Die Bundesregierung will bis 2038 aus der Kohle aussteigen. Als 2019 dieser sogenannte „Kohle-Kompromiss“ zustande kam, haben die Umweltverbände nur deshalb zugestimmt, weil ihnen zugesichert wurde, dass der Umstieg Schritt für Schritt bald beginnen werde. Doch Regierung und Energiewirtschaft werden jetzt wortbrüchig. Denn heute, am Tag vor Pfingsten, dem Fest des Geistes, soll noch schnell ein neues Steinkohlekraftwerk, „Datteln 4“, bei Dortmund ans Netz. Geistloser geht´s nimmer!
Bundesregierung, Landesregierungen und die alte Energiewirtschaft wurden wortbrüchig. Dieses Kohlekraftwerk ist absolut überflüssig. Im Sommer 2020 werden hierzulande bereits 52 Prozent des Stroms erneuerbar erzeugt. Es ist ein leichtes, diese Zahl in den nächsten Jahren zu erhöhen. Auch die Bundesregierung will bis 2030 65 Prozent Ökostrom. Soeben hat die Groko beschlossen, den 52 Gigawatt-Solardeckel endgültig abzuräumen.
Die Klimaerhitzung ist in vielen Ländern der Welt bereits Realität
Der März 2020 war global der heißeste März-Monat seit 1880, der April war seither der zweitheißeste April-Monat. In diesem Sommer drohen zum dritten Mal hintereinander riesige Ernteausfälle wegen der Trockenheit. Die Landwirte schlagen bereits Alarm. Doch die Bundesregierung und die Landesregierung in NRW genehmigen ein neues Kohlekraftwerk.
Die Kohle, die in „Datteln 4“ verfeuert wird, kommt aus Kolumbien und Sibirien, denn hierzulande ist die Steinkohle seit 2019 Geschichte. Aber in den genannten Ländern gibt es ebenfalls Proteste gegen Kohle, denen die dortigen Regierungen mit Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung, Zwangsumsiedlungen und sogar Mord begegnen.
Auch Deutschland ist daran beteiligt, dass wir zur Zeit auf eine Welt zurasen, die bis zu sechs Grad heißer sein wird als heute. Ich möchte nicht mein Enkel sein und dann auf dieser Welt leben müssen. In Paris wurde 2015 auch mit Zustimmung Deutschlands beschlossen, dass unser Planet nicht mehr als höchstens zwei Grad wärmer werden darf.
„Datteln 4“ und „Garzweiler 2“ sind überflüssig
„Datteln 4“, aber auch „Garzweiler 2“ sind auch deshalb überflüssig, weil 2020 wegen der Corona-Pandemie weltweit der Verbrauch an Kohle, Gas und Erdöl dramatisch sinken wird, wie soeben die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris bekannt gab. Es sei der „weltweit größte Rückgang der Energie-Investitionen der Geschichte“, so die IEA. Für 2020 werde erwartet, dass der Verbrauch fossiler Energieträger um 20% sinken werde. Relativ zunehmen werden allein die erneuerbaren Energien, prognostiziert die IEA.
Doch die Kohle-Dinosaurier in Deutschland nehmen jetzt noch ein neues Kohlekraftwerk ans Netz und baggern weitere fünf Dörfer für „Garzweiler 2“ ab. Weltweit ist der Bau von neuen Kohlekraftwerken seit 2015 um 80 Prozent zurückgegangen. Nicht nur ökologisch, auch ökonomisch sind „Datteln 4“ und „Garzweiler 2“ der reine Wahnsinn.
Und der gesellschaftliche Konsens, der vor einem Jahr mit dem „Kohle-Kompromiss“ erreicht war, ist schon wieder passe. Es wird zu neuen Kohle-Konflikten kommen.
— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Genehmigung wurde leider erteilt und auch leider aus politischen Erwägungen nicht zurück gezogen.
Aus gutem Grund wäre doch mal beim Betreiber zu erfragen, welche jährliche Summe aufzubringen wäre, um einen Betrieb auszusetzen.
Das Stromnetz braucht Datteln4 offensichtlich nicht (mehr)!
Billiger für den Steuerzahler als ein staatliches Verbot mit wahrscheinlich resultierenden Schadensersatzforderungen der Betreiber, ist die Schaffung von erneuerbaren Energieerzeugern mit Einspeisevorrang und die Verteuerung der Kohleverbrennung durch die CO2-Abgabe. Wenn der Kohlestrom auf dem angeblich so freien Markt nicht mehr kostendeckend abgesetzt werden kann, wird das Kraftwerk (oder andere, weniger effiziente) eingemottet. Sich darüber aufzuregen, dass es trotz Ausstiegsbeschluss doch noch ans Netz gegangen ist, ist so sinnlos, wie seinen Strandurlaub im Smoking zu verbringen: Sieht gut aus, bringt aber sonst aber nichts.
Da ist man sprachlos.
Das erinnert mich an das Gejammer vom menschenunwürdig abgebauten Kobalt.
Mit der Steinkohle ist es offensichtlich eher noch schlimmer.
Datteln 4 wurde durch endlose Klagen und leider auch wegen techn. Probleme beim Bau jahrelang verzögert. Jetzt ist es endlich am Netz und dafür werden kleine und veraltete Anlagen abgeschaltet. Der Betreiber hat langjährige Abnahmeverträge geschlossen und die mus er und auch sein Kund einhalten. Es gibt Kunden, die sind auf die zuverlässige Belieferung von Strom angewiesen. Wie gross wäre das Geheule, wenn die Züge der Deutschen Bahn wegen Stromausfall oder Strommangel auf freier Strecke stehen bleiben würden.
Und gerne wird vergessen, wie zögerlich der Ausbau der Erneuerbaren stattfindet, auch wieder wegen endloser Klagen. Das Abschalten von Kohle- oder Kernkraftwerken eilt da ein wenig voraus.
Und was passiert, wenn die Stromimporte aus Frankreich, Polen oder Tschechien ausbleiben?