Nachtrag zu „Warum eine Förderung des Photovoltaik-Eigenverbrauchs abgeschafft gehört“

Solaranlage auf einem Hausdach unter dem strahlend blauen Himmel

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Vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle mein Beitrag „Warum eine Förderung des Photovoltaik-Eigenverbrauchs abgeschafft gehört“ veröffentlicht. Die Reaktionen darauf kann man grob in vier Kategorien einteilen: Grundsätzliche Zustimmung, Verständnisfragen, konstruktive Kritik und persönliche Diffamierung. Ich gehe davon aus, dass alle, die an der Diskussion beteiligt waren, darin einig sind, dass Deutschland seine Emissionen so schnell wie möglich reduzieren sollte. Es besteht aber offensichtlich Uneinigkeit darin, auf welche Weise dies am besten erreicht werden kann. Auf einige prinzipielle Verständnisfragen und Kritikpunkte zu meinem Beitrag möchte ich genauer eingehen.

 „Es gibt ja gar keine Förderung des Eigenverbrauchs“

Es gibt zwar keine direkte Förderung, jedoch eine indirekte. Bei dem gegenwärtigen Abrechnungsmodell für Privathaushalte finanzieren Staat und die Energieversorger verbrauchsunabhängige Kosten über Zuschläge auf den Arbeitspreis. Photovoltaik-Anlagenbesitzer können durch Eigenverbrauch ihren Netzbezug reduzieren und müssen damit weniger von diesen ganzen Umlagen und Steuern zahlen, als ein Haushalt mit demselben Strombedarf ohne Photovoltaik-Anlage. Ab einer Anlagengröße von 30 Kilowatt muss für den Strombedarf, der durch die eigene Photovoltaik-Anlage gedeckt wird zumindest ein Teil der EEG-Umlage bezahlt werden, ist aber immer noch deutlich geringer mit Steuern und Umlagen belastet, als der aus dem öffentlichen Netz bezogene Strom.

„Eigenverbrauch ist doch gut für das Stromnetz“

Zunächst einmal muss man sich bewusst machen, dass es für den physikalischen Stromfluss und damit auch für die Netzbelastung völlig irrelevant ist, ob eine Photovoltaik-Anlage als Volleinspeiser oder als Eigenverbrauchsanlage angeschlossen ist. Der Unterschied beider Anschlussarten ist einzig und allein die zählertechnische Abrechnung. Auch bei einem Anschluss als Volleinspeiser wird der von der Photovoltaik-Anlage erzeugte Strom in erster Linie die Haushaltsverbraucher versorgen und nur der überschüssige Strom in das öffentliche Netz abfließen. Dass sich vor einigen Jahren der Anschluss als Eigenverbrauchsanlage durchgesetzt, hat lag nicht an einem plötzlich gestiegenen Umweltbewusstsein oder dem Bestreben, das Netz zu entlasten, sondern schlicht und einfach daran, dass damals die Höhe des Einspeisetarifes unter die des Haushaltsstrompreises gesunken war.

Damit ist es dann aber auch auf einmal finanziell vorteilhaft, den Eigenverbrauchsanteil seiner Photovoltaik-Anlage zu erhöhen, etwa durch Batteriespeicher. Dabei stellt sich die berechtigte Frage, ob denn dann zumindest diese Eigenverbrauchserhöhung netzdienlich ist oder gar CO2-Emissionen verringert. Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass die Netzbelastung sinkt, wenn Erzeugung und Verbrauch möglichst ausgeglichen sind. Im Bereich der Privathaushalte ist eine pauschale Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils in den allermeisten Fällen für das Netz völlig unnötig. Das Netz ist für den „Worst Case“-Fall innerhalb eines Jahres ausgelegt, und dieser liegt typischerweise nicht an einem sonnigen Mittag, sondern an einem dunklen Winternachmittag vor, wo das Potenzial einer Eigenverbrauchserhöhung sehr begrenzt ist. Ein finanzieller Anreiz für tatsächliche Netzdienlichkeit könnte stattdessen zukünftig beispielsweise durch vom Netzbetreiber dynamisch festgelegte zeitabhängige Stromtarife erreicht werden.

Auch die großen Leitungen im Höchstspannungsbereich zwischen Nord- und Süddeutschland können durch eine Erhöhung des Photovoltaik-Eigenverbrauchs in keiner Weise reduziert werden, da sie in erster Linie für die Übertragung eines tage- oder sogar wochenlangen Überschusses an Windstrom von Nord nach Süd benötigt werden, welcher durch stundenweise Be- und Entladung von Heimspeichern nicht wesentlich reduziert werden kann.

„Der finanzielle Vorteil des Eigenverbrauchs fördert den Kauf von Batteriespeichern und Speicher sind für die Energiewende ein wichtiger Baustein“

Dass eine gewisse Menge an Kurz- und Langzeitspeichern zur Erreichung der Klimaneutralität eine ökonomisch sinnvolle Ergänzung zu dem Ausbau der Windkraft und Photovoltaik sowie des Stromnetzes ist, ist völlig unbestritten. Dies als Rechtfertigungsgrund für eine pauschale Förderung von kleinen Heimspeichern heranzuziehen, nützt jedoch vor allem der Batteriespeicherindustrie, aber nicht der Energiewende. Eine Entlastung des Niederspannungsnetzes durch Photovoltaik-Heimspeicher ist aktuell nur in den allerwenigsten Fällen notwendig. Die gegenwärtigen Abregelungen von Windkraftanlagen vor allem in dünn besiedelten Regionen können durch die Heimspeicher nicht beeinflusst werden. Bis die Heimspeicher in größerem Umfang für das Niederspannungsnetz eventuell sinnvoll werden könnten, vergehen mindestens noch zehn Jahre. Bis dahin sind die jetzt verkauften Geräte schon fast Elektroschrott, abgesehen davon, dass man die gegenwärtig bei den verkauften Heimspeichern programmierte Betriebsstrategie „Eigenverbrauchsmaximierung“ durch eine Fernsteuerung durch den Netzbetreiber ersetzen müsste.

Hinzu kommt, dass mit der Verbreitung der Elektromobilität automatisch eine wachsende Batteriespeicherkapazität zur Verfügung steht, so dass zusätzliche private Heimspeicher volkswirtschaftlich unsinnig sind.

Auch das Argument, man müsse Speicher fördern, damit diese für zukünftige Anwendungen verfügbar werden, zieht für mich nicht. Dies galt vielleicht vor etlichen Jahren, als die ersten Photovoltaik-Speicher auf dem Markt kamen. Mittlerweile sind diese Produkte jedoch sehr ausgereift und am Markt etabliert, so dass eine staatliche Förderung dafür nicht mehr gerechtfertigt ist.

„Eine EEG-Umlage auf Eigenverbrauch zahlen zu müssen ist genauso absurd wie eine Mehrwertsteuer auf selbst angebaute Tomaten“

Dies ist eine unpassende Analogie. Der Preis von Tomaten im Handel entspricht (bis auf die 7 Prozent Mehrwertsteuer) den tatsächlichen Kosten für die Herstellung der Tomaten. Deshalb sind selbst angebaute Tomaten auch in aller Regel teurer (wenn man die Arbeitszeit mit einrechnet), weswegen dies die wenigsten Haushalte in großem Maßstab tun. Im Gegensatz dazu sind in den etwa 30 Cent pro Kilowattstunde Strom nur etwa 4 Cent für die eigentliche Herstellung des Stromes enthalten. Die restlichen 26 Cent finanzieren Dinge wie die Netzinfrastruktur, Versorgungssicherheit, Ökostromausbau und andere Dinge, von denen man weiterhin profitiert, auch wenn man mit Eigenverbrauch seinen Netzbezug reduziert. Nur deshalb erscheint die Eigenerzeugung von Strom günstiger als die Stromerzeugung durch die Energieversorger. Erst wenn man über eine sehr hohe „Tomatensteuer“ auch beispielsweise den Straßenbau finanzieren würde, hätte man eine vergleichbare Situation, bei der sich ein Selbstanbau von Tomaten dann auf einmal stark rentieren würde, aber dann auch genauso unfair wäre gegenüber denjenigen, die keine Möglichkeit haben, Tomaten selber anzubauen.

Würde der Arbeitspreis von allen Dingen entlastet werden, die nichts direkt mit der Menge des Netzbezuges zu tun haben (wie es sinngemäß bei Tomaten der Fall ist), wäre gegen den Eigenverbrauch auch nichts einzuwenden und könnte von der EEG-Umlage komplett befreit werden. Er würde sich dann aber auch finanziell kaum noch lohnen, da der Arbeitspreis dann niedriger als die Einspeisevergütung läge.

„Ein verursachergerechter Stromtarif mit hohem Anschluss-/Leistungspreis und niedrigem Arbeitspreis senkt den Anreiz zum Stromsparen“

Um möglichst schnell und effizient den CO2-Ausstoß zu senken, muss man das Energiesystem als Ganzes betrachten. Gerade im Stromsektor sinken die Emissionen am stärksten und Ökostrom ist kaum noch teurer in der Herstellung als fossiler Strom. Von daher ist sich die Fachwelt einig, dass man den aktuell extrem hohen Arbeitspreis drastisch senken muss, um stärkere finanzielle Anreize zu schaffen, den Straßenverkehr und die Wärmeerzeugung zu elektrifizieren. Die Senkung der EEG-Umlage (sogar eine komplette Streichung wird diskutiert) und die bereits vorhandenen speziellen Wärmepumpen- und Wallbox-Tarife gehen genau in diese Richtung.

Den Haushalts-Arbeitspreis durch Steuern und Umlagen künstlich in die Höhe zu treiben, um Haushalte zum Stromsparen zu bewegen ist auch sozial ungerecht, da das Einsparpotenzial gerade für ärmere Haushalte gering ist und es zu Strom kaum eine Alternative gibt.

Die Gefahr, dass sich bei einem hohen Anschluss-/Leistungspreis massenhaft Haushalte vom Netz komplett abkoppeln und sich eine eigene vollständige Strom-Autarkie aufbauen ist unbegründet. Eine vollständige Stromautarkie auf Haushaltsebene ist extrem teuer, unzuverlässig und betreuungsintensiv, so dass diese nur von einer kleinen Minderheit dauerhaft angestrebt werden dürfte.

„Mit Eigenverbrauch werde ich unabhängiger von den großen Energieversorgern“

Wenn man mit Eigenverbrauch seinen Netzbezug senkt, kann der Energieversorger in der Tat weniger an einem verdienen. Aber jede eigenverbrauchte Kilowattstunde, die den Netzbezug senkt, wird entsprechend weniger ins Netz eingespeist, so dass sich insgesamt die verkaufbare Menge für den Energieversorger nicht ändert. Wenn man das Geschäft der Energieversorger verringern will, sollte man eine möglichst große Photovoltaik-Anlage bauen und seinen Stromverbrauch möglichst verringern.

Große Energieversorger sind auch nicht per se „schlecht“. Wie viel CO2 sie bei der Stromerzeugung verursachen, liegt in erster Linie an den politisch vorgegebenen Rahmenbedingungen (etwa die Höhe des CO2-Preises). Eine dezentrale Energieversorgung ist auch nicht automatisch emissionsärmer oder günstiger als eine zentrale. Es ist naheliegend, dass Wind- und Photovoltaik-Großanlagen, die dort gebaut werden, wo es viel Wind und Sonne gibt zunächst einmal günstiger sind, als viele Kleinanlagen in Gebieten mit geringeren erneuerbaren Ressourcen. Dafür kann Dezentralität natürlich einen gewissen Teil des Netzausbaus einsparen. Die Studienlage ist nicht eindeutig, wo genau das optimale Maß an Dezentralität liegt.

„Ohne den finanziellen Vorteil des Eigenverbrauchs würde der private Photovoltaik-Ausbau stark zurückgehen“

Man muss sich im Klaren sein, dass wir zur Erreichung der Klimaneutralität in Deutschland etwa eine Verzehnfachung der aktuellen Photovoltaik-Kapazität benötigen. Um diese gewaltige Menge zu vertretbaren Kosten zu erreichen, muss der Anteil an kostenoptimierten Großanlagen sehr hoch sein, ansonsten sprengen die Kosten jeden gesellschaftlich durchsetzbaren Rahmen. Bei einer verschärften Fortsetzung des Emissionshandels werden diese Großanlagen auch ohne teure nationale Förderprogramme europaweit immer wettbewerbsfähiger und entsprechend von Investoren finanziert werden. Dass man das Potenzial der vielen privaten kleinen Hausdächer trotzdem möglichst vollständig ausnutzen sollte, liegt weniger an einer technischen oder ökonomischen Notwendigkeit, als an der Tatsache, dass die Energiewende auch Akzeptanz in der Bevölkerung erfordert. Von daher kann es durchaus sinnvoll sein, dass man private Kleinanlagen zusätzlich finanziell fördert. Dies sollte jedoch trotzdem auf eine möglichst effiziente und faire Weise erfolgen. Das gegenwärtige System, bei dem die durch den Eigenverbrauch erzielte Ersparnis von Steuern/Umlagen auf den Arbeitspreis ein zentrales ökonomisches Argument für den Bau privater Photovoltaik-Anlagen ist, setzt einen finanziellen Anreiz, die vorhandenen Dachflächen nicht komplett auszunutzen, um dadurch den Eigenverbrauchsanteil zu erhöhen. Dies ist genau das Gegenteil davon, was eigentlich erreicht werden soll. Fällt der finanzielle Vorteil des Eigenverbrauchs weg, weil der Arbeitspreis entsprechend entlastet wird, müsste er natürlich durch eine anderweitige Förderung ersetzt werden. Ich hatte in meinem Beitrag deshalb eine entsprechende Erhöhung der Einspeisevergütung für Kleinanlagen vorgeschlagen.

Die Einbindung von Privathaushalten in die Energiewende hat auch den Vorteil, dass Privatleute oftmals geringere Renditeerwartungen als Unternehmen haben. Um die Energiewende voranzubringen sind manche sogar bereit, negative Renditen in Kauf zu nehmen. Die Aufgabe der Fachwelt, Medien und Politik ist es dann aber, diese private Investitionsbereitschaft in möglichst effiziente Bahnen zu lenken, um damit möglichst viel CO2 zu reduzieren. Dies könnte neben der Einspeisevergütung auch beispielsweise eine staatlich abgesicherte finanzielle Beteiligungsmöglichkeit an Großanlagen oder die Förderung und Entbürokratisierung von Mieterstrommodellen und der Verpachtung von Dachflächen an Photovoltaik-Investoren sein.

— Der Autor Andreas Luczak ist seit 2016 Professor für Regenerative Energien an der Fachhochschule Kiel. Zuvor war er mehr als 15 Jahre bei Siemens tätig und führte als Geschäftsführer des europäischen Ablegers eines chinesisch-amerikanischen Unternehmens deren Redox-Flow-Speichertechnik in Europa ein. Sein kürzlich erschienenes Buch trägt den Titel „Deutschlands Energiewende – Fakten, Mythen und Irrsinn“. —

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