Balkonsolar: Der Schuko-Stecker ist geduldet, aber nicht sicher oder normativ festgehalten

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Stellen Sie sich nur mal vor, zwei stromführende Metallstifte ragten aus ihrer Wand. Staubsauger und Co würden dann mit einer Dose angeschlossen, die unserer Steckdose gleicht. Das wäre unsicher, meinen Sie?  Sobald die beiden Metallstifte an einem Balkonsolarmodul hängen, ändern sich da die Meinungen ein wenig.  Seit Anfang des Jahres kursiert eine Duldung des „normalen“ Schutzkontaktsteckers (mit elektrisch freiliegenden Kontakten), die im vollen Gegensatz zu dem VDE- und DKE-Meinungsbild aus dem Jahr 2022 steht. Das hat unabsehbaren Folgen für die elektrische Sicherheit der Elektro-Installationen in den Eigenheimen und Wohnungen. Wenn Balkonkraftwerke eigenständig von Laien angeschlossen werden sollen, ist eine einfache und vor allem sichere Umsetzung absolut notwendig.

Ungeachtet des positiven politischen Willens, regenerative Energien in unserem Land voranzutreiben, sollte das von vielen Firmen teuer und hart erwirtschaftete Gut der elektrischen Sicherheit im Eigenheim nicht leichtfertig mit dem Vorwand des Bürokratieabbaus oder Kostendrucks aufs Spiel gesetzt werden.

Im DKE-Leitfaden für Mini-Photovoltaik-Anlagen (Stand 13.10.2022) sind folgende Ausschnitte zu finden:

  • Darf ich meine Mini-Photovoltaik-Anlage einfach an eine Haushaltssteckdose anschließen?

Nein. Zum Anschluss einer steckerfertigen Photovoltaik-Anlage ist eine Energiesteckdose erforderlich. Die Anforderungen sind beispielsweise in der Vornorm DIN VDE V 0628-1 (VDE V 0628-1) aufgeführt. ….

  • Wie unterscheidet sich eine Energiesteckvorrichtung von einer Steckvorrichtung?

Eine Energiesteckvorrichtung besteht immer aus einem Stecker und einer Steckdose. Stecker und Steckdose müssen so konstruiert sein, dass „berührbare Steckerstifte in nicht gestecktem Zustand nicht unter Spannung stehen.“
Für eine Energiesteckvorrichtung verweist DIN VDE V 0100-551-1 (VDE V 0100-551-1) beispielhaft auf DIN V VDE 0628-1 (VDE V 0628-1). Werden die in der Norm DIN EN 61140 (VDE 0140-1) aufgeführten Schutzziele erreicht, sind aber auch andere technische Lösungen zulässig. Ein typischer Schuko-Stecker würde die aufgeführten Schutzziele der Norm DIN EN 61140 (VDE 0140-1) jedoch nicht erreichen!

Entgegen diesem Leitfaden aus dem Jahr 2022, wurde im Januar eine Duldung für die Verwendung des Schukosteckers bei Balkonsolaranlagen ausgesprochen, was die laufende technisch und politisch unabhängige DKE-Gremienarbeit beeinflussen könnte. Dass der VDE den Schuko-Stecker nicht in die Produktnorm mit aufnehmen wird, zeigt, dass das Gremium von der elektrischen Sicherheit dieser Lösung nicht hinreichend überzeugt ist. Eine Innovation voranzubringen, bedingt, egal in welchem Land, einen unabhängigen festen normativen Rahmen und den haben wir seit Dezember 2022 in diesen Bereich der Steckersolargeräte leider nicht mehr. Was zu einer steigenden Verunsicherung von Firmen, Händlern und Anwendern führt und – schlimmstenfalls zum Hinnehmen von Stromunfällen führen könnte.

Das sind die potenziellen Gefahren bei der Verwendung des normalen Schutzkontaktsteckers zur Energie-Einspeisung:

  • Elektrischer Schlag bei Berührung der Pin-Kontakte des Steckers: Der NA-Schutz ist als Anlagenschutz in der N-AR 4105 mit Abschaltzeiten von maximal 200 Millisekunden beschrieben. Der FI-Schutzschalter als Personenschutz hat bei üblichen 150 Milliampere eine Abschaltzeit von 40 Millisekunden. Das Gefährliche hierbei ist der Wechselstrom. Eine Folge kann die Herzrhythmusstörungen sein, da jeder Polaritätswechsel der angelegten Spannung eine Erhöhung dieses Risikos darstellt. Wenn der NA-Schutz versagt und man berührt die freiliegenden Pins des Schutzkontaktsteckers, wäre dies auch mit funktionsfähigen NA-Schutz-Bedingungen, quasi unabhängig von der Sonneneinstrahlung am Steckersolargerät eine signifikante Erhöhung des Risikos der Herzrhythmusstörung. Die aktuell geltenden Normen bei Umrichtern lassen sowohl eine elektrisch sichere Freischaltung des Umrichters über einen Relais-Kontakt als auch eine elektronische Abregelung auf weniger als 35 Volt bei dann 50 Hertz zu.
  • Erhöhung des Brandrisikos durch Kriechstrom: Ein achtlos ausgezogener Stecker, sowie einem Versagen des NA-Schutzes könnte neben dem Personenschaden auch durch Kriechstrom-Verbindungen über die freilegenden Pin-Kontakte (Laub oder Zeitungen) zu einem Schwelbrand oder Feuer führen.

Bei den skizzierten Szenarien handelt es sich, wie bei Unfällen so oft, immer um eine Verkettung von ungünstigen Umständen. Dabei sollte jedem Anwender von elektrischen Geräten sollte klar sein; elektrischen Strom oder elektrische Spannung sieht man nicht! Aus diesem Grund gibt es den Berührungsschutz und mit den Kindersicherungen den Berührungsschutz-plus.

Wie viel man den Herstellerangaben zum NA-Schutz trauen kann, ging erst vor kurzem durch die Fachpresse.
Um das Risiko des Fehlverhaltens beziehungsweise Versagen des NA-Schutzes zu minimieren, sowie wegen anderen Hausnetz-internen Schutz-Einrichtungen wurde die Verpolungssicherheit (unter anderem als EMV Schutz) mit eingeführt.

Beim aktuell hart umkämpften „Balkonkraftwerks-Markt“, mit dem Fokus auf Kostenoptimierung, wird diese Auflösung des Schutzziels sogar als normal bzw. richtig dargestellt. Die Frage, die sich die Nutzer und Distributoren von Energie-Erzeugungsanlagen und diese Stelle spätestens stellen sollten, ist zum einen die Haftungsfrage, aber ebenso, ob der elektrische erworbene Schutz im Eigenheim noch gegeben ist, sodass Personen nicht zu Schaden kommen können.

Die über 80 Jahre andauernde Entwicklung in der deutschen Elektro-Installation führt zu einem Minimum an elektrischen Fehlern im Eigenheim und ein Höchstmaß an elektrischer Sicherheit. Im wahrsten Sinne kindersicher, und mit dem immer weiter verbreiteten FI/LS Schaltern auch mit manchmal redundantem elektrischem Personenschutz (wie auch der Berührungsschutz) zum normalen Anlagenschutz (Leitungsschutz). Lasst uns das nicht aufgeben, weil wir überstürzt ein bestimmtes Produkt einfach verfügbar machen wollen.

 

Der Autor Markus Gührs studierte Elektrotechnik in Berlin, nach einem Zwischenstopp bei einem Energieversorger, stieg er in das unabhängige Prüfen von elektrischen Geräten und Anlagen, sowie in die zugehörige Normungsarbeit am IPH-Berlin (jetzt Kema-Labs) ein. Anfang 2023 gründet er die Firma seplugs GmbH, um gemeinsam mit seinem Team, die offene Lücke im Bereich der Energie-Stecker für Haushaltsanwendungen zu schließen und damit den Weg für neue sichere Produkte in der Energieerzeugung aktiv mitzugestalten.

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