Nur geringer Anteil der Ladesäulen rechnet sich aktuell ohne Förderung

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Eine hochverfügbare öffentliche Ladeinfrastruktur ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Nutzung eines Elektroautos attraktiv zu machen. Insgesamt 2560 Betreiberfirmen haben daher über 40.000 Ladepunkte in Deutschland installiert (Stand 1. Juni 2021) und ein deutschlandweites Netz aufgebaut. Über die Abdeckung, Zugänglichkeit und Kosten lässt sich je nach Region zwar im Einzelnen trefflich streiten – der aktuelle Elektroauto-Boom deutet allerdings darauf hin, dass die Infrastruktur besser ist als dargestellt. Ebendieser Boom erfordert aber auch weiterhin hohe Anstrengungen, um einer wachsenden Zahl an Fahrzeugen ausreichende Lademöglichkeiten zu bieten. Das ist besonders wichtig, um auch Personen ohne eigenen Stellplatz zu bedienen.

Eine zentrale Herausforderung in dieser Entwicklung ist es, die Ladeinfrastruktur auch für die Betreiberfirmen zu einem lohnenden Investment zu machen. Das geschieht heutzutage vor allem durch großzügige Förderung. Beispiele sind die Ausschreibung von 1000 Schnellladeparks oder das 300 Millionen Euro schwere Förderpaket für Lademöglichkeiten an kleineren Standorten, welches bis zu 80 Prozent der Investitionskosten deckt. Diese Förderungen sind notwendig, da gerade bei Wechselstromladesäulen mit 11 oder 22 Kilowatt Leistung für langsameres Laden die Investitionskosten sonst in keinem Verhältnis zum möglichen Umsatz ständen.

Abbildung 1 zeigt eine Abschätzung darüber, welche Marge pro Kilowattstunde verkaufter elektrischer Energie für den Betrieb von Ladeinfrastruktur notwendig wäre, um die Investitions- und Betriebskosten zu erwirtschaften. Dazu werden den Kosten der Ladestationen die Einnahmemöglichkeiten gegenübergestellt. Diese ergeben sich aus der Zahl der Ladevorgänge unter der Annahme, dass jeweils 20 Kilowattstunden verkauft werden. Zusätzlich sind die Kosten für den Einkauf des Stroms zu berücksichtigen.  Nur 4 Prozent der Ladestationen erzielen genug Umsatz, um mit einer typischen Marge von 10 Cent pro Kilowattstunde die Kosten zu kompensieren. Der mit Abstand größte Teil der Ladeinfrastruktur ist aber auf Förderung angewiesen, da aufgrund des geringen Stromumsatzes ansonsten sehr hohe Preise verlangt werden müssten. Auch der Verband Kommunaler Unternehmen, der BDEW und Eon sprechen mit Bezug auf Ladeinfrastruktur von einem Zuschussgeschäft.

Abbildung 1: Deutschlandweite Abschätzung wie viel Marge pro Kilowattstunde geladenen Stroms notwendig wäre, um die Investitionskosten für eine Ladestation zu erwirtschaften. Betrachtet wurde die Nutzung von 27.000 Ladepunkten zwischen Dezember 2019 und März 2020 und die Daten wurden anschließend auf eine typische Lebensdauer von 10 Jahren hochgerechnet. Die geladene Energie pro Ladevorgang wurde auf 20 Kilowattstunden geschätzt. Details zu Annahmen und der Datengrundlage können unserer Publikation oder dem Preprint entnommen werden.

Grafik: RWTH Aachen

Einer der Hauptgründe für die schlechte Wirtschaftlichkeit ist die niedrige Auslastung. Urbane Standorte sind zwar immerhin 18 Prozent der Zeit belegt, aber, wie Abbildung 2 zeigt, sind gerade in dünn besiedelten Gegenden selbst in der Mittagsspitze Auslastungen von 10 Prozent kaum erreichbar. Zudem sind die Stationen wesentlich länger belegt, als die Ladevorgänge dauern, da sie teilweise als Parkplätze genutzt werden. Betrachtet man also nur die tatsächliche Ladezeit, fällt die Belegungssituation noch deutlich geringer aus. Eine Erhöhung der Auslastung würde direkt zu mehr Umsatz und somit zu einem geringeren Bedarf an Fördermitteln führen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es vielfältiger und zum Teil kreativer Ansätze, die wir im Folgenden kurz zusammenfassen.

Abbildung 2: Durchschnittliche Auslastung von Ladeinfrastruktur nach Standort. Eine Station gilt als genutzt, wenn ein Fahrzeug angeschlossen ist; eine tatsächliche Ladung erfolgt nicht zwangsläufig.

Grafik: RWTH Aachen

Variable Preise

Abbildung 2 zeigt, dass zu bestimmten Zeitpunkten gerade im urbanen Raum mit 25% ein signifikanter Teil der Ladeinfrastruktur genutzt wird. Zu diesen Zeitpunkten wird es dementsprechend möglicherweise schwierig, eine Lademöglichkeit zu finden, während nachts oder im ländlichen Raum die Auslastung deutlich niedriger ist. Dieser Unterschied muss durch variable Preise gespiegelt werden, sodass diejenigen günstiger laden können, die zu unliebsamen Zeiten die Infrastruktur nutzen. Dadurch ergibt sich eine höhere Verfügbarkeit zu Spitzenlastzeiten und perspektivisch könnten mehr Fahrzeuge pro Ladesäule versorgt werden, was wiederum den Umsatz erhöht. Im Projekt „BeNutz LaSA“ arbeiten wir an solchen Lösungen unter Einsatz datengetriebener Methoden. Aber auch einfachere Varianten, wie ein Tag- und ein Nachttarif, würden bereits viel erreichen. Variable Preise könnten darüber hinaus genutzt werden, um das Stromdargebot an Nutzer und Nutzerinnen weiterzugeben. Wenn viel (lokale) erneuerbare Energie verfügbar ist, dann sollte diese günstiger sein.

Kontraproduktiv ist in dieser Beziehung die Novellierung der Preisangabenverordnung, da dort gefordert wird, dass der Energiepreis für Spontanlader auf der Ladesäule ersichtlich sein muss. Sofern hier keine Nachbesserung geschieht, ist es zumindest für Spontanlader nahezu unmöglich, flexible Preise aufzurufen. Dadurch würden Möglichkeiten der Nutzungslenkung und damit der Verbesserung der Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten und auch der flexiblen Anpassung der Ladenachfrage an die schwankende Stromverfügbarkeit verschenkt. Das führt insbesondere auch zu höheren Gesamtkosten im Energiesystem und für die Ladeinfrastruktur, die am Ende wieder von der Kundschaft zu bezahlen sind.

Teilen von privaten Lademöglichkeiten

Private Fahrzeuge legen typischerweise zwischen 30 und 40 Kilometer pro Tag zurück, wofür meistens deutlich unter 10 Kilowattstunden benötigt werden. Viele Fahrzeuge haben aber heutzutage Reichweiten von 200 bis 500 Kilometern. Daraus ergibt sich, dass private Fahrzeuge nicht mehr täglich geladen werden müssen. Private Ladepunkte sollten daher prinzipiell auch anderen zugänglich gemacht werden. YouCharge.Me, Air Electric, Plattformen wie nebenan.de oder auch die frühen visionären Ansätze von Drehstromnetz.de bieten hier funktionale und einfach zu bedienende Möglichkeiten, den privaten Ladepunkt auch anderen Personen zur Verfügung zu stellen. Das entlastet die öffentliche Infrastruktur und erlaubt auch Personen ohne eigenen Stellplatz das Laden in der Nachbarschaft. Da die privaten Ladepunkte ohnehin bezahlt werden müssen, fallen für die zusätzliche Nutzung außer Stromkosten und zum Teil geringen Abgaben an die Plattform keine weiteren Kosten an. Es kann allerdings notwendig werden, ein Kleingewerbe anzumelden.

Autonomes Laden

Autonomes Fahren ist in Deutschland in bestimmten Anwendungsszenarien ab 2022 erlaubt. Für die Ladung von Elektroautos bietet die neue Technik ein erhebliches Potenzial. Sobald Fahrzeuge durch das autonome Fahren auch autonom laden können – entweder induktiv oder via einem kabelführenden Roboterarm – ist es möglich, die Auslastung der Ladeinfrastruktur massiv zu erhöhen. Bei typischen Ladedauern von etwa 2,5 Stunden könnten zum Beispiel 5 Fahrzeuge an einem Ladepunkt in einer Nacht geladen werden, wenn Fahrzeuge autonom umparken. Sobald Fahrzeuge auch eigenständig zur nächsten Station fahren, erhöht sich der potenzielle Nutzen nochmals.

Integration in alle gängigen Navigationsapps

Die Suche nach einer freien Ladesäule ist heutzutage noch immer nicht ganz einfach. Roamingplattformen und Ad-hoc-Laden erlauben mittlerweile einen gut funktionierenden Zugang zu Ladestationen. Einige Navigationsapps und auch günstige Elektrofahrzeuge sind aber noch nicht so weit, dass bei der Routenplanung die Ladestopps automatisch mitgedacht werden. Dadurch kommt es noch immer vor, dass verschiedene Datenquellen genutzt werden müssen, um komfortabel die beste Lademöglichkeit zu finden. Dazu müssen auch die Informationen zu typischen Auslastungen und vermutlicher Wartezeit ebenso wie der aktuelle Belegungsstatus und auch eine Reservierungsfunktionalität integriert werden. Hochpreisige Elektrofahrzeuge bieten eine solche Funktionalität zumeist bereits an, aber eine Erweiterung auf weitere Plattformen wäre sehr wünschenswert.

Fazit: Insgesamt lässt sich der Ladeinfrastruktur in Deutschland bescheinigen, dass in kurzer Zeit ein akzeptables Netz geschaffen wurde, das mit Hochdruck verbessert wird. Neben dem Aufbau von Hardware sind aber auch vermehrt intelligente Lösungen vonnöten, um die Hardware und oftmals das dafür aufgewendete Steuergeld effizient zu nutzen. Hier müssen kreative Möglichkeiten gefunden werden, Nutzerkomfort, Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit zusammenzubringen und die Menschen gleichzeitig für Elektromobilität zu begeistern.

Weitergehende Analysen zur aktuellen Auslastung finden Sie in unserer Veröffentlichung oder im Preprint.

Über die Autoren

Christopher Hecht ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik der RWTH Aachen. Seine Forschung konzentriert sich auf die Interaktion von Elektrofahrzeugen und dem Stromnetz mit besonderem Fokus auf die Nutzung von öffentlicher Ladeinfrastruktur.

 

Jan Figgener ist Abteilungsleiter am Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik der RWTH Aachen. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Markt- und Technologieentwicklung, die Netzintegration und die Alterung von Batteriespeichern.

 

Dirk Uwe Sauer leitet den Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik der RWTH Aachen und ist seit fast 30 Jahren im Bereich Batterien und Energiesysteme aktiv.  Zusammen mit einem Team von 70 Angestellten fokussiert er sich auf Themen beginnend mit den elektrochemischen Prozessen in einer Batteriezelle bis zur Analyse ganzer Energiesysteme. Im Bereich der Batteriealterung werden verschiedene Modelle, Post-Mortem-Analysen, datengetriebene Methoden und vieles mehr genutzt, um die Nutzungsdauer und Sicherheit von Batterien zu erhöhen.

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