pv magazine highlight top innovation: Viel Solarstrom im Winter

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Der Muttsee in der Schweiz hat viele Besonderheiten und bald noch eine mehr. Der Stausee liegt auf 2.500 Höhenmetern im Kanton Glarus und ist damit der höchstgelegene in ganz Europa. Mit 1.054 Metern besitzt er zudem die längste Staumauer der Schweiz und seit 1968 wird der ursprüngliche Bergsee als Teil eines Pumpspeicherwerks genutzt. Die Energie­erzeugung vor Ort will Axpo mit einem bisher einzigartigen Projekt noch ausbauen.

Der Schweizer Energiekonzern wird im Juni mit dem Bau seines Projekts „Alpin Solar“ am Muttsee beginnen. Zwar fand es nicht die Anerkennung als Leuchtturmprojekt des Schweizer Bundesamts für Energie, doch es überzeugte die pv magazine Juroren – nicht zuletzt wegen der effizienten Doppelnutzung von Flächen. Die rund 5.000 Solarmodule werden auf der nach Süden ausgerichteten Staumauer installiert. 2,2 Megawatt Leistung wird das geplante Pilotprojekt haben, das der Energie­konzern bereits seit November 2019 plant.

Erst kürzlich gab es die Initialzündung, die den Bau nun Wirklichkeit werden lässt. Axpo schloss mit der Schweizer Supermarktkette Denner einen Stromabnahmevertrag über 20 Jahre ab – der erste PPA für eine große Photovoltaikanlage in der Schweiz. Den genauen Abnahmepreis für den Solarstrom wollten die Unternehmen nicht konkret beziffern. Immerhin erklärten sie, er liege über dem heutigen Marktpreisniveau. Daneben erhält Axpo die normale Förderung für solche Anlagen, die in der Schweiz als Einmalvergütung gewährt wird. Rund 600.000 Schweizer Franken beträgt sie für das geplante Kraftwerk. Allerdings ist damit die Rentabilität des Projektes keineswegs gesichert, wie Christoph Brand, CEO von Axpo, offen einräumt. „Leider sind solche Anlagen aufgrund der fehlenden Rahmenbedingungen heute noch kaum wirtschaftlich realisierbar, so auch dieses Projekt.“ Mit rund acht Millionen Schweizer Franken Investitionskosten sei es auch nicht ganz günstig, verglichen mit dem Bau von Freiflächenanlagen in tieferen Lagen. Der Energieversorger des Kantons Basel-Stadt, die Industrielle Werke Basel AG, ist mit 49 Prozent an „Alpin Solar“ beteiligt.

Die Schweiz braucht viele solche Kraftwerke, die in höheren Lagen mit hoher Modulneigung installiert sind. Wie in Deutschland werden die Atommeiler in dem Land sukzessive abgeschaltet. Damit steuert das Land gerade im Winter mittel- bis langfristig auf ein Stromdefizit zu. ­Solche alpinen Photovoltaikanlagen könnten dies in Zukunft abmildern, da sie ein viel ausgeglicheneres Erzeugungsprofil haben. Ihr Potential, hauptsächlich Freilandanlagen, ist in einer Studie mit rund 16,4 Terawattstunden Stromererzeugung pro Jahr beziffert worden. Nach den Schätzungen seien davon rund 3,3 Terawattstunden kurzfristig realisierbar.

highlights und spotlights

Preis für gute Ideen:

In der März-Runde zeichnet pv magazine zwei Einreichungen als highlight aus. Ein spotlight ist dieses Mal nicht dabei.

Das sagt die Jury:

Axpo – Staumauer-Solar mit viel Winterstrom

Photovoltaik ist zwar eine saubere Energiequelle, doch sie benötigt Platz. Umso besser, wenn es gelingt, Flächen mehrfach zu nutzen. Das unternimmt der Schweizer Energieversorger Axpo mit seinem Alpinsolar-Projekt, bei dem er Module mit einem eigens entwickelten Montagesystem an einer Staumauer anbringt. Das hat gleichzeitig den positiven Effekt, dass durch die Ausrichtung der Ertrag in den Wintermonaten relativ gesehen zunimmt. Für die technologische Innovation, diese Doppelnutzung zu realisieren, verleiht die Jury das Prädikat „pv magazine top innovation“.

Die Juroren

Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban, Experte für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität, berät Schletter, Maxsolar und Smart Power. Winfried Wahl leitet das Produktmanagement bei Longi Solar in Deutschland.

Mehr Infos, bisherige Preisträger und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 30. April 2021

Axpo rechnet damit, dass die Anlage jährlich rund 3,3 Millionen Kilowattstunden Solarstrom liefert, die Hälfte davon im Winterhalbjahr. Bei vergleichbaren Anlagen im Mittelland entfalle nur etwa ein Viertel der Erzeugung auf das Winterhalbjahr. Die ungewöhnlich hohe Produktion in den Wintermonaten wird durch mehrere Faktoren begünstigt: Die Module sind wie an der Staumauer steil montiert. Anlagen in diesen Höhen liegen seltener im Nebel. Auch die Wirkungsgrade der Module seien bei den dort vorherrschenden tieferen Temperaturen höher. Dazu kommt die Verstärkung des bifazialen Effekts bei einer geschlossenen Schneedecke.

Allerdings sind diese Projekte auch mit speziellen Anforderungen bei der Umsetzung verbunden. Axpo nennt als Beispiel die Unterkonstruktionen. Sie müssen so installiert werden, dass die Photovoltaikanlage mit einem Abstand von anderthalb Metern gebaut werden kann, damit die Staumauer jederzeit für Wartungsarbeiten zugänglich bleibe. Daneben handele es sich um die erste talseitige Photovoltaikanlage an einer Staumauer, was komplexere Berechnungen für den Fall eines Überlaufs des Stausees mit sich bringe. Auch dies müsse bei der Installation der Unterkonstruktion berücksichtigt werden. Diese müsste – wie die Module auch – zudem hohen Wind- und Schnee­lasten standhalten.

Um die wegfallenden Stromerzeugungskapazitäten der AKW zu kompensieren, brauche es Tausende solcher Anlagen im Land, die vor allem im Winter viel Solarstrom liefern. „Wir sehen das Projekt auch als wichtigen Diskussionsbeitrag für die anstehenden Gesetzesrevisionen“, sagt Brand. Der heutige Förderrahmen sei für private Eigenverbrauchsanlagen ausgelegt. Mit Blick auf das drohende Defizit im Winter brauche es jedoch auch neue Großanlagen. Und gerade Photovoltaik im Hochgebirge könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

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