Zwei-Quadratmeter-Grenze für bauaufsichtliche Zulassung von Solarmodulen scheint willkürlich

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pv magazine: Es gibt eine Vorgabe, dass Solarmodule mit mehr als zwei Quadratmetern Fläche eine bauaufsichtliche Zulassung benötigen. Wer hat diese Grenze festgelegt und ist sie sinnvoll?   

Andreas Kleefisch: Ob es wirklich eine ‘Vorgabe‘ in dieser Hinsicht (noch) gibt, ist nicht so einfach zu beantworten. Gutachter und Sachverständige meinen, dass das auch heute noch so ist, ich bin mir aber gar nicht so sicher, dass es diese Vorgabe gibt und wenn ja, ob sie nicht auch für Module unter zwei Quadratmeter gelten müsste. 

Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

Erst einmal muss man festhalten, dass das streng genommen nur für Module auf Dächern – also auf oder an Gebäuden – gelten kann, nicht aber für Freiflächenmodule. Dies ergibt schon die Historie der Vorschriften. Im Rahmen der Bad Dürkheimer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern am 21.1.1955 verzichtete der Bund auf seine Gesetzgebungszuständigkeit für einzelne, spezifisch das Wohnungswesen berührende Vorschriften, wenn die Länder dafür das Bauaufsichtsrecht möglichst einheitlich und umfassend regelten. Die Mängel und Lücken, die aufgrund wirtschaftlicher und technologischer Entwicklung entstanden waren, sollten geschlossen werden. 

Ein Arbeitskreis erarbeitete daraufhin die Musterbauordnung, an der sich die Bauordnungen der Länder orientieren. Ursprünglich ergab sich aus der Musterbauordnung (§ 17 Abs. 2, Abs. 5 MBO) die Ermächtigung des Deutschen Instituts für Bautechnik, eine Bauregelliste zu erstellen, die Anforderungen an bestimmte Bauprodukte stellte. Darin geregelt war, dass Photovoltaik-Module unter zwei Quadratmetern keiner Zulassung bedurften, Photovoltaik-Module über zwei Quadratmetern hingegen schon. Diese willkürlich durch Marktbeobachtung als ausreichend groß für alle damals angebotenen Module gegriffene Zwei-Quadratmeter-Grenze wurde erstmalig durch das Deutsche Institut für Bautechnik mit der Bauregelliste Ausgabe 2012/2 unter Bauregelliste B Teil 2 1.5.4.1 festgelegt. Weshalb genau diese Grenze damals aufgestellt wurde, ist der ‘Veröffentlichung des Entwurfs vorgesehener Änderungen der Bauregelliste A, Teile 1, 2 und 3, der Bauregelliste B, Teil 1 und Teil 2 und der Liste C für die Ausgabe 2012/2‘ des Deutschen Instituts für Bautechnik nicht zu entnehmen. 

Aufgrund des Urteils des EuGH vom 16.10.2014 (Rs. C-100/13) wurde die Musterbauordnung dahingehend geändert, dass nunmehr das Deutsche Institut für Bautechnik die Ermächtigung nach § 85a Abs. 5 MBO zur Erstellung einer Muster-Verwaltungsvorschrift Technischer Baubestimmungen zukam. Die Technischen Baubestimmungen durften aufgrund des Urteils des EuGH nicht über die europäischen Regeln zur CE-Zertifizierung hinaus gehen.  

Durch die stetige technische Entwicklung von Photovoltaik-Modulen sind diese häufig nicht CE-zertifiziert. Sind sie dies nicht, fallen sie unter die Liste B der Technischen Baubestimmungen. Die Liste B führt die Bauprodukte auf, die keine CE-Zertifizierung haben und deshalb einen Verwendbarkeitsnachweis nach § 17 MBO benötigen. Unter Liste B 3.2.1.25, Liste B 3.2.1.26 und Liste B 3.2.1.27 sind dann die Bestimmungen zu Photovoltaikmodulen geregelt. Es findet zwar in Anlehnung an die alte Bauregelliste eine Differenzierung zwischen Modulen unter zwei Quadratmetern und Modulen über zwei Quadratmetern statt. Beide Modularten benötigen nun jedoch nach der neuen Liste B einen Verwendbarkeitsnachweis nach § 17 MBO.  

Und die Bauregelliste wurde danach nicht angepasst?

Die Grenze von zwei Quadratmetern wurde seit der Änderung der Bauregelliste 2012/2 in jede Änderung der Bauregelliste und nunmehr in die Technischen Baubestimmungen unverändert übernommen. In Anbetracht der durch die Bad Dürkheimer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern getroffenen Ziele der Musterbauordnung ist es unverständlich, weshalb die scheinbar willkürliche Grenze von zwei Quadratmetern den technischen Fortschritt von Photovoltaik-Modulen in Zeiten der Energiewende erschwert – wenn man sich der Auffassung anschließen würde, dass echte ‘Zulassungen’ erst ab zwei Quadratmetern für Aufdachmodule erforderlich sind. Nimmt man allerdings den Wortlaut der Normenhierarchie ernst, sind alle Module für Gebäude zulassungspflichtig, also auch solche unter zwei Quadratmetern. Denkt man dann zusätzlich noch daran, dass die Unterkonstruktionen hinsichtlich ihrer jeweiligen Bauartzulassungen, wenn sie solche überhaupt haben, auch noch die Module als ‘aussteifendes Element’ hinsichtlich seiner statischen Eigenschaften einberechnen, wird jedem unbefangenen Betrachter klar, dass hinsichtlich der Anpassung der Normierungen einiges geschehen muss. Dass dies aber die Energiewende nicht behindern darf, was jedenfalls aktuell die alleinige Anwendung der willkürlich gegriffenen ‘Zwei-Quadratmeter-Regel‘ tut, muss auch klar sein.  

Wäre es vielleicht sinnvoll, nach verschiedenen Dacharten zu unterscheiden, also Flach- oder Steildach, oder würde sich der Einsatz der großen Module nicht allein aus den praktischen Erfahrungen bei der Installation einer Photovoltaik-Dachanlage erledigen? 

Letzteres ist der Fall. Die immer größer werdenden Module werden nach meiner Erfahrung ohnehin häufiger auf der Freifläche verwendet. Vielleicht könnte man sie ausdrücklich auch für (aufgeständerte) Flachdachanlagen vorsehen. Im Steildachbereich ist das Handling oft so entscheidend, dass erste Anbieter schon spezielle kleinere Module in ihre Projektpalette aufnehmen. 

Mittlerweile geht der Trend ja durchaus zu größeren Modulen, doch bisher scheint keines davon für die bauaufsichtliche Zulassung erhalten zu haben? Was könnten die Gründe dafür sein? 

Der Grund liegt neben der Tatsache, dass die fehlende Zulassung niemanden ‘stört’, ich habe zumindest das noch nie als Mangelrüge in einem Gutachten gelesen, auch und vor allem darin, dass die Produktzyklen so eng geworden sind, dass sich eine Zulassung nicht lohnt. Wie lange ein Modul wirklich identisch gefertigt wird, ist heute mehr eine Sache von Monaten als Jahren. Auch die Bill of Materials (BOM) hat eine relativ geringe Verlässlichkeit und Halbwertzeit. 

Bedeutet dies, die Hersteller müssten jedes Mal, wenn sie die BOM ändern, auch eine neue bauaufsichtliche Zulassung für ihr Solarmodul beantragen? 

Wenn er eine Zulassung hätte: ja. 

Reicht es eigentlich die bauaufsichtliche Zulassung für die Module zu haben? Müssten nicht auch die Unterkonstruktionen bestimmte Voraussetzungen erfüllen und wir das auch überprüft? 

Die Unterkonstruktion für die Aufdachmontage benötigte mit der oben genannten Argumentation streng genommen ebenfalls eine Zulassung. Auch dies wird allerdings sehr selten zum Problem – auch weil es kein bauartzugelassenes Produkt gibt. Aber da fragen Sie besser einen Sachverständigen als mich. Eine ‚Zulassung‘ einer bestimmten Unterkonstruktion für ein bestimmten Modul gibt es meines Wissens ebenfalls nicht, nur ‘Empfehlungen’, die sich der eine oder andere Modulhersteller aber bereits ‚verbeten’ hat. In grauer Vorzeit gab es mal eine kombinierte Bauartzulassung für einen bayerischen Dachhaken mit einem bestimmten Sandwich-Dachelement, welches zu durchdringen war. Diese Zulassung war allerdings auch nicht ‘langlebig‘. 

Gibt es eine Möglichkeit, dass ich dennoch Module größer zwei Quadratmeter auf meinem Dach installieren kann? 

Ja klar, allerdings nur mit einem klaren Hinweis an den Besteller auf die Rechtslage. 

Die Regierung hat ja unter anderem im Sinne eines stärkeren Zubaus einen Abbau der Bürokratie versprochen. Wäre es in diesem Zuge nicht auch sinnvoll, die Zwei-Quadratmeter-Vorschrift aufzuheben und wie könnte das am einfachsten passieren? 

Ich glaube zwar nicht, dass ausgerechnet die Zwei-Quadratmeter-Regel den Zubau behindert, da gibt es wirklich viele andere technische und rechtliche Hemmnisse, die sich viel gravierender auswirken, aber natürlich könnte man die Regelungen der Liste B 3.2.1.25, Liste B 3.2.1.26 und Liste B 3.2.1.27 auch vereinfachen. 

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