HTW Berlin: Für Klimaziele werden 38 Gigawatt Photovoltaik-Zubau pro Jahr benötigt

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Die von der Bundesregierung angestrebten 20 Gigawatt Photovoltaik-Zubau pro Jahr sind vielleicht ambitioniert, würden das 1,5-Grad-Ziel aber deutlich verfehlen. Zu diesem Ergebnis kam eine Gruppe Forschender der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin).

Um den Energiebedarf auch im nächsten Jahrzehnt problemlos und klimaneutral decken zu können werden in Deutschland vor allem die Säulen Photovoltaik, Windkraft und Biomasse eine wichtige Rolle spielen. Photovoltaik-Anlagen haben im Vergleich zu den anderen Technologien noch einige Vorteile. Sie sind kostengünstig, flexibel, skalierbar und genießen generell eine höhere Akzeptanz. Noch in dieser Legislaturperiode müsse man in Deutschland auf einen jährlichen Zubau von 40 Gigawatt im Jahr kommen. Die Forschenden betonen, dass alle Parteien, die in ihrer Programmatik dahinter zurückbleiben, „weder dem völkerrechtlich verbindlichen Pariser Klimaschutzabkommen noch dem Verfassungsrecht“ genügen.

Das Team um Volker Quaschning sieht es besonders als Aufgabe für die Photovoltaik-Branche an, die entstehende Strombedarfslücke zu schließen. Anders als die Bundesregierung halten es die Forschenden für notwendig, bereits 2035 und nicht erst 2045 klimaneutral zu werden. Die daraus entstehende Lücke soll dem Fachartikel „20 Gigawatt Photovoltaik Pro Jahr sind nicht genug“ zufolge 660 Terawattstunden betragen.

Strebt die Bundesregierung die Klimaneutralität erst 2045 an, entsteht daraus ein Bedarf von 471 Gigawatt Photovoltaik im Zieljahr. Zieht man das Datum um zehn Jahre vor, werden 594 Gigawatt benötigt. Den Berechnungen des Teams zufolge müssten ab einschließlich diesem Jahr 38 Gigawatt Photovoltaik pro Jahr zugebaut werden. Dass das schwierig wird, sehen auch die Autoren des Fachartikels. Stattdessen modellieren sie einen Zubau von 17 Gigawatt ab dem nächsten Jahr. Mit jedem Jahr soll der Zubau nochmals steigen. Der Markthochlauf soll bis 2027 abgeschlossen sein. Ab dann sollen pro Jahr 45 Gigawatt zugebaut werden.

Die Alternative wäre ein Zubau mit einem jährlichen Marktwachstum von 23 Prozent. Auch das würde in die rechtzeitige Klimaneutralität führen, heißt es. Allerdings würde sich die Hauptlast der Installationen auf die späteren Jahre verschieben. So würde ab 2032 ein jährlicher Zubau von 50 Gigawatt notwendig. Im Zieljahr 2035 bräuchte es satte 100 Gigawatt.

Fachkräfte nicht vergessen

Die Forschenden warnen vor der Option, den Markt konstant mit 23 Prozent wachsen zu lassen, da die Risiken, die Klimaziele dann doch noch zu verfehlen, mit jedem Jahr steigen. Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, den die Autoren ausführen: die Fachkräfte. Ein Installationsmarkt von 100 Gigawatt im Zieljahr wäre nicht nachhaltig, da nach dem Erreichen der Zielmarke viele Fachkräfte nicht mehr gebraucht würden und vor der Arbeitslosigkeit stehen könnten. Bei einem Ausbau wie von den Forschenden vorgeschlagen, würden pro Jahr etwa 20 bis 30 Gigawatt an Photovoltaik-Anlagen vollständig ersetzt oder zumindest einem Repowering unterzogen werden. So kann ein Großteil der Beschäftigten auch über das Zieljahr hinaus in der Branche beschäftigt bleiben.

Die Forschenden rechnen vor, dass ein Zubau von 37 Gigawatt wie im Jahr 2025 notwendig einen Bedarf von 190.000 Stellen bedeuten würde. Für den Zubau allein wären 4100 Vollzeitäquivalente nötig. Für die Wartung gehen die Berliner Autoren von 170 Vollzeitäquivalenten pro Gigawatt aus. Aktuell gebe es 11.500 Stellen in der technischen Betriebsführung für Photovoltaik-Anlagen. Im Zieljahr 2035 dürften es nach Schätzung des Fachartikels 86.000 sein. Weitere Jobs kommen noch in der Produktion von Komponenten hinzu. Quaschning und seine Kollegen gehen von 1700 Vollzeitäquivalenten in der Produktion aus. Insgesamt bedarf es bis zum Zieljahr 250.000 Jobs in der Photovoltaik-Branche. Bei dem derzeitigen Stand von etwa 38.000 klingt das sehr viel. Doch vor zehn Jahren arbeiteten in Deutschland schon einmal 130.000 Menschen in diesem Industriezweig.

Der Text wurde am 1. Juli angepasst, um die von den Autoren der Studie vorhergesehene Rolle von Biomasse präziser darzustellen. In der ursprünglichen Fassung ist an dieser Stelle ein falscher Eindruck entstanden. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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