„Krisen bringen immer Transformation und Wandel“

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pv magazine: Welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise auf Tiko Energy Solutions?

Myriam Bruet (Foto): Das Tiko-Team arbeitet seit Mitte März im Home-Office. Die Mitarbeiter in Mailand sind seit Anfang März zu Hause. Allerdings sind unsere Büros durchgehend geöffnet und Mitarbeiter können diese auf freiwilliger Basis nutzen. Das ist vor allem für diejenigen interessant, die kleine Kindern zu Hause haben. Wir waren zum Glück bereits gut mit digitalen Werkzeugen ausgestattet und treffen uns mehrmals täglich auf Slack-, Zoom- und Microsoft-Teams – das ist bei Tiko schon immer Tradition gewesen.

Wie hat sich die Nachfrage nach Energiemanagementsystemen in den letzten Wochen entwickelt?

Die Nachfrage nach Energiemanagementlösungen steigt, da gerade die Energiewirtschaft den Bedarf an digitalen Plattformen erkannt hat. Vor sieben Jahren waren wir eine der ersten Anbieter auf diesem Gebiet und haben unsere Lösungen seitdem um ein vielfachen erweitert, um noch mehr Geräte zu integrieren und innovativere Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Wir glauben fest daran, dass die aktuelle Krise einen positiven Nebeneffekt haben wird und ein starkes Bewusstsein dafür schafft, dass wir mehr für unseren Planeten tun müssen und dass wir durch kollektives Handeln eine positive Entwicklung fördern können.

Warum glauben Sie das?

Gerade die aktuelle Zeit beweist, dass wir gemeinsam stärker sind. Das ist auch der Anspruch von Tiko und im Endeffekt etwas, das wir durch unser Home Energy Management System ermöglichen. Mit dem Aufbau von Virtual Power Plants sind Stadtwerke in der Lage, mehr kleinere und mittlere Anlagen ins Netz zu integrieren und damit Energiegemeinschaften zu fördern. Dadurch kann der Energieverbrauch besser kontrolliert, der Eigenverbrauch stärker optimiert und schließlich Energie und Geld gespart werden – und gleichzeitig auch der Komfort erhöht werden. Eine gemeinsame Anstrengung ohne Nachteile – und das Gegenteil von dem, was wir aktuell erleben, nämlich unser soziales Leben und letztlich unsere Wirtschaft zu opfern, um uns vor einer massiven Pandemie zu retten.

Wie haben Sie den Vertriebsprozess in dieser Zeit verändert?

Natürlich müssen und werden die Interaktionen für einen längeren Zeitraum völlig remote sein. Wir mussten uns alle anpassen, aber Key Account Manager stehen alle in engem Kontakt mit unseren Kunden. Da wir in der Schweiz ansässig sind und Kunden auf der ganzen Welt haben, sind wir es gewohnt, einen Großteil unserer Beziehungen aus der Ferne abzuwickeln. Alle sind gut mit virtuellen Meeting-Tools ausgestattet, so dass der Übergang reibungslos verlief. Wir sind sehr stolz darauf, gute Beziehungen zu unseren Kunden zu haben – und wir schätzen ihr Vertrauen heute mehr denn je.

Sie steuern Virtual Power Plants – ist das aus der Ferne genauso gut möglich?

Ein VPP ist, wie der Name schon sagt, per Definition virtuell. Alle unsere Operationen und Überwachungen sind vollkommen unabhängig von einem physischen Ort. Unser Betriebsteam betreibt unsere virtuellen Kraftwerke aktuell von ihrem Heimbüro aus. Sie interagieren viel mit dem gesamten Tiko-Team, als ob sie alle an einem Ort wären. Für uns hat sich hier nicht wirklich viel geändert. 

Glauben Sie, dass Start-ups stärker von der Krise betroffen sind als etablierte Unternehmen?

In Situationen wie dieser sind alle Unternehmen von einer großen Unsicherheit betroffen. Auch wir. Covid-19 bedeutet für uns die temporäre Einstellung oder vorzeitige Beendigung laufender Projekte. Grund dafür ist, dass Installateure in mehreren Ländern, in denen wir tätig sind von dem Lockdown betroffen waren und nicht mehr arbeiten durften. Unsicherheit bedeutet auch, dass Kunden dazu neigen, Entscheidungen mit geringem Risiko zu bevorzugen, anstatt sich für Innovationen zu entscheiden. Für Start-ups ist dies definitiv eine Bedrohung.

Gibt es weitere Faktoren, die gerade für Start-ups problematisch sind?

Ein weiterer Faktor ist die Liquiditätsplanung – Start-ups haben oft keine großen Finanzreserven, um Monate oder Jahre in einer solchen Situation überleben zu können und haben es definitiv schwerer, diese zu bewältigen. Nichtsdestotrotz profitieren Start-ups tendenziell von einem stärkeren Engagement ihrer Mitarbeiter, einer intensiveren Unternehmenskultur, die sie vorantreibt und ihnen hilft, Schwierigkeiten zu überwinden. Und Krisen bringen immer Transformation und Wandel mit sich – also auch eine Chance, die es für Start-ups zu nutzen gilt, neue Angebote, Innovationen und Neuerungen zu präsentieren. Wir sind froh, dass wir aus der Startphase heraus sind – wir sind sieben Jahre alt – und jetzt eher ein Scale-up anstatt Start-up. Es ist immer noch aufregend, aber beständiger, da wir auf dem Markt bereits bekannt sind und die Chance haben, das Vertrauen unserer Stakeholder und insbesondere von Engie zu haben, die unser Wachstum in diesen schwierigen Zeiten wie auch schon vorher aktiv begleiten.

Wie halten Sie das Team weiterhin motiviert?

Der größte Teil unseres Teams ist jung, und viele von ihnen sind erst in die Schweiz gezogen, um für Tiko zu arbeiten. Sie haben ihre Familien zurückgelassen, was unter normalen Umständen kein Problem ist, denn wir haben ein multikulturelles Team von kontaktfreudigen, dynamischen Menschen und der Zusammenhalt zwischen uns allen ist stark. Doch in manchen Fällen können soziale Distanzierung und Heimarbeit über einen längeren Zeitraum eine Herausforderung darstellen. Für uns war es wichtig, die Struktur als auch die Nähe aufrechtzuerhalten, die es uns ermöglicht, diese Ausnahmesituation erfolgreich zu überstehen. Wir haben versucht, viele unserer Traditionen digital zu reproduzieren.

Wie kann man sich das vorstellen?

Es ist beispielsweise Tradition, zum Geburtstag eine oder mehrere Torten mitzubringen. Jetzt werden Geburtstage auf den Slack-Kanälen gefeiert und dem Geburtstagskind wird ein Kuchen nach Hause geliefert. Dafür gibt es jetzt einen großen Nachholbedarf an Kuchen, sobald wir wieder im Büro sind! Die traditionellen Abschiedsfeiern werden durch virtuelle Feiern ersetzt und es werden digitale Karten erstellt, die dann ausgedruckt und an entsprechende Mitarbeiter mit einer persönlichen Nachricht von allen Arbeitskollegen geschickt werden. Wir haben auch eine ganze Reihe von Aktivitäten und eine neue Traditionen ins Leben gerufen, um die Tiko-Gemeinschaft stark und lebendig zu halten: Zum Beispiel haben wir jetzt jeden Morgen um 8 Uhr „Guten-Morgen-Gespräche“ zwischen Managern und ihren Teams – 15 bis 30 Minuten lang, um sich gegenseitig zu informieren und die täglichen Prioritäten abzustimmen. Bei den Anrufen gab es viel Wettbewerb um die schlechteste Frisur des Tages. Wir haben uns auch gegenseitig unsere Wohnungen und Häuser gezeigt, um den Teams zu ermöglichen, sich gegenseitig in einer Umgebung wahrzunehmen und nicht nur im Hintergrund eines Zoom-Fensters.

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