Ernüchterung am Photovoltaik-Markt: Wie wir uns besser aufstellen können

Teilen

Nachdem im Sommer noch die verbesserten Konditionen des Osterpakets gefeiert worden waren, breitet sich in der Solarbranche nun eine Art Katerstimmung aus. Getrübt wird der Optimismus durch drei Marktentwicklungen, die allesamt in einem gemeinsamen Trend münden: Der Bau neuer Photovoltaik-Anlagen wird teurer und dauert länger.

Länger dauert die Umsetzung bekanntermaßen, weil sich die Lieferzeiten von Photovoltaik-Komponenten seit Beginn der Pandemie verzögern und Fachkräfte fehlen. Bei verknapptem Material sowie dünner Personaldecke und zeitgleich hoher Nachfrage steigen zudem die Projektkosten: Allein die Modulpreise haben sich seit Januar um über 17 Prozent erhöht.

Als ob dies nicht reichen würde, steigen auch noch die Finanzierungskosten für Photovoltaik-Projekte. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) steuert der Inflation entgegen, indem sie ihre Leitzinssätze schrittweise erhöht. In diesem neuen Zinsumfeld werden Investoren früher oder später höhere Renditen oder geringere Risiken verlangen, da ihnen andere Investitionsmöglichkeiten mit höheren Renditeaussichten und besseren Risikoprofilen zur Verfügung stehen, als es die Photovoltaik derzeit bieten kann. Die ökonomische Ungewissheit von Photovoltaik-Investments wird zudem überschattet von einer möglicherweise gar rückwirkenden Übergewinnsteuer, die in der Politik diskutiert wird.

Sichtbar werden die ernüchternden Marktbedingungen mit jeder unterzeichneten Ausschreibungsrunde, bei der die Ausbauziele der Bundesregierung bereits mehrfach gründlich verfehlt worden sind. Es scheint so, als seien die positiven Effekte der reformierten EEG-Bedingungen bereits verpufft. Daraus lassen sich gut begründbare Forderungen an die Politik formulieren. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Innovationen, die Hoffnung machen

Was aber können wir selbst tun, um den Preissteigerungen und Bauverzögerungen entgegenzuwirken? Die wichtigsten Hebel waren schon immer diejenigen, die wir selbst in der Hand haben. Als Phtovoltaik-Branche müssen wir uns einmal mehr etwas einfallen lassen, damit wir auch diese Hürden erfolgreich überwinden oder zumindest das Beste aus der Situation machen.

Bemerkenswert innovative Lösungsansätze gibt es im Marktsegment der kleineren, privaten Photovoltaik-Anlagen. Hier machen die gehypten Start-ups wie 1Komma5° und Zolar Schlagzeilen. Beide setzen auf Rationalisierungen, die den Photovoltaik-Ausbau beschleunigen und den Fachkräftemangel reduzieren sollen.

1Komma5° beteiligt sich dafür bei Installationsbetrieben und verschlankt diese durch zentral organisierte sowie digitalisierte Prozesse. Zolar hingegen verkauft und plant private Photovoltaik-Anlagen mithilfe einer Digitalplattform und übergibt diese dann schlüsselfertig geplant an Elektromeister und Solarteur.

Durch die digitalisierten und verschlankten Arbeitsprozesse gelingt es beiden Start-ups, den bestehenden Installateuren den Rücken freizuhalten. Dadurch können sich diese voll auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und mehr als zuvor installieren, als sie noch alles selbst machen mussten. Ich finde dieses Prinzip sehr interessant und weiß aus meiner eigenen Zeit als Solarteur nur zu gut, wie stark das Drumherum ablenken kann.

Gewerbliche Photovoltaik-Projekte verschlanken

Vielversprechende unternehmerische Lösungsansätze wie die der beiden Start-ups gibt es im Segment privater Photovoltaik-Anlagen gleich mehrere. Was für Strategien aber stehen im Marktsegment für gewerbliche Dachanlagen zur Verfügung? Für gewerbliche Photovoltaik-Projekte werden ebenso smarte Antworten benötigt, um Hürden zu überwinden und den Ausbau zu beschleunigen.

Der Fachkräftemangel ist bei der Projektierung und dem Bau gewerblicher Photovoltaik-Anlagen anders gelagert als im Privatsegment. Der Einschätzungen des PV Think Tanks folgend fehlen bei großen Photovoltaik-Dachanlagen oder Solarparks weniger die Installationskapazitäten als vielmehr die Projektleiter. Zur Installation könne man Saisonarbeiter einsetzen.

Einen Ansatzpunkt, um die Abwicklung von Photovoltaik-Projekten schlanker zu organisieren und an personelle Kapazitäten zu gelangen, sehe ich beim Vertrieb von Projektrechten und schlüsselfertigen Anlagen. Rationalisierte Verkaufsprozesse senken Kosten. Zudem können entlastete Vertriebler in der Projektleitung eingesetzt werden. Meiner Erfahrung nach sind viele B2B-Vertriebler sowohl fachlich als auch kommunikativ fit. Mit den Abläufen ihrer Arbeitgeber sind sie bereits vertraut. Für viele B2B-Vertriebler ist die Umschulung auf Projektleitungsaufgaben gut machbar.

Der Photovoltaik-Branche stehen mit Online-Marktplätzen – so wie unserem von Milk the Sun – bereits rationalisierte Verkaufsprozesse zur Verfügung. Die digitalen Infrastrukturen und Services können gebündelt für eine professionelle Vermarktung von Neuanlagen eingesetzt werden. So wurden in diesem Jahr über uns bereits Projektrechte mit einer Gesamtgröße von über 400 Megawatt verkauft. Diese haben gemeinsam mit Turnkey-Anlagen einen Anteil von 40 Prozent aller Verkäufe ausgemacht.

Eine Auslagerung der Vertriebsaktivitäten von Projektentwicklern und umsetzenden Generalunternehmen an uns vereinheitlicht Projektpräsentationen und vereinfacht die Ansprache von Investoren. Den systematischen Transaktionsprozess haben wir seit 2012 stetig weiterentwickelt und ausgereifter gemacht. Insbesondere im Bereich Turnkey geht es schnell: Durchschnittlich nur 24,5 Tage dauerte es in diesem Jahr von der Veröffentlichung des Inserats bis zum Verkauf der schlüsselfertigen Photovoltaik-Anlage. Über alle Anlagentypen hinweg lag die durchschnittliche Transaktionszeit bei knapp 52 Tagen.

Um die angebotenen Photovoltaik-Projekte konkurrieren zahlreiche private und gewerbliche Investoren wie Family Offices, Unternehmen, Fonds und Vermögensverwaltungen, was für optimierte Verkaufspreise sorgt. Im eigenen Netzwerk können parallel ebenfalls Projekte verkauft werden, da wir für uns keine exklusive Vermarktung reklamieren. Account Managers wie ich prüfen alle Projekte sowie Investoren und stehen beiden Seiten beratend zur Seite. Ich finde, dass wir damit einen guten Beitrag zur Verschlankung von Projektkosten leisten können.

Dreimal schneller muss der Ausbau der Photovoltaik werden, damit die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Ziele erreicht. Dafür hat sie ihre eigenen Hausaufgaben zu erledigen, wie die Erhöhung der Verfügbarkeit von Flächen, den Abbau von Bürokratie, schnellere Genehmigungen oder inflationsgerechte Konditionen. Darauf warten sollten wir als Photovoltaik-Branche aber nicht. Denn eigentlich müssen wir die Ausbauziele der Bundesregierung übertreffen, damit die Klimakrise ausreichend eingedämmt und unsere Wirtschaft zukunftsfähig aufgestellt wird. Wenn wir als Branche innovativ bleiben, finden wir weitere Prozesse, die schlanker und digitaler organisiert werden können. So können wir aktiv zur notwendigen Skalierung unserer Ausbaukapazitäten beitragen.

— Der Autor Benjamin Bracht ist als Senior Account Manager bei Milk the Sun tätig, einem Online-Marktplatz für gewerbliche Photovoltaik-Projekte, wo er mit einer Hands on Mentalität B2B-Kunden zu Vermarktungsstrategien berät. Zuvor sammelte er langjährige Vertriebserfahrung in einem börsennotierten Mobilitäts-Unternehmen im B2B-Bereich und im Vertrieb privater Aufdachanlagen. Davor war der gelernte Kaufmann selbst als Solarteur tätig. https://www.milkthesun.com/de

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.