Das Geschrei um die „Mehrerlös“-Abschöpfung

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Schwere Geschütze werden von der Branche aufgefahren, um das viele schöne Geld, was die Merit Order und der hohe Gaspreis in den letzten Monaten als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk hereingespült haben, auf jeden Fall so lange wie möglich zu behalten. Generell leugnet niemand, dass wir es mit Windfallprofits, wie der Fachterminus im Englischen heißt, zu tun haben, aber wenn es ans Eingemachte geht, dann wird nicht mehr mit dem Florett, sondern mit schwerem Säbel gekämpft.

Die betroffene Firma XY publiziert ein bestelltes Gutachten, dass Punkt A und B der in Planung befindlichen Verordnung gegen EU-Recht und die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie verstoßen. Das Rechtsgutachten hat die Kanzlei Z erstellt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Das Gutachten wurde mit etwa 22.500 Euro bezahlt (unter der Annahme von einem Stundenhonorar von 450 Euro mal 50 Stunden). Wäre das Ergebnis nicht mit den Vorstellungen der Auftraggeber vereinbar gewesen, hätte die Welt von diesem Gutachten nichts erfahren, die Kanzlei Z wäre bezahlt worden (aber nie wieder durch XY beauftragt) und XY hätte sich über die Geldausgabe geärgert, aber nichts weiter unternommen. Insoweit sind solche Gutachten immer mit Vorsicht zu genießen.

Wenn der wissenschaftliche Dienst des Bundestages etwas sagt oder der ADAC in einem Gutachten feststellt, dass ein Tempolimit nicht gegen die Verfassung verstößt, das heißt ein Gutachten entweder von einer neutralen Stelle kommt oder das Gegenteil der öffentlich kundgetanen Meinung bestätigt, dann lohnt es sich, mal hineinzuschauen.  Weiterhin ist auffällig, dass immer dann, wenn inhaltlich den Debattanten die Argumente ausgehen, ein Verfassungs- und EU-Rechtsverstoß das Maß aller Dinge wird. So hat es der VDEW (heute BDEW) in früherer Zeit auch gerne gehalten. Schon die Vorgabe, eine Schwefelreinigung in einem Kohlekraftwerk einzubauen, war ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Das Problem mit der Keule Verfassungs- und Europarecht ist immer, dass die wirklich wichtigen Argumente nicht mehr gehört werden, weil sie in der Kakophonie untergehen.

Auch die Frage der Investitionssicherheit gehört meines Erachtens zu den Totschlagargumenten ohne Gehalt. Niemand kann mir erzählen, dass sein 2020 aufgestelltes Business-Modell auf Preisen von 400 Euro pro Megawattstunde im Peak oder 180 Euro pro Megawattstunde für einen 10-jährigen PPA beruhte. Sollte dies der Fall sein, ist der Hellsehende wahrscheinlich sofort vom Photovoltaik-Projektentwickler zum Börsen- oder Lottospieler mutiert, da der Profit dort wesentlich höher ist. Auch ist seit dem Frühjahr bekannt, dass die Branche einen Haarschnitt hinnehmen muss  und zwar die gesamte Branche. Keiner kann also überrascht tun.

Nun ist es raus – selbst rückwirkend wurde umgangen. Dennoch zetert der Bundesverband Solarwirtschaft (klar, muss er, des Geschäftsführers Gehalt wird schließlich von den Mitgliedunternehmen bezahlt, da wollen diese auch was hören), die Abschöpfung der Windfallprofits behindert die Investition in neue Projekte. Ehrlich, die Investition in neue Projekte scheitert überwiegend an der Flächen- und Genehmigungssituation, gegebenenfalls auch noch ein wenig an Lieferketten. Mangel an Eigenkapital ist das geringste Problem – mit Ausnahme vielleicht der Erwartungshaltung der Anteilseigner an das prognostizierte Dividendenfeuerwerk. Meine Prognose, es wird kein Kilowatt weniger gebaut als ohne die Gewinnabschöpfung.

Schade ist allerdings, dass die Bundesregierung es, im Gegensatz zu einigen europäischen Freunden, nicht schafft, eine simple, schnelle Regelung einzuführen. Nein, es muss „Einzelfallgerechtigkeit“ herrschen, deshalb dauert es lange, wird unverständlich komplex und für alle Betroffenen eine echte Herausforderung. Einfach können wir schon lange nicht mehr.

— Der Autor Daniel Voswinkel ist Rechtsanwalt und seit Jahren in der Energiewirtschaft tätig. —

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