Gutachten: Abschöpfung der Strommarkterlöse verstößt gegen EU-Recht

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Derzeit wird diskutiert, wie Mehrerlöse von Kraftwerksbetreibern angesichts der explodierenden Preise an den europäischen Strommärkten abgeschöpft werden und die Stromkosten wieder reduziert werden können. Am Freitag treffen sich die EU-Energieminister zu einem Sondergipfel, auf dem sie die Vorschläge der EU-Kommission zu einem Gaspreisdeckel und der Gewinnabschöpfung diskutieren wollen. Auf Basis der Vorschläge aus Brüssel zur Erlösabschöpfung hat Lichtblick ein Rechtsgutachten bei der Kanzlei Raue beauftragt. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Erlösabschöpfung verstößt gegen EU-Grundfreiheiten und hat keine Rechtsgrundlage.

Die geplante Verordnung könne nicht auf die Ausnahmevorschrift zur Krisenabwehr gestützt werden, heißt es im Gutachten. Eine finanzielle Umverteilung von Stromproduzenten an Letztverbraucher als sozialpolitische Maßnahme falle nicht in den Bereich der Krisenabwehr. Zudem würde mit der Verordnung gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen, da die EU-Mitgliedsstaaten bereits Einzelmaßnahmen getroffen hätten. Nach dem Gutachten wäre die vorgesehene Abschöpfung von Mehrerlösen zudem unverhältnismäßig. Die Regelung ließe sich leicht umgehen und würde ins Leere laufen. Zusätzlich greife sie in die Grundfreiheiten des EU-Vertrags ein und gefährde die Versorgungssicherheit im europäischen Stromnetz.

„Eine Erlösobergrenze würde den dringend notwendigen Ausbau der Erneuerbaren spürbar verlangsamen”, erklärte Lichtblick-Chefjurist Markus Adam. „Wir brauchen eine effektive Krisenbekämpfung, aber nicht auf Kosten der Versorgungssicherheit und zu Lasten der Erneuerbaren.“

Als weitaus effektivere Maßnahme ist ein Preisdeckel auf Importgas. Dies zeige eine ebenfalls von Lichtblick beauftragte Analyse bei Aurora Energy Research. Ein EU-Preisdeckel sei rechtlich kurzfristig umsetzbar und würde zu sinkenden Strompreisen führen. „Diese Obergrenze würde nicht nur die Gaspreise spürbar niedrig halten, sondern auch den Strompreis deutlich bremsen, der momentan ebenso steigt“, sagte Adam weiter. Je nach Höhe der Obergrenze sei eine Reduktion des Strompreises im Großhandel um bis zur Hälfte möglich. Selbst bei einer konservativen Umsetzung würde der Stromgroßhandelspreis um ein Drittel sinken, so die Analyse. Wenn es auf EU-Ebene keine Mehrheit für einen Gaspreisdeckel gebe, wäre es nach Ansicht von Lichtblick möglich, eine einmalige, moderate Übergewinnsteuer einzuführen, wie sie derzeit für fossile Energieträger vorgesehen ist. Sie könnte dann auch für Stromproduzenten gelten.

Darüber hinaus ist eine schnelle Entlastung der Letztverbraucher notwendig, die effektiv und unbürokratisch umgesetzt werden kann. Lichtblick schlägt dafür die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Strom auf sieben Prozent vor. Für kleine und mittlere Einkommen sollte zudem ein Energiegeld eingeführt werden, um die gestiegenen Nebenkosten abzufedern. Dies könne steuerfinanziert oder über ein Sondervermögen Energiekrise erfolgen. Langfristig brauche es zur Entlastung der Endverbraucher einen stärkeren Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und anderen Erneuerbaren sowie einen sukzessiven Gasausstieg. „Statt des benötigten Schubs wirkt die jetzt geplante rechtswidrige Erlösabschöpfung dem Ausbau der Erneuerbaren entgegen – und ist damit letztlich abträglich für den Schutz der Endverbraucher“, so Adam. „Ziel muss aber sein, die deutsche Abhängigkeit von Energieimporten durch Erneuerbare dauerhaft und schnell zu minimieren.“ Die konzertierte Beschleunigung auf Planungsebene, die aktuell bei den LNG-Terminals beobachtet werden kann, wird auch beim Ausbau der Windenergie und Solarenergie sowie bei der Wärmewende dringend gebraucht, wie er weiter sagte.

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