Fraunhofer IEE modelliert notwendigen Ausbau der Verteilnetze im Osten

Entwicklung beim Zubau Wärmepumpe, Photovoltaik, Windkraft, Elektoautos, Planungsregion OST

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Neue Photovoltaik-Anlagen und Windparks oder auch der Einbau von Wärmepumpen und der Kauf eines Elektroautos – die Verteilnetze müssen auf die zunehmende Elektrifizierung immer mehr Sektoren und Haushalte ausgerichtet werden. Für die Planungsregion Ost, die die ostdeutschen Bundesländer und Hamburg umfasst haben die Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE nun ein umfassendes Modell erarbeitet.

In den Berechnungen werden alle verfügbaren Informationen zu neuen Strom-Verbrauchern und -Erzeugern gebündelt und zu einer Gesamtlage zusammengefasst, wie sie erklärten. Ihr Modell sei ein räumlich hoch aufgelöstes Szenario für die Region bis 2045, die Basis für die gesetzlich vorgeschrieben Netzausbaupläne der Verteilnetzbetreiber bildet. Das Fraunhofer IEE bietet seine Modellrechnungen zur Regionalisierung der erneuerbaren Energien und neuen Stromverbraucher auch für andere Netzgebiete an. Dabei würden die Last und Erzeugung für alle Betriebsmittel in der Mittel- und Niederspannung dargestellt.

Die Planungsregion Ost weist einige Besonderheiten im bundesdeutschen Vergleich auf. Außerhalb der großen Städte weist sie eher eine unterdurchschnittliche Bevölkerungs- und Lastdichte auf. Zudem gibt es überdurchschnittlich viele Konversionsflächen wie Bergbaurestflächen oder ehemalige Militärflug- und Truppenübungsplätze, die für Photovoltaik und Windkraft genutzt werden können. Insgesamt umfasst das Gebiet eine Fläche von etwa 110.000 Quadratkilometern, hat 18 Millionen Einwohner, 21.500 Kilometer Hochspannungsnetz, 1265 Umspannwerke Hoch-/Mittelspannung, mehr als 100.000 Kilometer Mittelspannungsnetz und 101.336 Netzstationen Mittel-/Niederspannung.

„Klar ist aber, dass bis 2045 durch die Elektrifizierung aller Sektoren und den Ausbau von Wind und Solar für einen deutlich steigenden Stromverbrauch gravierende Veränderungen in der Stromversorgung zu erwarten sind: Wärmepumpen, Ladesäulen, Windkraft- und Photovoltaikanlagen und Speicher werden derzeit in großem Maßstab ausgebaut und sollen an das Stromnetz angeschlossen werden. Damit das funktioniert, muss das Verteilnetz umgebaut werden. Die Vielzahl der dezentralen Akteure macht die Investitionen besonders komplex“, sagte Martin Braun, Leiter des Forschungsbereichs Netzplanung und Netzbetrieb des Fraunhofer IEE und Professor für Energiemanagement und Betrieb elektrischer Netze der Universität Kassel, zu den Ergebnissen. „In der komplexen und variablen Planungslandschaft sehen viele Netzbetreiber den Bedarf an automatisierten Tools zur Netzplanung, wie wir sie in mehreren Studien im Stromnetz entwickelt und getestet haben.“

Die dem Regionalszenario des Fraunhofer IEE zugrunde liegenden Prognosen basieren auf wahrscheinlichen sowie politisch vorgegebenen Technologiepfaden. Diese sollen in den kommenden Jahren jeweils aktualisiert und auf Basis der realen Entwicklung verfeinert werden. Dabei nutzen die Forscher auch Ansätze, um Einzelentscheidungen von Verbrauchern abzubilden. „Räumlich hoch aufgelöste Szenarien bis auf Ebene der Ortsnetztransformatoren helfen, den Ausbau der Verteilnetze planbarer zu machen. Als Fraunhofer IEE haben wir eine Modelllandschaft aus verschiedenen Modulen für die Planungsregion Ost entwickelt“, ergänzte Carsten Pape, Gruppenleiter Szenarien und Systemmodellierung, Fraunhofer IEE. „Zentrale Einflussgrößen sind Abschätzungen zum Anschluss von neuen Stromerzeugungsanlagen und neuen Verbrauchern wie E-Fahrzeugen und Wärmepumpen bis hin zur Transformation der Fernwärme, Industrieprozesswärme und Elektrolyseanlagen. Dabei geht es darum, eine riesige verfügbare regionalisierte Datenbasis zu bündeln und in einem Modell zusammen zu führen“ so Pape weiter. Dabei würden auch Gebietsausweisungen für Photovoltaik und Windkraft sowie mögliche Repowering-Projekte in den Regionen berücksichtigt.

In das Regionalmodell des Fraunhofer ISE fließen zudem die Ergebnisse des amtlichen Netzentwicklungsplans für das Übertragungsnetz ein, wie die Wissenschaftler erklären. Für die Planung der Wärmeversorgung verwendeten sie ein Agentenmodell. Diese ermögliche, in einem Bottom-up-Ansatz für jeden Hauseigentümer, wahrscheinliche Investitionsentscheidungen über die Heizungstechnologie und anstehende Effizienzmaßnahmen einzubeziehen. Ein anderer wichtiger Aspekt sei die Berücksichtigung der Gleichzeitigkeit von vielen dezentralen Einzelanlagen. Diese Bedarfsspitzen seien entscheidend, um den Ausbaubedarf der Netze konkret zu ermitteln.

Aus den nutzer- und wetterabhängigen spezifischen Leistungsbedarfen haben die Wissenschaftler des Fraunhofer IEE dann aggregiert errechnet, welche Leistungsbedarfe auf welcher Spannungsebene auftreten, wenn die Klimaziele umgesetzt werden. So könne regional entschieden werden, ob ein bestehender Ortsnetztransformator genug Leistung aufweise oder verstärkt werden müsse, und wie sich dies auf das übergelagerte Umspannwerk und das Netz auswirke, so die Forscher.

Nach dem neuen Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind die größeren Verteilnetzbetreiber zur Abgabe eines Netzausbauplans verpflichtet. Sie kooperieren dafür und stehen im Fall der Planungsregion Ost mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz im Austausch. Sie beteiligten sich zudem an den Forschungsarbeiten des Fraunhofer IEE und steuerten Modellrechnungen für ihre Verteilnetzgebiete bei. Nach den Vorgaben des § 14 d EnWG sind die Verteilnetzbetreiber nicht nur erstmals verpflichtet, bis Ende Juni 2023 Regionalszenarien zu veröffentlichen. Im nächsten Schritt müssen sie nun bis Ende April 2024 eine Netzausbauplanung formulieren, die dann alle zwei Jahre aktualisiert werden muss.

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