Vorbild USA – so gelingt eine Förderung der Photovoltaik-Industrie

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Es wird gerade wieder viel darüber diskutiert, wie ein (Wieder-)Aufbau der Solarindustrie in Deutschland und Europa am besten gelingen kann. Ein wichtiger Aspekt wird bisher sehr wenig erwähnt.

Bei den Investitionskosten, dem so genannten Capex-Bereich, sind wir durch die existierenden EU-Programme und durch die nationalen Programme bereits einigermaßen gut aufgestellt. Diese sind natürlich sehr wichtig, um überhaupt eine Chance zu haben, diese wichtige Industrie bei uns anzusiedeln. Untersuchungen zeigen, dass den chinesischen Herstellern mindestens 50 Milliarden US-Dollar an Kreditbürgschaften zur Verfügung standen – von denen über 90 Prozent nicht gebraucht wurden, da die Kredite bedient werden konnten, was für den Erfolg dieser Politik spricht. Die Bundesregierung muss der EU gegenüber noch definieren, wie sie die über zwei Milliarden Euro nutzen will, die ihr aus dem so genannten Resilience-und-Recovery-Topf zustehen. Damit ließen sich Investitionskostenzuschüsse sogar ohne weiteres Steuergeld umsetzen. Eigentlich hätte diese Meldung bis Ende April stattfinden sollen – aber zumindest gibt es damit für die Capex-Kosten einen umsetzbaren Plan.

Es gibt aber noch keinen Plan, wie der Staat bei den Betriebskosten, den Opex-Kosten, unterstützen kann. Dies ist ja auch der Grund, warum der CEO von Meyer Burger, dem einzigen Solarzellen-Produzenten in Deutschland, öffentlich darüber nachdenkt, trotz vorhandener Investitionsmittel in Zukunft in den USA statt in Deutschland zu investieren. Dasselbe Problem hat übrigens auch der Batteriehersteller Northvolt.

Umfeld für Investoren mit Transparenz und Wettbewerb

Eine Förderung bei den Betriebskosten ist der springende Punkt, um Investoren zu überzeugen, dass es sich lohnt, in die Photovoltaik-Produktion zu investieren. Wenn man heute mit Investoren spricht, so glauben diese nämlich oft nicht, dass man mit einer Produktion hierzulande bei den heutigen und künftigen Marktpreisen von 20 Cent pro Kilowattstunde und auch darunter mithalten kann. Für die Anfangsphase haben sie damit vollkommen recht. Zwar kann niemand voraussagen, wie teuer beziehungsweise billig die chinesischen Hersteller in den nächsten Jahren ihre Module verkaufen werden. Aber eine zum Beispiel 30-prozentige Unterstützung der Produktionskosten gäbe den Investoren viel Vertrauen, dass die heimische Produktion auch gut verkauft werden kann, ohne die Kosten der Solarenergie für die Bürger zu erhöhen. Es geht dabei nicht darum, den Investoren besonders hohe Gewinne zu bescheren oder einen vermeintlichen. Mangel an Produktionstechnologie auszugleichen, sondern darum, ein Level Playing Field für Investitionsbedingungen bei uns im Vergleich zu anderen Ländern auf dem Globus herzustellen.

Nachhaltige Photovoltaik-Module aus Europa

Kommt die Photovoltaik-Industrie nach Europa und insbesondere Deutschland zurück und wird hier nicht nur Module, sondern neben Silizium auch Ingots, Wafer und Solarzellen herstellen? Und was haben die Modulkäufer und die Gesellschaft davon.

Auf dieser pv magazine Themenseite finden Sie Interviews und Hintergrund zu diesem Thema.

Die USA haben dafür ein Mittel gefunden, das mit einer Einfachheit besticht, auf die die Unternehmer hierzulande mit Neid blicken. Der Inflation Reduction Act (IRA) gibt den Herstellern eine Steuergutschrift über 30 Prozent der Betriebskosten. Für eine Zellproduktion ist diese mit vier Cent pro Wattpeak definiert, für eine Modulproduktion mit sieben Cent pro Wattpeak. Die Hersteller können diese Steuergutschrift mit anderen Unternehmen handeln, falls sie in der Anfangsphase selbst keine Gewinne machen. Der Charme dieser Lösung ist, dass Unterstützung nur fließt, wenn wirklich produziert wird. Es besteht also nicht die Gefahr, dass Geld fließt und am Ende gar nichts sinnvolles damit gemacht wird. Außerdem erhöht die Förderung die Stromkosten nicht (billige Energie ist wichtig!) und jeder bekommt die Unterstützung, der produziert. Unternehmen müssen die Zuschüsse nicht umständlich aus diversen Töpfen beantragen, wo oft nicht transparent ist, wer am Ende wie viel bekommt, sondern können gleich mit diesen Mitteln rechnen und mit dem Aufbau der Produktion beginnen. Es besteht außerdem nach wie vor ein Wettbewerb zwischen den Produzenten, günstig und effizient zu arbeiten.

Es geht dabei nicht um Peanuts. Wenn man eine Fertigung von zehn Gigawatt Solarzellen und -module plant, kostet die Investition ungefähr zwei Milliarden Euro. Die Zuschüsse aus dem IRA belaufen sich dann auf etwa 110 Millionen Euro über fünf Jahre, danach klingen sie langsam ab.

Ein wichtiges Thema ist, dass eine derartige Förderung EU-verträglich sein muss. Mit dem angepassten Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF) hat die EU-Kommission aber angeboten, dass EU-Mitgliedsländer den Firmen, die zeigen können, dass sie in den USA bessere Investitionsbedingungen als in Europa haben, eine entsprechende Förderung anbieten dürfen. Dies sollte man natürlich nicht den einzelnen Firmen überlassen, den US-amerikanischen Inflation Reduction Act kann jeder lesen, und eine entsprechende Förderung anbieten.

Relevanter Anteil an attraktivem Weltmarkt möglich

Natürlich ist es wichtig, dass die Unterstützung nicht dauerhaft gezahlt werden muss und sich die Unternehmen nicht darauf ausruhen können. Ich habe aber großes Vertrauen, dass die europäischen Forschungsinstitute, die europäischen Maschinenbauer und die europäischen Hersteller innovativ genug sind, um nach Anfahren der Gigawatt-skaligen Produktion so wettbewerbsfähig sein werden, dass sie einen signifikanten Anteil am Weltmarkt erreichen. Viele der neuen Solarzellen-Technologien wurden in Europa entwickelt und zur Marktreife gebracht, nicht zuletzt dank der Förderung durch die Bundesregierung, auch am Fraunhofer ISE in Freiburg. Der Markt sowohl für Solarzellen und Module aus Deutschland, wie aber auch für Produktionsanlagen ist auch international vorhanden, weil viele Länder der Welt ein Interesse daran haben, sich aus der 100-prozentigen Abhängigkeit von China bei Photovoltaikprodukten zu befreien, und sie haben Vertrauen in europäische Technologie, Produktionsbedingungen und den besseren CO2-Fußabdruck der hier hergestellten Produkte.

Dabei ist jetzt gerade ein besonders günstiger Moment, wieder in die Fertigung einzusteigen. Es findet ein Technologiewechsel statt, auch in China, von der so genannten Perc-Technologie auf die Topcon- und auf die Heterojunction-Technologien. Wer jetzt in die neuen Technologien investiert, konkurriert nicht mit den über 300 Gigawatt Perc-Produktionskapazitäten, sondern mit den Fabriken dieser neuen Solarzell-Technologien, die jetzt erst weltweit entstehen. Es muss allerdings schnell gehen. Chinesische Hersteller fahren ihre Produktionsstätten für die neuen Technologien in beeindruckender Schnelligkeit hoch.

Das Potenzial ist riesig. Das ungebrochene Wachstum des Photovoltaik-Weltmarktes von etwa 20 Prozent im Jahr wird dazu führen, dass der Weltmarkt von den jetzt jährlich circa 300 Gigawatt pro Jahr bis 2030 auf jährlich 1000 oder sogar 1200 Gigawatt steigen wird. Dadurch wird der Photovoltaik-Weltmarkt auf einen Umsatz von rund 1.000 Milliarden Euro pro Jahr wachsen. Er wird dann vergleichbar mit dem Umsatz der weltweiten Automobil-Industrie sein.

Damit die heimische Industrie daran einen Anteil haben kann, ist es wichtig, dass in Berlin und Brüssel schnell die Weichen gestellt werden und Opex-Zuschüsse für einen überschaubaren Zeitraum fließen können.

Foto: Eicke Weber

— Eicke Weber war bis 2016 Institutsleiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Er ist Vize-Präsident des European Solar Manufacturing Council (ESMC) und ist Mitgründer des Start-ups MCPV, das in Deutschland und Europa eine Photovoltaik-Produktion bauen will, sobald die Investoren grünes Licht geben. —

 

 

Mehr zum Thema in der Magazinausgabe im Juni

In der Magazin-Ausgabe, die am 6. Juni erscheint, berichten wir umfangreich über die Diskussionen und Maßnahmen zum Wiederaufbau oder der Skalierung einer europäischen Solarindustrie, die die gesamte Wertschöpfungskette Silizium-Ingots-Wafer-Zellen-Module umfasst.

Außerdem berichten wir unter anderem über:
– Modulneuheiten und den Effizienzrekord von 23,6 Prozent
– Marktübersicht Heim- und Kleingewerbespeicher und Trends
– Fassaden-Anlagen

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