DIW: Rekordpreise an der Strombörse bringen Photovoltaik- und Windkraft-Betreibern Mehrerlöse in Milliardenhöhe

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Das Modell der gleitenden Marktprämie sieht vor, dass bei niedrigen Börsenpreisen fehlende Erlöse bis zu einem anlagenspezifischen Mindestpreis, dem so genannten anzulegenden Wert, aus dem EEG-Konto und damit von den Stromkunden und aus dem Staatshaushalt beglichen werden. Wenn die Börsenpreise den anzulegenden Wert überschreiten, wird keine Marktprämie ausgezahlt. Dafür können die Anlagenbetreiber den erzielten Erlös komplett behalten. In diesem Fall wird das EEG-Konto nicht belastet. Zahlen müssen die Stromverbraucher aber trotzdem: Wegen der hohen Großhandelspreise steigt ihre Rechnung.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin hält dies für ungerecht – Gewinne würden privatisiert, Verluste vergesellschaftet. Sie plädieren in einer neuen Veröffentlichung dafür, das System bei Neuanlagen auf Differenzverträge umzustellen, um nicht nur die Anlagenbetreiber, sondern auch die Verbraucher gegen Strompreisrisiken abzusichern.

Wenn die Börsenpreise unter dem anzulegenden Wert liegen, funktionieren Differenzverträge genauso wie das Modell der gleitenden Marktprämie. Liegen die Preise jedoch darüber, muss der Anlagenbetreiber die überschüssigen Erlöse an das EEG-Konto abführen. Damit kämen sie den Verbrauchern zugute, was in der Folge einen durch hohe Börsenpreise bedingten Anstieg der Strompreise abmildern würde.

Differenzverträge würden zudem für bessere Finanzierungsbedingungen bei Erneuerbare-Anlagen sorgen, argumentieren die DIW-Forscher Jörn Richstein, Frederik Lettow und Karsten Neuhoff. Während Investoren heute auf volatile Strompreise wetten müssen, um in Ausschreibungen erfolgreich zu sein, gäben Differenzverträge Erlös-Sicherheit. Damit würde es günstiger, Fremdkapital aufzunehmen, so die Berliner Forscher weiter.

Vor allem Betreiber von Windkraft-Anlagen profitieren

Um die von ihnen wahrgenommene Ungerechtigkeit in Zahlen zu fassen, haben die DIW-Forscher ausgerechnet, wie viel weniger die Kunden für ihren Strom 2021 bezahlt hätten, wenn statt der gleitenden Marktprämie Differenzverträge gelten würden: Sie kommen auf die Summe von 1,7 Milliarden Euro. Die Kostenunterschiede sind dabei erst ab August 2021 sichtbar – seitdem sind die Börsenpreise und auch die technologiespezifischen Marktwerte für Solar und Wind rasant gestiegen. Allein im Dezember 2021 hat das Modell der gleitenden Marktprämie dem DIW zufolge die Kunden 750 Millionen Euro mehr gekostet als es mit Differenzverträgen der Fall gewesen wäre. Schreibt man die aktuellen Börsenpreise anhand von Terminmarktprodukten fort, ergäbe sich für 2022 eine Differenz von etwa sechs Milliarden Euro.

Ab September hätten die Differenzverträge zu einer Entlastung der Stromkunden geführt, während die gleitende Marktprämie vor allem die Einnahmen der Anlagenbetreiber steigen ließ.

Quelle: DIW/Eigene Berechnungen

Die höheren Erlöse kommen vor allem den Betreiber von Windkraftanlagen zugute, so die DIW-Forscher. Denn zum einen sind die hohen Börsenpreise überwiegend im Spätherbst und Winter aufgetreten, also in Zeiten, in denen die Photovoltaik-Erträge gering sind. Und zum anderen, weil die anzulegenden Werte gerade in früheren Jahren installierten Photovoltaik-Anlagen höher sind als die der Windparks.

Dass die Erneuerbaren ein Preistreiber für die Stromtarife sind, lässt sich aus der DIW-Analyse aber nicht schließen. Denn schließlich dämpfen sie nach dem Merit-Order-Prinzip die Börsenpreise. Die hohen Strompreise für Endkunden sind vor allem auf den rasanten Anstieg der Gaspreise im zweiten Halbjahr 2021 zurückzuführen.

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