Preise an der Strombörse mit 70 Euro pro Megawattstunde so hoch wie lange nicht mehr

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An der Strombörse werden aktuell Base-Preise für das Frontjahr von über 70 Euro pro Megawattstunde verzeichnet. Ein Preisniveau, was es lange nicht mehr gab. Analysten müssen schon bis ins Jahr 2009 zurückschauen. Doch woran liegt es, dass eigentlich seit Jahresbeginn der Preis an den Strombörse förmlich explodiert ist? Die Strommarktexperten Simon Göß von Energy Brainpool und Mirko Schlossarczyk von Enervis sehen aktuell drei fundamentale Treiber für diese Entwicklung, wie sie im Gespräch mit pv magazine erklären.

„Der Gaspreis befindet sich derzeit auf einem 13-Jahres-Hoch und da Gaskraftwerke oft die Kraftwerke sind, die den Strompreis setzen, ist er in den letzten Monaten deutlich angezogen“, sagt Göß. Da es im April und Mai kälter als gewöhnlich gewesen sei, habe dies die Gasnachfrage zusätzlich erhöht. Die Gasspeicher sind zudem nur noch zu 40 bis 50 Prozent gefüllt, was 10 bis 20 Prozent unter dem normalen Niveau liege, da auch die Gasnachfrage aus Asien aktuell sehr hoch sei, sagt Göß. Die LNG-Lieferungen gehen daher teilweise in den noch höher bepreisten asiatischen Markt. Schlossarczyk führt an, dass es denkbar ist, dass die Betreiber der Gasspeicher weniger Brennstoff vorhalten würden, da das Speichergeschäft in den vergangenen Jahren angesichts sehr niedriger Gaspreise beziehungsweise Gaspreisspreads wenig einträglich gewesen sei. Zudem weist der Partner von Enervis daraufhin, dass nur aktuelle Lieferungen von Gas sehr teuer seien. Bei Verträgen mit Lieferdatum in ein bis zwei Jahren gebe es schon wieder deutlich niedrigere Preisniveaus.

Hinzu kommt der aktuell Kohlepreis. „In China ist die Konjunktur nach der Corona-Krise wieder stark angezogen und entsprechend groß ist auch die Nachfrage von Kohle dort“, sagt Schlossarczyk von Enervis. Göß sieht auch bei diesem Brennstoff aktuell ein 10-Jahres-Hoch bei den Preisen erreicht. Bei den derzeit hohen Gaspreisen könnten auch schon mal Kohlekraftwerke die preissetzenden Kraftwerke an der Strombörse sein und dann wirken auch die hohen Kohlepreise auf den Strompreis ein. Dazu kommt noch, dass es ein relativ windarmes erstes Halbjahr in Deutschland war und daher deutlich weniger Windstrom als im Vorjahreszeitraum ins Netz gespeist wurde, was zusätzlich die Preise an der Strombörse steigert, wie Schlossarcyk anmerkt.

Neben den fossilen Brennstoffpreisen wirkt sich zudem noch der deutlich höhere CO2-Preis aus. Er ist seit Jahresbeginn deutlich gestiegen, nachdem die EU die Verschärfung ihrer Klimaziele angekündigt hatte. Mittlerweile hat er sich auf einem Niveau um die 50 Euro pro Tonne CO2 eingependelt. Beide Analysten sind überzeugt, dass die alten Preisniveaus von deutlich unter 20 Euro pro Tonne sobald nicht mehr erreicht werden, wenn überhaupt. Dazu werde auch die für Juli erwartete Änderung im europäischen Emissionshandel ETS beitragen, denn die EU will die Zertifikate mit Blick auf die höheren Klimaziele weiter verknappen. „Der Preis für die CO2-Zertifikate wird eher noch steigen, derzeit sehe ich keinen starken Hebel nach unten“, sagt Göß, allerdings mit der Einschränkung, dass es keinen neuen weltweiten Lockdown gibt, der die Industrienachfrage nach Strom einbrechen lässt, wie es im Frühjahr 2020 der Fall war. Schlossarczyk geht jedoch auch davon aus, dass der CO2-Preis langfristig nur noch eine untergeordnete Rolle am Strommarkt spielen wird – nämlich dann wenn die fossilen Kraftwerke vom Netz gehen.

Das Baseload-Preis ist in den vergangenen Monaten teilweise auf mehr als 70 Euro pro Megawattstunde gestiegen, was perspektivisch eine vermehrte Refinanzierung von Erneuerbaren-Anlagen über den Strommarkt ermöglichen würde.

Grafik: Energy Brainpool

Aktuell ist die Entwicklung an den Strommärkten jedoch äußerst positiv für die Erneuerbaren. „Sie profitieren unmittelbar von den hohen Strompreisen und die Wirtschaftlichkeit von neuen Photovoltaik- und Windkraftanlagen steigt“, sagt Schlossarczyk. Auch Göß sieht einen deutlichen Fingerzeig, dass bei einem solchen Strompreisniveau sich die Erneuerbaren auch ohne Förderung über die Strombörse refinanzieren ließen. Zugleich werde die EEG-Umlage entlastet, da für Photovoltaik- oder Windkraftanlagen aus den Ausschreibungen in den Zeiten hoher Strompreise keine Marktprämie mehr bezahlt werden müsse, so der Analyst von Energy Brainpool. Noch nicht ganz klar abzusehen sind für die Strommarktexperten die Auswirkungen der hohen Strompreise auf die Preisgestaltung in den Stromabnahmeverträgen (PPAs). Beide gehen jedoch davon aus, dass das Preisniveau etwas steigen wird. Getrieben durch die starke Volatilität an der Strombörse hätten immer mehr Unternehmen ein Interesse, sich gegen die Schwankungen abzusichern und dies auch über die langfristig günstigen Erneuerbaren. „Allein durch die Risikoaufschläge werden die PPA-Preise gewiss höher als vor 1,5 bis 2 Jahren liegen“, sagt Schlossarczyk. Auch dies wiederum könnte dann zu deutlich mehr Photovoltaik- und Windkraftanlagen führen, die ohne Förderung realisiert werden. „Allerdings auch nur, wenn die Kosten bei den Erneuerbaren-Anlagen nicht wesentlich steigen“, wie Schlossarczyk mit Blick auf derzeit steigenden Modulpreise erklärt.

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