EnSiG könnte zusätzliches Gebotspotenzial von bis zu 3 Gigawatt für 2023 schaffen

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Die künftige Wettbewerbssituation von EEG-Ausschreibungen für Photovoltaik des ersten Segments sieht nicht rosig aus, nachdem die März-Runde 2022 leicht überzeichnet und die Juli-Runde klar unterzeichnet war. Bei der Juli-Ausschreibungsrunde betrug die Gebotsmenge weniger als zwei Drittel (63,4 Prozent) der Ausschreibungsmenge und auch bei der aktuellen November-Runde droht trotz der Kürzung der Menge auf 890 Megawatt eine erneute Unterzeichnung. Das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) verspricht, Zusätzliches Potential für Photovoltaik in Deutschland kurzfristig freizuschalten: Ob die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen reichen, bleibt eine offene Frage. Ab 2023 stehen der Branche gewaltige Ausschreibungsvolumina gegenüber, gleichzeitig verzögert sich bei EEG-förderfähigen Projekten die Ausschreibungsteilnahme, unter anderem wegen der hohen Sicherheit, den Lieferketteproblemen und der allgemein unsicheren Marktlage.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht für 2023 eine brutto Ausschreibungsmenge von 5850 Megawatt für Photovoltaik-Freiflächenanlagen vor; die angehobenen jährlichen Ausschreibungsmengen steigen dann weiter und betragen ab 2025 und bis einschließlich 2029 insgesamt 9900 Megawatt. Nach unserer Einschätzung dürften nach eingeplanten umfassenden Kürzungen die netto Ausschreibungsmengen je nach Jahr ungefähr 60 bis 60 Prozent der jährlichen brutto Ausschreibungsvolumina betragen.

Einige positive Gesetzesänderungen dürften sich mit dem Inkrafttreten des Energiesicherungsgesetzes ergeben. Allgemein zielen die segmentrelevanten Änderungen darauf ab, die Stromeinspeisung aus Photovoltaik-Anlagen kurz- bis mittelfristig zu erhöhen. Zum Beispiel sind die Aufhebung von der 70-Prozent-Regelung bei Kleinanlagen und die Abschaffung der Einschränkungen beim Repowering von Altanlagen vorgesehen. Vor allem die vorgesehene Erhöhung der 20-Megawatt-Gebotsgrenze auf 100 Megawatt für 2023 Ausschreibungen des ersten Segmentes kann nach unseren internen Analysen ein zusätzliches Gebotspotenzial von bis zu drei Gigawatt eröffnen. Die Berechnung des Potenzials erfolgt anhand von Projekten in der Pipeline (Genehmigungs- oder Bebauungsplanphase) auf EEG-förderfähigen Flächen, die sonst nur mit 20 Megawatt in die Ausschreibung gehen dürften.

Jedoch könnten langfristig Ausschreibungsrunden für Freiflächenanlagen trotz der positiven Gesetzesänderungen weiterhin von vergleichsweise geringerem Wettbewerb geprägt sein. Wir bei Enervis pflegen seit 2018 eine Datenbank von sowohl bereits in Betrieb als auch sich in der Planung befindenden Projekten. Die Datenbank erfasst mit Stand Oktober 2022 mehr als 22 Gigawatt an Photovoltaik-Freiflächenprojekten in Deutschland, die noch in geplant sind. Jedoch nehmen nicht alle Projekte an einer Ausschreibung teil: Laut unserer Analyse beträgt das Gesamtpotenzial an EEG-förderfähigen Projekten in der Pipeline circa zehn Gigawatt. Wegen der Regelung zur maximalen Gebotsgrenzen muss dieses Potenzial zusätzlich um 44 Prozent (mit 20 Megawatt Gebotsgrenze) beziehungsweise 16 Prozent (mit 100 Megawatt Gebotsgrenze) gekappt werden.

Zunehmende Bedeutung von nicht-geförderten und hybrid Projekten

Grafik: Enervis

Außerdem hat der Anteil an nicht-geförderten Projekten in der Pipeline an Bedeutung gewonnen: Während 2019 und 2020 nur weniger als drei Prozent der in Betrieb gegangenen Anlagen auf nicht EEG-förderfähigen Flächen lagen, betrugen diese im 2021 bereits etwa 21 Prozent der Gesamtmenge. Derzeit betragen Freiflächenanlagen auf nicht EEG-förderfähigen Flächen über 30 Prozent der Leistung in Bezug auf die Gesamtpipeline der geplanten Projekte. Mit der steigenden Attraktivität von Preisen bei Power Purchase Agreements (PPAs) und ihre zunehmende Sichtbarkeit im Markt dürfte die Zahl noch weiter steigen. Darüber hinaus wird ein Hybrid-Modell zwischen EEG-förderfähigen Anlagen immer beliebter. Das heißt, Anlagen die einen Zuschlag erhalten haben aber aufgrund der hohen Marktwerte sich ein Power Purchase Agreement absichern und zur sonstigen Direktvermarktung wechseln. Diese Trends dürften – wenn sie trotz Strommarkteingriffe weiterhin rentabel bleiben – weiterhin steigern.

Was sind mögliche Instrumente, um die Unterzeichnungen entgegenzuwirken und EEG-Ausschreibungen weiterhin attraktiv zu machen? Die Erhöhung des Höchstwertes bei den Ausschreibungen, welche für Photovoltaik-Anlagen des ersten Segmentes derzeit 59 Euro pro Megawattstunde beträgt, könnte helfen. Hier setzt der Gesetzesentwurf für die Einführung einer Strompreisbremse einen neuen Höchstwert von 70,8 Euro pro Megawattstunde. Weiterhin ist eine dynamische Anpassung der Höchstwerte bei erhöhten Kosten auch bei Ausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen vorgesehen.

Weitere mögliche Maßnahmen, die den Zubau von Photovoltaik-Anlagen beschleunigen könnten, wären zum Beispiel die Einführung einer Außenbereichsprivilegierung der Photovoltaik-Freiflächenanlagen durch eine Änderung des Baugesetzbuchs oder eine bundes- oder landesweite Aufweisung von Flächen für solche Kraftwerke, die für Windanlagen an Land bereits implementiert worden ist. Auch die Erstellung und Veröffentlichung von kommunalen Solar-Katastern, die von einigen Kommunen freiwillig vorangetrieben wurde, könnte erweitert und zugänglicher gemacht werden.

Zusammenfassend bringt die Erhöhung der Leistungsobergrenze für die Ausschreibungen von Photovoltaik-Freiflächenprojekten 2023 eine deutliche Erhöhung des Gebotspotenzials. Erste Gespräche mit betroffenen Projektentwicklern zeigen, dass eine Ausschreibungsteilnahme für diese Projekte auf EEG-förderfähigen Flächen als attraktiv wahrgenommen wird. Damit könnten die Ausschreibungen trotz der sehr großen ausgeschriebenen Ausschreibungsmengen auch wieder gedeckt sein. Um aber langfristig Unterzeichnungen zu vermeiden, ist es dringend notwendig die Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, damit auch längerfristig die Teilnahmeraten unter Projekten in der Pipeline hoch bleiben und die Ausschreibungen gedeckt werden können.

— Die Autorin Chiara Fusar-Bassini ist Consultant bei der energiewirtschaftlichen Beratung Enervis Energy Advisors GmbH und hier für Photovoltaik-relevante Themen zuständig. Ihre Expertise reicht von der datenbasierten Analyse des Photovoltaik-Markt bis hin zu der Modellierung von EEG-Ausschreibungen. https://enervis.de/  —

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