nicht unverhältnismäßig oder?
Liebe PV-Unternehmer, seid doch nicht so unbeholfen!
Einfacher Lifehack:
Da auch Betrugsfälle bei vorher erfolgreichen Lieferungen auftraten, IMMER Kontaktaufnahme mit dem Kunden an die im Handelsregister hinterlegten Daten.
Heißt:
Nach Bestellung umgehende Zusendung eines Codes per Post, dieser muss im Verwendungszweck einer Überweisung von 1 Cent, abgehend vom Firmenkonto des Bestellers, genannt werden.
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Hier hätte man gleich eine dreifache Hürde gegen Betrug eingebaut.
1.) müssten die Betrüger an die Firmenpost gelangen.
2.) müssten sie ein Konto haben, was den Verfolgungsdruck maximiert, da eine bei Kontoeröffnung verifizierte Person greifbar, straf- und zivilrechtlich belangbar ist.
3.) muss die Schlüssigkeit der Verbindung von Kontoinhaber/Besteller gegeben sein, was schwer zu inszenieren ist.
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Bitteschön für den Tipp, für den euch euer externes Beratungsteam hätte fünfstellig zahlen lassen. 😛
Es scheint, als ob es sich dabei eher um Import/Export innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union handelt, die Standards für ‚ehrbare‘ Geschäftsaddressen (oder Postkastenfirmen) sich dabei aber erheblich unterscheiden (können)?
Der Geschäftskontakt schien professional zu arbeiten:
„Auf der gefälschten Webseite führt eine angegebene Telefonnummer zu einem vermeintlichen Sekretariat, das nach Aussagen eines Betroffenen professionell besetzt wirkt. Ansprache und Fachtermini muten echt und branchentypisch an. Dadurch erscheint die Firma glaubwürdig.“
günstige Schnäppchen dürfen also nur noch Zwischenhändler machen, nicht jedoch Endverbraucher oder Kleingewerbe?
„liefert die Waren direkt zu nichts ahnenden Abnehmern, die glauben, sie hätten ein gutes Geschäft gemacht und günstige Module erstanden. Ein Trugschluss, der sich später rächen könnte. Wer gutgläubig Hehlerware erwirbt, macht sich zwar nicht strafrechtlich belangbar, kann aber nach deutschem Recht nicht zum rechtmäßigen Eigentümer der Waren werden. Findet der Großhändler die Module wieder, lässt es das Recht zu, dass er diese zurückfordern kann. Wer sich als potenzieller Käufer schützen möchte, sollte also auch beim Kauf der Module auf Handelsplattformen unbedingt die Identität und Vertrauenswürdigkeit der Verkäufer feststellen.“
Da meinte man mit dem Handelskettengesetz würde auch dafür gesetzliche Sicherheit und Vertrauen hergestellt, ein (erneuter) Trugschluss oder möglicherweise ungenaue Berichterstattung der Vorgänge?
Vielleicht kann man für günstige Module dann evtl. (je nach Mengenanforderung) auf gebrauchte Module (aus Repowering) umsteigen?
MfG
@ehrlich und kompetent, wie…
Die These, grade dass es sich um Im-/Export handeln soll, kann ich nicht daraus lesen und selbst wenn, würde sich nicht ganz viel ändern.
Es fehlte einfach eine Validierung über die im Handelsregister hinterlegten Daten, insb. Postanschrift, was man mit der von mir o.g. Vorgehensweise umsetzen kann.
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Dann verstehe ich Ihren Ansatz noch nicht, denn „Dadurch erscheint die Firma glaubwürdig.“ eine eingetragene (Schein-)Firma wurde doch präsentiert.
Inwieweit sich Regeln bei Banken im Bereich Im-/Export in europäischen und außereuropäischen Ländern (z.B. Panama, wäre etwas weit gefasst) unterscheiden, wurde nicht näher dargestellt.
In Deutschland ist es nicht mehr möglich, zum Beispiel, einen Pre-paid Vertrag für die Mobilfunknutzung, ohne eindeutig, validierte Zuordnung zu einzelnen Personen, abzuschließen.
@ehrlich und kompetent, wie…
Nein, es wurde sich eben keiner Scheinfirma bedient und du brauchst auch ansonsten nichts, außer ggf. Telefonnummern. Simkarten, die mit fremden/falschen Daten registriert sind zu beschaffen, ist aber nun kein Hexenwerk.
Auch eine Webseite kann man bei diversen Hostern anonym, sogar gegen Barzahlungen, registrieren.
Ansonsten ist das Vorgehen scheinbar so:
Firmierung XYZ, zB eine Betreiberin von Bürgersolarparks, hat keine oder keine präsente Webseite.
Betrüger publizieren jetzt Webseite, die angeblich dieser Firmierung gehört. Nennen im Impressum aber die eigenen Kontaktdaten (Rufnummer usw.)
Jetzt erfolgt die Bestellung.
Lieferant sucht nach Firmierung XYZ, findet diese Webseite. Ruft vielleicht noch die da hinterlegte Nummer an.
Für ihn scheinbar alles ok, da Firma existent, Rufnummer erreichbar.
Jetzt prüft noch die Ausfallversicherung:
Prüfung des Handelsregistereintrages SCHEINBAR erfolgreich, da Firmierung XYZ ja im Handelsregister steht. Versicherung gibt grünes Licht.
Das Dumme ist, Firmierung XYZ hat nie bestellt, sondern Betrüger, die sich als diese ausgaben.
Die Betrüger brauchen hier also weder eigene (Schein)Firmierung, noch Konto.
„In den meisten Fällen ist die Ware bereits wieder weiterverkauft.“
Die Großhändler schützen damit irgendwie auch die Kunden, welche die Module gekauft haben.
„Nennen im Impressum aber die eigenen Kontaktdaten“
„Handelsregistereintrag“
Dazu wäre die Aktualisierung der Daten für Bügerenergieparks ein wichtiges Anliegen?
Ich möchte hier auch nochmal explizit vor E-Mails mit Sonderangeboten insbesondere mit -30% auf BYD Speicher warnen! Die Schäden, die hier schon entstanden sind, sind ebenfalls im 6-stelligen Bereich.
Der Betrug ist relativ simpel:
Es werden recht gut gemachte Newsletter und Werbemails verschickt, in denen die Aufmachung bekannter PV-Online Shops imitiert wird. Die E-Mail Domain ist den originalen relativ ähnlich und man übernimmt auch Bilder und Ähnliches aus dem Shop. In den Newslettern ist die Rede Nachlässen, Abverkäufen und Sonderangeboten. Auf Nachfrage der potenziellen Kunden werden auch täuschend echte Angebote und Auftragsbestätigungen erstellt und Anzahlungen oder Vorkasse individuell vereinbart.
Man zahlt und bekommt niemals die Ware.
Das geht mittlerweile schon seit mehr als einem Jahr so und die entstandenen Schäden sind immens.
Dabei handelt es sich aber nicht um die Artikel beschriebene Masche, sondern das Gegenstück dazu, dass nach Zahlung einfach nicht geliefert wird.
Hier bestünde zumindest die theoretische Möglichkeit dem Kontoinhaber, der das Geld empfing, habhaft zu werden und in Regress zu nehmen, die zu Unrecht erlangten Gelder rückzuerstatten.
Wieviel bei dieser (oft selbst getäuschten, dennoch mindestens zivilrechtlich haftbaren Person) zu holen ist, steht auf einem anderen Blatt.
GPS tracker ran und gut ist. Selbst wenn ich den Betrüger nicht finde weiß ich wo die Ware ist oder war. Alles gut.
Habe ich auch erst gedacht, würde aber eben nur solange halte, bis die Ware „zerpflückt“ und weiterverkauft wurde.