Angesichts der jüngsten Entwicklungen auf den globalen Energiemärkten, steigender Strom- und Energiepreise einerseits und Bemühungen um eine Verringerung des CO2-Ausstoßes (Dekarbonisierung) von Flughäfen andererseits, suchen viele Flughafenbetreiber nach einer sicheren und unabhängigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien. Flugplätze verfügen oft über große unbebaute Flächen oder flache Gebäudedächer, die prinzipiell für die Nutzung von Solarenergie in Frage kommen. Zukünftige operationelle Maßnahmen bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit, nachhaltiger Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) oder alternativer Antriebstechnologien (beispielsweise Wasserstoff) für Flugzeuge befinden sich jedoch noch in Entwicklungs- oder Erprobungsphasen und ihr breiter Einsatz lässt auf sich warten. Photovoltaik-Anlagen dagegen stellen eine einsatzbereite Technologie dar, die sich unmittelbar positiv auf die CO2-Bilanz von Flughäfen auswirkt.
Für Flughäfen und kleinere Flugplätze bestehen verschiedene Möglichkeiten, wirtschaftlichen Mehrwert aus Photovoltaik-Dachanlagen (etwa auf Dächern von Terminals, Hangars oder sonstigen Betriebs- und Bürogebäuden) oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen zu generieren: Flughäfen können verfügbare Freiflächen selbst entwickeln, um diese als sogenannte Ready-to-Build(RtB)-Flächen zu verpachten. Aus genehmigungsrechtlicher Sicht würden dann der Planung, der Installation und dem Betrieb von Photovoltaik-Anlagen nur noch geringe Hürden gegenüberstehen. Alternativ kann der Flughafenbetreiber direkt als Investor auftreten, Photovoltaik-Anlagen zur Eigenstromnutzung selbst betreiben oder mittels Power Purchase Agreement (PPA) die Stromlieferung mit Stromabnehmern oder -händlern vereinbaren.
Die Platzierung von Solaranlagen in der Nähe von Vorfeldern, Rollwegen oder gar Start- und Landebahnen stellt jedoch in Hinblick auf die Flugsicherheit und die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften eine große Herausforderung dar. Häufige Fragen hierbei sind etwa:
- Wie steht es um die Blendwirkung von Solarmodulen für Piloten und Fluglotsen im Tower?
- Stellen die Photovoltaik-Anlagen ein physisches Hindernis für die Luftfahrt dar und besteht die Möglichkeit von elektromagnetischen Interferenzen mit Flugsicherungsanlagen?
- Sind die erforderlichen Sicherheitsabstände am Boden gewährleistet (zum Beispiel zu Start- und Landebahnen sowie Rollwegen)?
- Behindern die Photovoltaik-Anlagen die Rettungs- und Feuerwehrdienste bei Einsätzen?
Zur umfassenden Klärung der obigen Fragestellungen innerhalb des erforderlichen Genehmigungsprozesses von Photovoltaik-Anlagen auf Flugplätzen ist daher eine breite Kenntnis und praktische Erfahrung bei der Durchführung von luftfahrttechnischen Sicherheitsbewertungen sowie hinsichtlich luftrechtlicher Planungs- und Genehmigungsprozesse an Flugplätzen erforderlich. Wir bei der Airsight GmbH haben bereits diverse technische und flugbetriebliche Machbarkeitsstudien für Solaranlagen in der Nähe von Flugbetriebsflächen und im Umkreis von Flughäfen durchgeführt.
Das Ziel in solchen Projekten ist es, das gegebene Potenzial für die Aufstellung von Photovoltaik-Anlagen am Flughafen möglichst auszuschöpfen und gleichzeitig das ohnehin hohe Sicherheitsniveau der flugbetrieblichen und sonstigen Prozesse am Flugplatz zu gewährleisten. Für mögliche Gefahren, die von Solaranlagen in der Nähe von Flugbetriebsflächen ausgehen, ist daher oft eine mehrstufige Risikobewertung notwendig. Sie stellt sicher, dass nur akzeptable Risiken für den Flughafenbetrieb bestehen. Gegenüber der zuständigen luftrechtlichen Genehmigungsbehörde (in Deutschland sind das die Landesluftfahrtbehörden) ist darzulegen, dass die Photovoltaik-Anlage in der geplanten Form das betriebliche Sicherheitsniveau des Flughafens nicht kompromittiert und gesetzliche Vorschriften auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene eingehalten werden.
In Abhängigkeit der Standortgegebenheiten sind für die Planung und Genehmigung einer Photovoltaik-Anlage an Flughäfen in Deutschland und Europa aus luftfahrttechnischer Sicht eine Vielzahl von Anforderungen zu beachten:
- Gefährdungsanalyse und Risikobewertung der Blend- und Irritationswirkung von Solaranlagen sowie Entwicklung von Maßnahmen zur Reduzierung von Blendungen (Blendgutachten)
- Hindernisuntersuchung gemäß nationalen und europäischen Regularien
- Bewertung der Verträglichkeit mit Flugsicherungsanlagen (also Anlagen für sogenannte Communication, Navigation & Surveillance, CNS)
- Gefährdungsanalyse und Risikobewertung des Einflusses von Solaranlagen auf die flugbetriebliche Sicherheit von Start- und Landebahnen (beispielsweise im Falle eines ungeplanten Abkommens von Flugzeugen von der Start- und Landebahn, Auswirkungen auf die Evakuierung von Flugzeugen bei Flugunfällen)
- Bewertung der Auswirkungen von Photovoltaik-Systemen auf operative Dienste, wie Rettungs- und Feuerlöschdienste (Rescue and Fire Fighting Services, RFFS)
- Folgenabschätzung für das Wildlife-Management (beispielsweise in Folge erhöhter Brutaktivitäten von Vögeln)
- Konformitätsprüfung mit europäischen Regularien hinsichtlich Flugplatzzulassung und -zertifizierung
Für die Bearbeitung der Prüfkriterien für Photovoltaik-Anlagen an oder in der Nähe von Flughäfen ist interdisziplinäres Fachwissen auf dem Gebiet der Gefahrenanalyse und Risikobewertung notwendig, das die Bereiche nachhaltige Luftfahrt, Flugplatzplanung und -zulassung, Sicherheit des Flugbetriebs sowie Luftfahrthindernisse und CNS-Anlagen umfasst. Dabei sind umfassende Kenntnisse und Erfahrungen mit nationalen und internationalen Spezifikationen, Standards und Normen für die Gestaltung und das Management von Flugplätzen erforderlich.
Neben kleineren Flugplätzen vorwiegend in Ostdeutschland planen auch größere Flughäfen wie Stuttgart oder jüngst Frankfurt/Main zunehmend Photovoltaik-Freiflächenanlagen in unmittelbarer Nähe zu Rollwegen oder Start- und Landebahnen. Im Mai 2022 wurde am Flughafen Wien-Schwechat eine Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von circa 24 Megawatt in Betrieb genommen, die sich in unmittelbarer Nähe zur Start- und Landebahn. Der Abstand zur Startbahn sind nur etwa 200 Meter. Die Photovoltaik-Anlage ist nach Aussagen des Flughafens die aktuell größte Photovoltaik-Freiflächenanlage in Österreich und deckt zusammen mit den bereits installierten Dachanlagen des Flughafens rund ein Drittel des Jahresstromverbrauchs mit Sonnenenergie ab.
Das Potenzial für Photovoltaik an Flughäfen wird deutlich, wenn man sich die Längen von Start- und Landebahnen verdeutlicht: Für eine circa 4 Kilometer lange Piste, wie sie etwa am Flughafen München zu finden ist, würde ein 50 Meter breiter und 3 Kilometer langer Streifen seitlich und entlang der Bahnen ausreichend sein, um mit einer installierten Leistung von 15 Megawatt insgesamt rund 17 Gigawattstunden im Jahr durch Sonnenenergie zu erzeugen.
Die notwendige Transformation der Energieversorgung erfordert, dass bisherige Grundsätze aufgebrochen, neue Ideen zur Nutzung entwickelt und die Ausschöpfung bestehender Potenziale erneuerbarer Energien auch an sicherheitskritischen Infrastrukturen wie Flughäfen evaluiert werden. Die für die Photovoltaik-Nutzung notwendigen Flächen sind an vielen Flughäfen in teilweise großem Maßstab vorhanden und könnten einen nennenswerten Beitrag leisten – sofern sie das hohe Sicherheitsniveau in der Luftfahrt nicht beeinträchtigen.
– Der Autor Christoph Strümpfel studierte Luft- und Raumfahrttechnik an der TU Berlin und ist Berater für Nachhaltige Luftfahrt bei der airsight GmbH. Das Beratungsunternehmen mit Sitz in Berlin ist spezialisiert auf Sicherheitsbewertungen, Inspektions- und Ingenieursdienstleistungen im Luftfahrtbereich sowie Lehrgänge für Flugplätze, Flugsicherungsdienste und Luftfahrtbehörden im In- und Ausland. –
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Kann man machen, muss man aber nicht! Warum so kompliziert, wenn es auf Ackeflächen viel einfacher geht. Da will kein Flugzeug nebenan starten und landen und die Feuerwehr sucht sich auch keinen Weg zum Rollfeld. Wie wäre es, wenn die notwendigen 4 % Acker-Stilllegungsfläche nach dem GLÖZ 8 Standard der neuen EU-Agrarpolitik in Form von Biodiv-Solarparks erbracht werden könnten? 4 Prozent des Ackerlandes sind ca. 500.000 Hektar! Immerhin reicht das für 500 Gigawatt installierte Leistung und für ca. 500 Terawattstunden grünen Stroms / Jahr. Man könnte auch die 2,3 Millionen Hektar Ackerland nehmen, welche derzeit für Energiepflanzen ver(sch)wendet werden, die dort nur einen Bruchteil, nämlich ca. 1 bis 2 Prozent an Energie / Jahr und Hektar im Vergleich mit Photovoltaik ernten können. Man könnte auch weniger Tiere halten, füttern, schlachten und essen. Das ergäbe noch ein paar Millionen Hektar Ackerfläche, die derzeit nicht so gut genutzt werden.