Faire Fonds: Kaum nachhaltige Nachhaltigkeitsfonds

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Facing Finance und Urgewald haben ihr Portal „Faire Fonds“ aktualisiert. Dort finden Verbraucher Informationen zu 2163 Fonds. „91 Prozent der untersuchten Fonds waren zum Stichtag der Untersuchung am 16. April 2022 in Unternehmen investiert, die ökologische, ethische und soziale Standards sowie Normen und damit Nachhaltigkeitskriterien verletzen“, erklären die Betreiber der Plattform. Betroffen sind auch zahlreiche Nachhaltigkeitsfonds. Nur bei 107 Fonds haben die Initiatoren in ihrer Untersuchung keine Kritikpunkte gefunden. Doch selbst diese enthalten unter Umständen Positionen, die zumindest Fragezeichen aufkommen lassen.

Jeder fünfte Fonds investiert in Öl und Gas

Zu den Fonds gehören die Publikumsfonds der vier größten deutschen Kapitalanlagegesellschaften DWS, Deka, Allianz Global Investors und Union Investments. Hinzu kommen zahlreiche ETF sowie Fonds, die als nachhaltig vertrieben werden.

Das Ergebnis: Jeder fünfte Fonds hatte in den Öl- und Gaskonzern Total Energies investiert, darunter auch Produkte, die als nachhaltig verkauft werden. Ebenfalls häufig dabei: Eni, Enel, OMV und BASF mit der Beteiligung an Wintershall. Auch Rüstung, Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte und weitere Kriterien kommen sowohl in herkömmlichen als auch in nachhaltigen Publikumsfonds vor. Selbst das vom Branchenverband Forum Nachhaltige Geldanlagen vergebene Siegel, das der Verband gerne als Qualitätsmerkmal beschreibt, hilft nicht weiter. Eine ganze Reihe von Fonds, die das Siegel erhalten hat, investiert in bedenkliche Unternehmen.

Harte Kriterien heißt nicht unbedenklich

Spannend ist auch, dass gerade aus dem dunkelgrünen Nachhaltigkeitsbereich kaum ein Fonds als unbedenklich gilt. Die Produkte von Ökoworld, unter anderem der Ökovision, die Fonds von Triodos, der Green Effects, sie alle scheitern an den Kriterien der Initiatoren.

Schwächen in der Systematik

Gerade mal 107 Fonds gelangen auf die Liste der unbedenklichen Fonds. Und selbst die wirft Fragezeichen auf. Denn die Systematik der Plattformbetreiber hat Schwächen. Kritische Aspekte werden nur bei Unternehmen aufgelistet, nicht bei Staaten. Das bedeutet, ein Fonds, der als nachhaltig vertrieben wird und nur in Anleihen der öffentlichen Hand investiert, ist auf Grund der Systematik unbedenklich. Dabei kann er auch Anleihen von Unrechtssystemen im Portfolio haben.

Ebenfalls interessant: Seit Jahren kritisiert Urgewald die KfW wegen der Finanzierung diverser, umweltschädlicher Aktivitäten. Auf ihrer Homepage vertreibt die Organisation sogar die Studie „Die Schattenseite der KfW – Finanzierungen zu Lasten von Mensch und Umwelt“. Anleihen der KfW dürfen Nachhaltigkeitsfonds jedoch kaufen, ohne dass dies als bedenklich eingestuft wird.

Bei Urgewald ist man sich der Problematik bewusst, denn auch zahlreiche Branchen werden bislang nicht erfasst. „Ich bedaure selbst, dass der Finanzsektor nicht abgedeckt ist, ebenso wie Verkehr, Luftfahrt, Pharma, Wasser, Software, Nahrungsmittel“, sagt Julia Dubslaff, die das Projekt für die Nichtregierungsorganisation betreut. So lange das so bleibt, bedeutet das für Verbraucher: Die Plattform hilft, wenig nachhaltige Angebote auszusortieren, sie hilft aber bislang nicht ausreichend, die Nachhaltigkeitsfonds mit harten Kriterien zuverlässig zu finden. Laut Dubslaff prüfen die Partner derzeit, ob sie sich zukünftig breiter aufstellen. (Jochen Bettzieche)

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