Mit dem Krieg in der Ukraine diskutieren viele Menschen auch in Deutschland über die Möglichkeit eines „Blackouts“. Denn die brutalen russischen Raketenangriffe auf die Energieversorgung der Ukraine zeigen auf, wie verwundbar die kritische Infrastruktur einer Gesellschaft ist, in der längere Zeit der Strom ausfällt: dann fallen plötzlich sämtliche Kommunikationskanäle aus, ebenso die Wasserversorgung, nach gewisser Zeit auch die Lebensmittelversorgung, die Banken, die Krankenhäuser. Und selbst eine Notstromversorgung mit Dieselgeneratoren zögert Ausfälle nur wenige Tage hinaus.
Politiker aus CDU, CSU, FDP und allen voran der AfD haben nun die berechtigten Ängste der Bürger vor einem Blackout in Deutschland angeheizt: Friedrich Merz warnte, Markus Söder unkte, und die AfD stellte gar einen sogenannten Blackout-Melder ins Netz, der längst als Propagandainstrument enttarnt wurde.
Es ist grundsätzlich richtig, sich auf Katastrophenfälle vorzubereiten. Doch die große Sorge dieser Parteien ist zum Teil vorgeschoben: im Kern winken sie mit dem Schreckbild Blackout, um den Ukrainekrieg und die daraus folgende Energiekrise für einen Weiterbetrieb der Atomkraft und den Ausbau fossiler Energien zu instrumentalisieren. Denn dies wird stets in einem Atemzug gefordert – und als argumentative Waffe gegen die notwendige beschleunigte Energiewende eingesetzt.
Energiewende und Energiesicherheit sind eins
Im Rahmen meiner Arbeit als Berichterstatter für die Grüne Bundestagsfraktion haben wir uns bereits 2011 mit dem Szenario eines Blackouts auseinander gesetzt und untersucht, wie wir im Katastrophenfall den Schutz der kritischen Infrastruktur in Deutschland unter Bedingungen der Energiewende sicher stellen können.
Das Ergebnis: Erneuerbare Energien sind nicht das Gegenteil von Blackout-Sicherheit, sie sind die Grundlage für den Schutz der kritischen Infrastruktur. Das hat auch die Hamburger Polizei erkannt: Sie bereitet sich nun angesichts der jüngsten Debatte um kritische Infrastrukturen auf längerfristige Blackouts vor. Aber statt der mit Diesel betriebenen Notstromaggregate, die nur 72 Stunden Sicherheit bieten, möchte sie in Zukunft auf Erneuerbare Energien setzen. Auch das Stadtwerk Haßfurt hat die Wasserversorgung der Stadt Haßfurt mit Erneuerbaren Energien Blackout-sicher gemacht. In der Steiermark sind über 50 Gemeinden schon komplett blackout-sicher.
Denn eine lokale, örtliche Stromversorgung mit vor Ort verfügbaren erneuerbaren Energien mit Speichern kann eine längerfristige Stromversorgung bei einem Ausfall der Stromversorgung über die Netze aufrechterhalten – insbesondere in der Kombination aller Erneuerbaren Energien.
Solar- und Windstrom, speicherbar in Batterien, sowie gespeicherte heimische Bioenergie gibt es immer vor Ort. Ein solcher Mix erlaubt auch in winterlichen Dunkelflautenzeit einen sicheren Schutz vor einem längerfristigen Stromblackout, und kann die Energieversorgung für Strom, Wärme und sogar E-Mobile sichern.
Jedes Objekt der kritischen Infrastruktur wie Krankenhäuser, Lebensmittelversorgung, Rechenzentren, Banken, Polizei, Wasserversorgung u.a. kann und sollte also schnellstmöglich auf eine solche Blackout-Sicherheit mit Erneuerbaren Energien umgebaut werden, wie es schon im TAB-Bericht 2011 empfohlen wurde.
Eine solche Energieversorgung kann natürlich nicht nur für den Fall eines Blackouts genutzt werden. Im Gegensatz zu Notstromaggregaten kann sie ganzjährig die Energieversorgung des Objektes liefern. Damit wären Klimaschutz, Energiesicherheit und bezahlbare Energiepreise dauerhaft gewährleistet, denn Erneuerbare Energien sind heute die billigste Art der Energieversorgung. Und beschleunigen wir die Energiewende auf 100 % Erneuerbare Energien, sind unsere dezentralen Netze weniger anfällig für Katastrophenfälle.
Auch Bürgerinnen können sich absichern
Als Hausbesitzer oder in ihrer Mietergemeinschaft können Sie aber auch selbst tätig werden: Kombinieren Sie die Solaranlage auf dem Dach mit Batterien im Keller und Sie können bei entsprechender Dimensionierung ihren Energiebedarf im Frühjahr, Sommer und Herbst Blackout-sicher decken. Im Winter reicht die Sonne meist noch für den Grundbedarf wie Licht, Computer und Kühlschrank.
Allerdings sollten Sie bei Privatanlagen darauf achten, dass Ihr System mit Solaranlage und Batterie tatsächlich auch Strom ins Hausnetz einspeisen kann, wenn das öffentliche Netz ausfällt. Dafür braucht es eine zusätzliche Ausstattung, die nicht automatisch der Installateur einbaut. Nachträglich ist eine Umrüstung auf Blackout-Sicherheit nicht mit jedem eingebauten Typ von Wechselrichtern und Batterien möglich. Dies ist also eine zentrale Voraussetzung dafür, dass im Falle eines Blackouts die PV-Module auf dem Dach bei scheinender Sonne auch Wirkung tragen können.
Erneuerbare Energien aus lokaler Produktion sind Daseinsvorsorge, die Sie selbst für sich privat oder in der Dorf- bzw. Stadtteilgemeinschaft schaffen können. Auch wenn ein langandauernder, flächendeckender Blackout wegen der gut ausgebauten Netzinfrastruktur in Deutschland als ziemlich unwahrscheinlich gilt, so gibt es doch auch bei uns Gefahren, wie Cyberangriffe, Terrorattacken, Stürme oder Schneekatastrophen wie einst im Münsterland die öffentliche zentrale Stromversorgung zum Blackout bringen können.
Und wenn Sie mich nach meiner Einschätzung fragen, ob wir in Deutschland ohne Blackout über diesen Winter kommen, so bin ich sehr zuversichtlich, dass es keinen Blackout geben wird, solange es keine außergewöhnlichen Ereignisse, wie Wetterextreme oder Terrorangriffe geben wird. Einzig die vielfache Abschaltung der Atomkraftwerke in Frankreich, wegen großen Sicherheitsgefahren macht mir Sorge, wenn es noch mehr werden. Ein solcher massiver Strommangel in Frankreich kann auch uns in Deutschland treffen.
Dies beleuchtet erneut, dass Atomkraft alles andere als Versorgungssicherheit bringt, auch wenn es die Atombefürworter stets behaupten. Genau die französischen Atomkraftabhängigkeit und Terror- wie Unwettergefahren lassen mich daher zur Empfehlung kommen, dass alle danach streben sollten sich selbst oder zusammen mit der Dorf- und Quartiersgemeinschaft eine Blackoutsicherheit mit Erneuerbaren Energien selbst zu schaffen.
Wenn Millionen Menschen und Unternehmen eine eigene blackout Sicherheit in der Stromversorgung geschaffen haben werden, dann ist auch die gesamte Gesellschaft wesentlich sicherer, selbst wenn es zum Krieg kommt. Der Ukraine Krieg ist eine schlimme Warnung, dort leiden Milionen Menschen und die Wirtschaft massiv unter der von den Russen zerstörten Energieinfrastruktur. Nur die sehr wenigen in der Ukraine, die sich selbst mit Erneuerbare Energien mit Strom versorgen haben dann eben Strom. Gäbe es dort statt zentraler Großkraftwerke wie Atom-, Erdgas- und Kohlekraftwerke eine dezentrale blackout sichere Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien, dann hätten die russischen Angriffe auf die Energieversorgung längst nicht die katastrophale Wirkung wie heute.
— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998-2013 MdB für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. http://hans-josef-fell.de —
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Die Formel gegen jeden Blackout heißt Dezentralisierung der Energie. Deswegen einen überdimensionierten Speicher in den Keller zu stellen ist sicher nicht die richtige Lösung. Andre Bürger und den Gemeinde- oder Stadtrat zu überzeugen ist der richtige Weg. Akkus sind immer noch sehr teuer und langfristig geht das nur mit Bioenergie oder und Wasserstoff. Die Frage ist ob man kriegerische Auseinandersetzung mit einplant. So kann auch Ammoniak als längerfristige Energiesicherheit dienen. Mit genug Energie aus Sonne und Wind kann man 95% des Bedarfs decken. Der Rest ist technisch machbar und wird in immer mehr Gemeinden realisiert.
Danke Herr Fell,
Zitat: ### Allerdings sollten Sie bei Privatanlagen darauf achten, dass Ihr System mit Solaranlage und Batterie tatsächlich auch Strom ins Hausnetz einspeisen kann, wenn das öffentliche Netz ausfällt. Dafür braucht es eine zusätzliche Ausstattung, die nicht automatisch der Installateur einbaut. Nachträglich ist eine Umrüstung auf Blackout-Sicherheit nicht mit jedem eingebauten Typ von Wechselrichtern und Batterien möglich. ###
Wie wahr !!
ACHTUNG: da geistern Aussagen von diversen Herstellern durch die Gegend – das sie genau das können – was aber nur beschränkt richtig ist. Genau auf die Spezifikation / Datenblatt / Installationsanleitung achten ( steht nicht immer ganz eindeutig und sauber formuliert da drin )
@Herr Fell
von welchem Szenario sprechen wir hier?
Mit Sicherheit ist es gut, die Eigenversorgung mittels Insel-Versorgung zu realisieren.
Im Weiteren Schritt wird man feststellen, dass Leistungen der Infrastruktur, wie Internet, Kommunikation, auf der Strecke geblieben sein werden. Und Jetzt?
Eine umfängliche Absicherung durch die Erneuerbaren kann nicht gewährleistet werden; sorry?
Ich wäre ja schon froh, wenn Infrastruktur des Meldewesens am Laufen gehalten werden könnte:
Telekommunikation, 112 Rufe, etc.
Bislang beschränken sich die Vorgaben für die Sicherheit der Energieversorgung meines Wissens nur auf Krankenhäuser….
entfernen sie mal die Stromversorgung ihres Telefones und versuchen dann 112 zu wählen. Wir haben VoIP – da ist nix mehr mit anrufen bei einem Stromausfall
wenn wir eine Notstromversorgung hätten – käme ich mit meiner Verbindung nur über die Straße und dann ist dort AUS. usw usw – wir haben viel umzubauen
Dem Herrn Fell fällt es auch schwer, über die eigenen Nasenspitze hinauszuschauen. In Deutschland wünschen sich zwar sehr viele Menschen, in einem Einfamilienhaus zu wohnen, aber es sind nur 30%, die das auch realisieren (können). Für die, die in DHH, RH, oder MFH wohnen, sind diese guten Ratschläge nur mit viel Glück oder gar nicht zu verwirklichen. Jeder, der theoretisch in der Lage ist, die Ratschläge zu befolgen, kann natürlich für sich entscheiden, dass ihm die kleinräumige Autarkie die erheblichen Mehrkosten wert ist. Um ein gewisses Mindestmaß an Notversorgung (Handyladen, Licht, Heizung) sicherzustellen, reicht schon eine kleine Picea-Anlage. Aber auch die würde einige 10T€ kosten. Die meisten werden sich aber sagen, dass ein Campingkocher mit Lichtaufsatz und eine Handyladestation am Notstromaggregat der Feuerwehr für den unwahrscheinlichen Fall eines Blackouts reichen müssen. Ein weiteres nettes Feature, aber damit wird es im Reihenhaus schon schwieriger, sind solarthermische Kollektoren für die Warmwasserbereitung. Deren Pumpen müssten allerdings mit synchron erzeugtem PV-Strom betrieben werden. Mit einer PV-Anlage für den Inselbetrieb mit Speicher kommt man dann schon weit in den Luxusbereich, den sich ein Bundestagspensionär und viele andere Einfamilienhausbesitzer vielleicht problemlos leisten können, aber beileibe nicht alle, und auch von denen wird es den meisten als übertrieben erscheinen. Man weiß natürlich nicht, was sich Putin oder einer seiner Nachfolger oder Bewunderer noch ausdenken wird, um uns unter seine Knute zu zwingen, aber man kann sich auch nicht auf jede denkbare Gefahr vorbereiten. Davon gibt es einfach zu viele.