Sollbruchstelle Wirkungsgrad: Ein Plädoyer für neue Wartungsnormen bei Photovoltaik-Anlagen

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Die Photovoltaik-Branche wächst weltweit weiterhin in beeindruckendem Tempo. In den ersten 9 Monaten dieses Jahres wurden allein in China 52,6 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert, was einem Anstieg zum Vorjahr von 132 Prozent entspricht. Auch in der EU werden aktuell Rekordzahlen geschrieben. So wurden von Mai bis August 2022 erstmals 12,2 Prozent des Stroms aus Solarenergie gewonnen, was laut einer Studie von Ember 29 Milliarden Euro an Gasimporten sparte.

Trotz dieser positiven Entwicklungen hemmen sperrige bürokratische Verfahren und fehlende Flächen den hochfrequenten Ausbau von Photovoltaik-Anlagen, den es für das Gelingen der Energiewende so dringend braucht. Ein weiterer Faktor, der in der Diskussion häufig vernachlässigt wird, sind die kumulierten Energieverluste, die durch den Ausfall bestimmter Schlüsselteile entstehen und die Energiewende im Stillen massiv ausbremsen. Ein Beispiel hierfür sind Wechselrichterfehler, also eine Störung bei der Umwandlung des Gleichstroms der Solarzellen in netzkompatiblen Wechselstrom. Nach einer Studie unserer Plattform „SunStream“ sind die vier häufigsten Probleme in Photovoltaik-Kraftwerken allesamt Wechselrichterfehler und damit ein wesentlicher Treiber von Energieverlusten.

Einem großen Teil dieser Störungen ließe sich präventiv vorbeugen, indem die Wartung der Anlagen in die Hände von spezialisierten Kräften gelegt würde. Dies ist im Rahmen der aktuell geltenden Wartungsnormen jedoch nicht möglich, sodass an einer globalen Reform kein Weg .

Eine produktivere Arbeitsteilung

In den ersten Jahren ist in der Regel der Originalhersteller (OEM) vertraglich verpflichtet, das Problem des Wechselrichters zu identifizieren und zu beheben. Und das, obwohl es nicht zum Kerngeschäft der meisten Hersteller gehört, Techniker ins Feld zu schicken, um diesen wichtigen Service im ganzen Land oder sogar weltweit, auch in entlegenen ländlichen Gebieten, zu leisten.

Aufgrund der aktuell üblichen Vertragsbedingungen werden die Hersteller mit Serviceaufgaben vor Ort überfordert. Für sie sind diese Aufgaben kostspielig und wenig zielführend, wenn sie in großem Umfang durchgeführt werden müssen, da sie Ressourcen und Aufmerksamkeit binden, die ihnen bei ihren Kernaufgaben fehlen. Eine simple, aber effiziente Möglichkeit, die Effektivität der Wechselrichter-Wartung zu verbessern, besteht darin, sicherzustellen, dass sie von denjenigen durchgeführt wird, die sich auf dieses Feld spezialisiert haben.

Diesem logischen Schritt stehen die derzeit geltenden Wartungsnormen, laut denen der Hersteller selbst die Garantie übernehmen muss, im Wege. Um die langfristige Lebensfähigkeit von Kraftwerken  zu gewährleisten und damit die Solarenergie systematisch auszubauen, muss unsere Branche diese Diskrepanzen unbedingt überwinden, bevor sie weitere materielle Verluste verursachen und die notwendigen Skalierungen behindern.

Neue Wege auf dem O&M-Markt

In den vergangenen Jahren gab es sowohl einen starken Anstieg der Innovationen im Bereich der Betriebs- und Wartungsdienste (O&M) für Photovoltaik-Anlagen als auch ein Wachstum unabhängiger O&M-Anbieter, die in der Regel eine Vielzahl von Anlagen mehrerer Eigentümer betreuen. Diese Entwicklungen haben zu erheblichen Fortschritten bei der Datenanalyse geführt, da O&M-Anbieter mit einem breiten Kundenportfolio viel größere Datensätze analysieren und daraus lernen können. Sie haben auch zu effektiveren Verfahren der vorbeugenden Wartung und letztlich zu zuverlässigeren Energieerträgen geführt. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der Einsatz von Drohnen zur Erfassung von Wärmebilddaten für die Anlageninspektion. Mit dieser Technologie lassen sich Hotspots an Modulen, Fehler in Wechselrichtersträngen und Anschlussprobleme schnell und einfach erkennen.

Diese Fortschritte versetzen O&M-Anbieter in die Lage, Anlagen und ihre Komponenten immer effektiver zu warten, wobei der Schwerpunkt auf dem langfristigen Bestehen der Anlage liegt, sprich die ersten zwei Jahre und weit darüber hinaus. Wenn solche Betriebs- und Wartungsexperten bereits bei der Konzeption einer Anlage stärker eingebunden werden, verringert sich nachweislich die Wahrscheinlichkeit, dass frühzeitig Fehler auftreten, die sich auf den langfristigen Energieertrag auswirken.

Neue Wartungsnormen auf Grundlage von Daten

Eine neue Regelung in Bezug auf die Wartung von Photovoltaik-Anlagen ist längst überfällig. Ein datenbasierter Ansatz bei der Übergabe von Projekten würde sich als wichtiger Katalysator für weitere Kostensenkungen und höhere Energieerträge erweisen. Da Betriebs- und Wartungsdienstleister heute besser in der Lage sind, eine solche Betreuung nach dem Verkauf im Namen der Hersteller zu übernehmen, sollten sie Kraftwerke mit den Daten ausstatten, die sie benötigen, um ihre Verträge von Anfang an anzupassen.

Mit dem Wissen über die finanziellen Auswirkungen, die ihnen in den ersten beiden Betriebsjahren allein aufgrund von Verzögerungen bei der Wartung drohen, können Anlagenbesitzer und Investoren bessere Entscheidungen treffen und die entsprechenden Verträge im Sinne einer produktiveren Arbeitsteilung ausrichten.

Die Solarbranche muss aus ihrem Umsetzungstaumel ausbrechen und veraltete Wartungsnormen den Bedürfnissen eines hochspezialisierten Marktes anpassen. Dazu ist es von essenzieller Wichtigkeit, ein Ökosystem zu schaffen, in dem Austausch Raum gegeben und gleichsam höchste Expertise in den einzelnen Bereichen aufgebaut wird. Dies wird nicht nur dazu führen, dass die Kosten weiter sinken und sich die Solarenergie als zuverlässige Energiequelle zunehmend etablieren kann. Die technologische Innovation und die Spezialisierung, die wir im Bereich der Wartung und Instandhaltung von Solaranlagen beobachten, deuten darauf hin, dass sich die Branche bereits in diese Richtung bewegt. Diesen Trend gilt es, mit neuen Normen weiter fortzuführen, Arbeitslasten zielgerichtet aufzuteilen und damit mehr Wachstum zu ermöglichen und die Energiewende effizienter voranzutreiben.

— Der Autor Timo Moeller ist President International & Head of Europe bei Nova Source Power Services. Nach fast 10 Jahren bei BASF wechselte der studierte Elektrotechniker vor seinem Start bei Nova Source zu First Solar, wo er 14 Jahre tätig war. Außerdem ist er stellvertretender Vorsitzer des Lifecycle Quality Workstream bei Solarpower Europe. —

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