Altigkeiten vom Wasserstoff und die Kohlenstoffbatterie

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Vorbemerkung: Der Beitrag ist als Sammlung von (Hoch)Schulwissen und Sichtweisen eines Biologen auf die Thematik „Wasserstoff“ und „Energiespeicherung“ konzipiert. Vielfach vereinfachend, aber hoffentlich relevante Aspekte einer energetischen Bionik beleuchtend. Kenntnisstand 2021.

Energie: Sämtliche Vorgänge in der belebten und unbelebten Natur sind von “Energie“ abhängig. Für das Entstehen des „Lebens“ war es essenziell auf „Energie“ zugreifen zu können. Die „unerschöpfliche“ Energiequelle ist die solare Strahlungsenergie.

Wasserstoff ist DER Energieträger: Wasserstoff ist DER Energieträger seit 1.500.000.000 Jahren. Zum Vergleich: unsere eigene Lebensspanne umfasst in der Regel die beiden letzten Nullen und die Zeitspanne der uns geläufigen schriftlich fixierten Menschheitsgeschichte so die letzten 4 Nullen. „Wasserstoff“ ist also nichts „NEUES“, sondern „ewig ALTES“.

„Unendlich viel Energie“: Vor rund 1.500.000.000 Jahren etablierten Lebewesen eine Methode, um Lichtenergie in gespeicherte Bioenergie zu überführen.

In einer Zwei-Schritte-Reaktion (zwei Mal Lichtenergie einfangen) wird ein elektrochemisches Potenzial von circa 1,5 Volt aufgebaut, welches in der Lage ist Wasser (H2O) in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Sämtliche nachfolgende und weltweit vorliegende „Bio“-Energie basiert auf dieser Reaktion (biologisch: Photosystem II und Photosystem I).

Nun konnte „massenhaft“ vorhandenes flüssiges Wasser in biochemisch relevanten Wasserstoff und (gasförmigen) Sauerstoff gespalten werden. Das ergab erstens den Zugriff auf unermessliche Rohstoffvorkommen und zweitens „kein Problem mit dem Abfall“ – der Sauerstoff entwich in die Atmosphäre. Und so ganz nebenbei … „Licht“ gab und gibt es „unendlich viel“.

Als Nebeneffekt reicherte sich in folgenden Jahrmillionen Sauerstoff derart umfangreich in der Atmosphäre an, dass sich eine UV-abhaltende Ozonschicht bilden und Lebewesen auch außerhalb des Wassers überleben konnten. Sowohl unsere sommerliche Hauttönung als auch die Möglichkeit der Sterilisation mit UV-Licht sind nach wie vor gültige Belege dafür – UV-Licht ist „tödlich“. UV-Licht zerstört jegliche Biomasse, ist krebserregend und lässt auch viele Kunststoffe versprödend altern.

Mit Wasserstoff kann man im biologischen Umfeld „alles“ machen … man kann Nitrat (NO3) zu Ammonium (NH3) reduzieren und hätte damit einen Baustein für die Aminosäuren, aus denen unsere Proteine bestehen … aber auch für die Stickstoffpositionen in unserer Erbsubstanz, der DNS und weiteren Biomolekülen.

Mit Wasserstoff kann man auch Sulfat (SO4) in Schwefelwasserstoff (H2S) reduzieren … und hätte wiederum einen Baustein für einzelne Aminosäuren. Solche Schwefelverbindungen können beispielsweise unerwünschte Schwermetalle binden, die „Lebensvorgängen“ noch nie so richtig gutgetan haben.

Mit Wasserstoff kann man auch Kohlendioxid (CO2) zu Kohlenhydrat (C-H2O … Chemiker verzeihen bitte die verkürzende Schreibweise) reduzieren und damit wäre man beim Startmolekül für alle Stoffwechselvorgänge, wie wir sie heute kennen. Ebenfalls ist Kohlenhydrat das Startmolekül für jegliche „Energiespeicherung“ … denn daraus entstehen Zucker, Stärke, Cellulose, Holz, Torf, Braunkohle, Steinkohle, Erdgas, Erdöl und so weiter … ALLES, was wir an „Biobrennstoffen oder fossiler Energie“ nutzen, ist ein Folgeprodukt dieser biologischen -Startreaktion … aus Lichtenergie wird „biologisch nutzbarer Wasserstoff“, der unter anderem zur Umwandlung von Kohlendioxid (CO2) in Kohlenhydrat (C-H2O) genutzt werden kann.

Erste Zwischenbilanz: Aus unendlich nutzbarer Solarenergie wird „energiegeladener“ Wasserstoff, der irgendwann wieder in einer Art „Knallgasreaktion“ mit Sauerstoff zu Wasser „verbrennen“ und damit Energie freisetzen kann.

Kohlenstoff – die „Energiebatterie“ – seit 1.500.000.000 Jahren:

Kohlenstoff (C) ist das „einzige“ Element im Periodensystem, welches SOWOHL ENTWEDER 4 Elektronen abgeben ODER 4 Elektronen aufnehmen kann, um edelgasähnlich zu werden.

Kohlenstoff ist das einzige Element im Periodensystem der chemischen Elemente das: Unfassbar viele Verbindungen (auch mit anderen Kohlenstoffatomen) eingehen kann, UND tritt in der reduziertesten Verbindung etwa mit 4 Wasserstoffatomen als gasförmiges Methan auf UND in der oxidiertesten Version beispielsweise mit 2 Sauerstoffatomen EBENFALLS als Gas, nämlich CO2, Kohlen(stoff)dioxid auf.

Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff sind die geniale Kombination, um in der Biosphäre für ALLES die Voraussetzungen zu schaffen.

Reduktion und Oxidation im „BIO-Umfeld“: Wasserstoff kann Kohlenstoff reduzieren (4 Elektronen zuführen) … das Ergebnis ist CH4, Methan, ein Gas. Sauerstoff kann Kohlenstoff oxidieren (4 Elektronen abziehen), das Ergebnis ist CO2, Kohlen(stoff)dioxid, ebenfalls ein Gas – die meisten „Bio-Moleküle“ dazwischen sind entweder Flüssigkeiten oder Feststoffe.

Wasserstoff und die Energie: In einer Sauerstoff- haltigen Umgebung ist der Gehalt an Wasserstoff in einer Verbindung aus Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff das Maß für den „Energiegehalt“. Vergleichbar den 0 bis 8 Stockwerken eines Hauses, aus denen ein Stein nach unten fallen kann … „keine“ Energie aus dem Erdgeschoss (CO2), viel Energie aus dem achten Stock (CH4). Dementsprechend enthält zum Beispiel ein Kilogramm Kohlenwasserstoff ungefähr doppelt so viel nutzbare Energie wie ein Kilogramm Kohlenhydrat.

Zweite Zwischenbilanz: Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff bestimmen im biologischen Umfeld das Energieangebot.

Die Kohlenstoffbatterie: Zwischen den energetischen Extremzuständen CH4 (gasförmig) und CO2 (gasförmig) kann theoretisch eine energetische Reaktionskette formuliert werden. Im Zentrum steht Kohlenstoff, welcher einer Batterie oder einem Akkumaterial gleich, eine Spannweite von 8 Elektronen anbieten kann. In der Chemie drückt sich das in der sogenannten Oxidationszahl aus.

CH4 + O ergibt CH3-OH (Methan (Gas) + Sauerstoff ergibt Methanol – eine Flüssigkeit) – aus 4 zusätzlichen Elektronen beim Kohlenstoff werden 2

CH3-OH + O ergibt H2-CO + 1 H2O (Methanol + Sauerstoff ergibt Formaldehyd – stark reaktiv und „Abfall-Wasser“ – hier geht „Wasserstoff verloren“) – Kohlenstoff ist ungeladen

H2C-O + O ergibt H-C-OOH (Formaldehyd + Sauerstoff ergibt Ameisensäure) – Kohlenstoff ist 2-fach entladen

H-C-OOH + O ergibt H2-C-O3 (Kohlensäure) … zerfällt leicht zu H2O und CO2 (Kohlendioxid – ein Gas). Die Elektronenzahl beträgt 4-fach entladen.

Von CH4 zu CO2 wurde also eine Spannweite von 8 Elektronen durchschritten.

In der Biologie/Biochemie läuft dies natürlich anders ab. Das „Startmolekül“ ist Kohlenhydrat, welcher beispielsweise zu Fettsäuren und zu Kohlenwasserstoff reduziert werden kann (weitere „Energieeinlagerung“) ODER unter „Energiefreisetzung“ zu CO2 oxidiert werden kann. Energiefreisetzung ist absichtlich in Anführungszeichen gesetzt, denn „die Energie“ resultiert in der Biologie aus der Reaktion 2 H + 1 O à H2O: auch bekannt als Zellatmung oder technisch: „Brennstoffzelle“.

Arbeitsteilung: Die bedeutende ERSTE Reaktion … Lichtenergie einfangen und in biochemisch gebundene Energie überführen, wird den Chloroplasten (Photovoltaik-Anlagen, Lichtenergie einfangen, damit Wasser spalten und gebundenen Wasserstoff als Endprodukt weiterreichen) überlassen. Sozusagen als dezentrale Einheiten millionenfach in jeder Pflanze enthalten.

UND!!!

Die biochemische Schlussreaktion 2 * H + 1 * O à H2O wird ebenfalls Spezialisten überlassen … den Mitochondrien. Wiederum als dezentrale Einheiten millionenfach in jedem Lebewesen enthalten. Diese entsprechen energetisch betrachtet der Brennstoffzelle.

„Erfunden“ vor hunderten von Millionen von Jahren …

Fazit: Wie eingangs formuliert … „Altigkeiten vom Wasserstoff und zwischendrin die Kohlenstoffbatterie“. Und für die Übertragung in die technische Welt: Energiewandlung wird von Milliarden dezentraler Einheiten bewerkstelligt, beispielsweise aus einer industriellen Massenproduktion.

— Der Autor Thomas Vorderwülbecke, Jahrgang 1960 hat Biologie mit Abschluss Diplom studiert und befasst sich seit dem Jahr 2000 mit der landwirtschaftlichen und technischen Nutzung „Erneuerbarer Energien“. Dabei fiel die erst auf den zweiten Blick erkennbare Parallele zwischen Biologie und Technik auf. Energie gibt es im Überfluss – das Problem ist die Speicherung und zeitnahe Verfügbarmachung. —

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